Haftung der Geschäftsführung wegen Entzugs der Gemeinnützigkeit

Das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) hat sich in seinem Urteil vom 16. Oktober 2023 – 16 Sa 1733/22 – zur Haftung von Geschäftsführern gegenüber Vereinen für Schäden geäußert, die durch die Überschreitung von Vermögensverwaltungsbefugnissen entstanden sind und zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen können.


Der Fall

Ein angestellter Geschäftsführer eines als steuerbegünstigt anerkannten Vereins hatte im Verlauf von fünf Jahren ohne Abstimmung mit dem Vorstand Spenden in Höhe von rd. 935.000 Euro an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft freigegeben, deren Geschäftsführerin seine Ehefrau war. Diese war auch bei dem Verein auf Honorarbasis beschäftigt und erhielt über mehrere Jahre Honorare in Höhe von rd. 220.000 Euro, ohne eine Gegenleistung erbracht zu haben. Im Rahmen einer Außenprüfung entzog die Finanzverwaltung dem Verein wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit die Gemeinnützigkeit. Der Schaden infolge des Verlusts der Gemeinnützigkeit wurde auf rund 580.000 Euro beziffert. Der Verein verklagte den angestellten Geschäftsführer auf Ersatz dieses Schadens sowie wegen grundlos geleisteter Honorare und Spenden. Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte die Klage des Vereins als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Kläger beim LAG Berufung ein.


Die Entscheidung

Das LAG verurteilte den Beklagten in allen genannten Schadensfällen zu Schadensersatz in Höhe von insgesamt rd. 1,8 Mio. Euro wegen Verletzung von Pflichten aus dem Geschäftsführervertrag sowie wegen Verletzung der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Der Geschäftsführer hätte die Geschäfte des Vereins aufgrund der Regelungen des Geschäftsführervertrages nach Maßgabe der Gesetze, der Leitsätze und der Satzung des Vereins und damit auch unter Beachtung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben führen müssen. Der Geschäftsführer habe gegen die Satzung des Vereins verstoßen.

Zur Begründung führt das LAG aus, dass allein das rechtliche „Können“ im Außerverhältnis noch kein satzungsgemäßes Handeln des Geschäftsführers begründe. Entscheidend sei das rechtliche „Dürfen“ im Innenverhältnis. Dieses beinhalte, dass das Handeln des Geschäftsführers stets darauf gerichtet sein muss, die Interessen des Klägers zu wahren. Dazu hätte gehört, bei Spenden die wirtschaftliche Lage, insbesondere die Liquiditätssituation im Blick zu haben. Spenden trotz Jahresverlustes seien mit der wirtschaftlichen Lage nicht vereinbar gewesen. Außerdem gingen Spenden in dieser Größenordnung über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinaus und hätten der Zustimmung des Vorstands bedurft. Das LAG wertete die Spenden in der angespannten finanziellen Situation als vorsätzlich begangene, gravierende Verletzung der wirtschaftlichen Interessen des Vereins, zu deren Berücksichtigung der Beklagte aufgrund des Geschäftsführervertrages verpflichtet war. Weiterhin stellte das LAG einen Verstoß gegen die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, fest. Der Beklagte habe die Befugnis zur Vermögensbetreuungspflicht missbraucht, indem er zwar im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht gehandelt, die sich im Innenverhältnis ergebenden Beschränkungen – Einholung der Zustimmung des Vorstands bei ungewöhnlichen Rechtsgeschäften – aber nicht hinreichend beachtet habe. Durch die vorsätzliche Zahlung von Honoraren ohne entsprechende Gegenleistungen habe der Geschäftsführer  gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstoßen und den Entzug der Gemeinnützigkeit verursacht, was zu einer Haftung für den durch den Verlust der Gemeinnützigkeit entstandenen Schaden führe.


Praxis-Hinweis

Im Urteilsfall war offenkundig, dass der Geschäftsführer seine Befugnisse vorsätzlich missbraucht hatte. Verstöße gegen das Gebot der Selbstlosigkeit können auch durch fahrlässiges Handeln gegeben sein, zum Beispiel wenn versäumt wurde, in Verträgen mit langer Laufzeit die Vergütung gegenüber dem Vertragspartner zu erhöhen, so dass die Preise nicht mehr marküblich sind. Geringfügige, einmalige Verstöße gegen das Selbstlosigkeitsgebot führen in der Praxis im Regelfall nicht gleich zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit, die Grenzen sind jedoch fließend. Das Haftungsrisiko des Geschäftsführers kann minimiert werden, indem – wie zum Beispiel im Urteilsfall beim Tätigen von Spenden – die Zustimmung des Vorstands eingeholt wird. Die Schäden aus dem Entzug der Gemeinnützigkeit können immens sein. Sie umfassen insbesondere die finanziellen Nachteile aus dem Wegfall der Zweckbetriebsbegünstigung und die dadurch auflebende Besteuerung mit Körper- und Gewerbesteuer. Weiterhin können sich finanzielle Nachteile aus dem Wegfall der Besteuerung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz ergeben.

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Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Münster

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