Rücklagen nach der Werkstättenverordnung bei Betriebsaufspaltungen

Bei Betriebsaufspaltungen von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in ein Besitz- und ein Betriebsunternehmen stellt sich die Frage, wie der Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsergebnisses nach § 12 Abs. 5 WVO zu führen ist. In letzter Zeit häufen sich die Anfragen von Mandanten, die Probleme mit der Nachweisführung gegenüber den Anerkennungsbehörde

Betriebsaufspaltungen von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in ein Besitz- und ein Betriebsunternehmen

 

Bei Betriebsaufspaltungen von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in ein Besitz- und ein Betriebsunternehmen stellt sich die Frage, wie der Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsergebnisses nach § 12 Abs. 5 WVO zu führen ist. In letzter Zeit häufen sich die Anfragen von Mandanten, die Probleme mit der Nachweisführung gegenüber den Anerkennungsbehörden haben. Die folgenden Ausführungen betreffen sowohl neue Betriebsaufspaltungen als auch bereits verwirklichte Fälle.

Rücklagen nach der Werkstättenverordnung bei Betriebsaufspaltungen - Gesetzliche Grundlagen

Nach § 12 Abs. 1 WVO haben WfbM eine Arbeitsergebnisrechnung zu erstellen, in der die Ermittlung und die Verwendung des Arbeitsergebnisses aus dem Arbeitsbereich dargestellt werden. Das Arbeitsergebnis ist definiert als die Differenz zwischen den Erträgen und den notwendigen Kosten des laufenden Betriebs im Arbeitsbereich der Werkstatt. Grundsätzlich sind mindestens 70 % des Arbeitsergebnisses für die Zahlung der Arbeitsentgelte an die behinderten Beschäftigten zu verwenden.

Aus den übrigen maximal 30 % dürfen Rücklagen für Ertragsschwankungen und für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen gebildet werden. Zusätzlich ist eine Abschreibungsrücklage in einer Nebenrechnung zu führen, in der die liquiden Mittel aus den erwirtschafteten Abschreibungen fortgeschrieben werden. Aufgrund der vorrangigen Verwendungspflicht der Abschreibungsrücklage nach § 12 Abs. 5 Nr. 3 WVO darf die Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen erst dann in Anspruch genommen werden, wenn die Abschreibungsrücklage rechnerisch aufgebraucht ist.

Rücklagen nach der Werkstättenverordnung bei Betriebsaufspaltungen - Problemstellung

Wird der Betrieb der WfbM in eine GmbH ausgelagert, so wird in der Regel das Grundvermögen zurückbehalten und der GmbH zur Nutzung überlassen. Bei einer solchen Betriebsaufspaltung spricht man zum einen von der Besitzgesellschaft (Eigentümer der wesentlichen Betriebsgrundlage) und zum anderen von der Betriebsgesellschaft (Betreiber der WfbM). Besitzgesellschaft kann dabei eine Stiftung, ein Verein oder eine andere Körperschaft sein. WfbM bedürfen nach § 225 SGB IX formal einer Anerkennung. Die Entscheidung über die Anerkennung trifft auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem Träger der Eingliederungshilfe. Die Bundesagentur für Arbeit führt ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. Da bei einer Betriebsaufspaltung ein neuer Rechtsträger Betreiber der WfbM wird, ist ein neuer Anerkennungsbescheid zu beantragen.

Im Folgenden wird untersucht, welche Auswirkungen eine Betriebsaufspaltung auf die Rücklagenberechnungen nach der WVO hat. Dabei geht es auch um die Frage, in welcher Höhe Rücklagenmittel als „Startkapital“ auf die Betriebsgesellschaft übertragen werden müssen.

Rücklagen nach der WVO bei Betriebsaufspaltungen - Es sind zwei Konstellationen zu unterscheiden:

  • Die Anerkennung der WfbM durch die Anerkennungsbehörden unter einer neuen Registriernummer deutet darauf hin, dass eine neue WfbM entstanden ist.
  • Die WfbM wird unter der alten Registriernummer fortgeführt. Es handelt sich lediglich um eine „Umfirmierung“ nach der WVO.

Die in Rücklagen eingestellten Mittel sind nach § 12 Abs. 5 WVO zweckgebunden und dürfen „nur für Zwecke der Werkstatt [Anmerkung: Welche Werkstatt im Sinne der beiden Konstellationen ist gemeint?] verwendet werden“. Das Thema Rücklagen nach der WVO wird erfahrungsgemäß seitens der Anerkennungsbehörden im Zuge einer Betriebsaufspaltung bzw. dem folgenden Anerkennungsverfahren selten thematisiert. Es ist davon auszugehen, dass die Tragweite der Entscheidung über das Schicksal der Rücklagen den Protagonisten häufig nicht bewusst ist. Insbesondere müsste ggf. dokumentiert werden, was mit evtl. noch vorhandenen, nicht zweckentsprechend verwendeten Rücklagenmitteln der untergehenden WfbM geschehen soll. Eine solche Feststellung ist dem Verfasser in der Praxis bisher nicht bekannt. Im Folgenden wird deshalb nur der zweite Fall („Umfirmierung“) weiterverfolgt.

Durch die Betriebsaufspaltung ergeben sich folgende Implikationen für die Rücklagen nach der WVO:

a)  Ertragsschwankungsrücklage

Die Ertragsschwankungsrücklage ist eine Art Betriebsmittelrücklage, die verhindern soll, dass Ertragsschwankungen auf die Arbeitsentgelte der behinderten Beschäftigten durchschlagen. Die Rücklage wird für den laufenden Betrieb gebildet und steht in vollem Umfang der Betriebsgesellschaft zu.

b)  Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen

Die Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen stellt nicht verwendete Teile des Arbeitsergebnisses dar, die in späteren Jahren (nach Aufbrauchen der Abschreibungsrücklage) für Investitionen in der Werkstatt zu verwenden sind.

Die Mittel stehen vollständig der Betriebsgesellschaft zu, wenn die Rücklage ausreichend dotiert wurde und der Investitionsbedarf entsprechend hoch ist. Dabei sind die Vereinbarungen im Mietvertrag zu würdigen. Je nachdem, ob der Vermieter oder der Mieter zur Finanzierung von ­Ersatzinvestitionen in die Gebäude verpflichtet ist, ist unter Umständen eine Aufteilung der Rücklagenmittel erforderlich. Beispielsweise macht es keinen Sinn, sämtliche Rücklagenmittel dem Betriebsträger zuzuordnen, wenn ­Ersatzinvestitionen in das Gebäude Vermieteraufgabe sind und der Betriebsträger keine Möglichkeit hätte, die Rücklagenmittel in der Zukunft zweckentsprechend zu verwenden. Zwischenlösungen sind denkbar (z. B. Mietereinbauten in fremde Gebäude – sofern nicht durch den Mietvertrag ausgeschlossen).   

Sollte die Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen auf zwei Rechtsträger aufgeteilt werden, müssen beide Rechtsträger die zweckentsprechende Verwendung der Mittel für Investitionsmaßnahmen im Rahmen der ­Arbeitsergebnisrechnung nachweisen.

c)  Abschreibungsrücklage

In der Abschreibungsrücklage schlagen sich die erwirtschafteten Abschreibungen (liquide) nieder. Der Eigentümer sollte in der Lage sein, aus dieser angesparten Liquidität Reinvestitionen in die Betriebsmittel zu finanzieren. Durch die Betriebsaufspaltung wird das Anlagevermögen auf zwei Rechtsträger aufgeteilt. Dementsprechend sind die in der Vergangenheit erwirtschafteten Abschreibungen grundsätzlich ebenfalls aufzuteilen.

Im Hinblick auf die Fortführung der Rücklagen nach der WVO wird eine Entnahme aus der Abschreibungsrücklage der WfbM als problematisch angesehen, solange dieser Entnahme keine Investitionen gegenüberstehen. Für den chronologischen Nachweis bietet es sich an, eine doppelte Abschreibungsrücklage zu führen. Zusätzlich zur Abschreibungsrücklage bei der Betriebsgesellschaft würde die Besitzgesellschaft eine solche Berechnung aufstellen. Damit ist dann auch eine Weiterführung der in der Vergangenheit gebildeten Abschreibungsrücklage möglich.

Rücklagen nach der Werkstättenverordnung bei Betriebsaufspaltungen - Praxis-Hinweis:

Im Zuge der Betriebsaufspaltung sind in der Regel die bisher gebildeten Rücklagen nach der WVO auf die beiden Rechtsträger aufzuteilen. Maßstab dabei sollte der Finanzierungsbedarf für zukünftige Investitionen sein, damit eine zweckentsprechende Verwendung der Arbeitsergebnisse nachgewiesen werden kann. Bis die in der Vergangenheit angesammelten Rücklagenmittel aufgebraucht sind, erfolgt dieser Nachweis durch eine doppelte Rücklagenführung beider Rechtsträger. Bei weiteren Einzelfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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