Umsetzung des ESRS S1 – Soziale und Arbeitnehmerangelegenheiten

Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Reporting Directive – CSRD) trat am 5. Januar 2023 in Kraft und die europäischen Berichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards – ESRS) wurden am 31. Juli 2023 von der EU veröffentlicht. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgt vor allem durch Anpassungen im HGB, speziell §§ 289b und 289c, sowie durch Einführung einer Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichte. Dies betrifft rund 13.000 Unternehmen in Deutschland, die nun verpflichtet sind, ab 2025 umfassende Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen.

In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen sowohl die sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit als auch die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Arbeitnehmer berücksichtigen. Für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ist es hierbei besonders wichtig, die Relevanz der sozialen Standards sowie der unternehmensspezifischen Maßnahmen im Rahmen des ESRS S1 deutlich zu machen. Welche Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO – Impacts, Risks and Opportunities) hierbei für Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft besonders relevant sind, lesen Sie in diesem Artikel.


IRO - Grundlage für die Soziale Berichterstattung

Die IRO bilden die Grundlage für die Bewertung und das Management der sozialen Auswirkungen eines Unternehmens sowie der damit verbundenen Risiken und Chancen. Sie umfassen sowohl die negativen als auch die positiven Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Arbeitnehmer und Gesellschaft, potenzielle Risiken durch soziale Missstände und regulatorische Änderungen sowie Chancen durch faire Arbeitspraktiken und soziale Innovationen. Im Rahmen der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse und der Berichterstattung müssen die IRO zwingend ermittelt und dargestellt werden.
 

Branchenrelevante IRO im Bereich soziale Standards

Im Hinblick auf den ESRS S1 werden die Hauptthemen soziale Standards und Arbeitnehmerrechte näher betrachtet. Die Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen und sozialer Standards ist für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen entscheidend. Sie hilft, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und trägt wesentlich zur sozialen Gerechtigkeit bei, was langfristig die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung verbessern kann. Die negativen und positiven Auswirkungen (Impacts) lassen sich beispielhaft wie folgt skizzieren:
 

Negative Auswirkungen:

  • Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz: Unzureichende Arbeitsbedingungen und mangelhafter Gesundheitsschutz können zu hohen Krankheitsraten und Fluktuation führen. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen können unzureichende Schutzmaßnahmen zu erhöhten Gesundheitsrisiken für das Personal (und die Patienten) führen.
  • Geringe Vergütung: Niedrige Löhne können zu finanzieller Unsicherheit und geringer Mitarbeiterzufriedenheit führen, was insbesondere in Pflegeberufen häufig zu beobachten ist.
     

Positive Auswirkungen:

  • Faire Vergütung: Angemessene Löhne und Gehälter können die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter erhöhen. Eine faire Vergütung kann dazu beitragen, Fachkräfte im Pflegebereich zu halten.
  • Mitarbeiterbeteiligung: Maßnahmen zur Mitarbeiterbeteiligung und -mitbestimmung stärken das Engagement und die Loyalität der Belegschaft. Insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kann die Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse zu besseren Arbeitsbedingungen (und Prozeßabläufen) führen.

Die Risiken und Chancen können u.a. aus folgenden Punkten resultieren:
 

Risiken (Risks):

  • Regulatorische Risiken: Strengere arbeitsrechtliche Vorschriften können zu erhöhten Compliance-Kosten führen.
  • Reputationsrisiken: Negative Berichterstattung über Arbeitsbedingungen kann den Ruf des Unternehmens schädigen und zu Kunden- und Mitarbeiterverlusten bzw. finanziellen Einbußen führen.
     

Chancen (Opportunities):

  • Mitarbeiterzufriedenheit: Investitionen in gute Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen können die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter steigern.
  • Innovationen in der Personalentwicklung: Programme zur Weiterbildung und beruflichen Entwicklung können das Unternehmen attraktiver für qualifizierte Fachkräfte machen.

Praxishinweise: In der aktuellen Praxis werden im Zusammenhang mit dem ESRS S1 u.a. folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Gesundheits- und Sicherheitsprogramme: Implementierung von Programmen zur Förderung der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. In Pflegeeinrichtungen sind spezielle Schutzmaßnahmen zur Prävention von Infektionskrankheiten unerlässlich.
  • Vergütungsstrategien: Entwicklung fairer und transparenter Vergütungsstrategien, die die Lebenshaltungskosten berücksichtigen. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sollten besondere Anreize für Pflegepersonal bieten.
  • Weiterbildungsmaßnahmen: Angebote zur beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter. Fortbildungsprogramme für medizinisches und pflegerisches Personal sind entscheidend.
  • Sozialleistungen: Einführung umfassender Sozialleistungen wie Kinderbetreuung, Gesundheitsvorsorge und Altersvorsorge. Diese Leistungen sind besonders attraktiv für Mitarbeiter in Pflegeberufen, die häufig Schichtarbeit leisten müssen.
     

Branchenrelevante IRO im Bereich Arbeitnehmerrechte

Die Wahrung der Arbeitnehmerrechte ist essenziell, um ein gerechtes und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen und die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen sicherzustellen. Die negativen und positiven Auswirkungen (Impacts) lassen sich beispielhaft wie folgt skizzieren:
 

Negative Auswirkungen:

  • Arbeitsplatzunsicherheit: Unsichere Arbeitsverhältnisse können zu Stress und geringer Produktivität führen. Dies ist in der Gesundheits- und Pflegebranche besonders problematisch, da es direkt die Pflegequalität beeinflusst.
  • Diskriminierung: Diskriminierung am Arbeitsplatz kann zu Konflikten und einem schlechten Betriebsklima führen. Diversität und Inklusion sind in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wichtig, um ein harmonisches Arbeitsumfeld zu schaffen.
     

Positive Auswirkungen:

  • Inklusion und Diversität: Förderung von Diversität und Inklusion kann zu einem kreativeren und innovativeren Arbeitsumfeld beitragen.
  • Gerechte Arbeitsbedingungen: Gerechte und sichere Arbeitsbedingungen fördern das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mitarbeiter.

Die Risiken und Chancen können u.a. aus folgenden Punkten resultieren:
 

Risiken (Risks):

  • Rechtsstreitigkeiten: Verstöße gegen Arbeitsrechte können zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten und Strafen führen.
  • Mitarbeiterfluktuation: Schlechte Arbeitsbedingungen können zu hoher Fluktuation und Verlust von Fachkräften (hohe interne Prozesskosten für die Neubesetzung) führen.
     

Chancen (Opportunities):

  • Employer Branding: Ein positives Image als attraktiver Arbeitgeber kann talentierte Mitarbeiter anziehen und binden.
  • Zusammenarbeit und Teamgeist: Gute Arbeitsbedingungen und soziale Leistungen fördern den Teamgeist und die Zusammenarbeit.

Praxishinweis: In der aktuellen Praxis werden im Zusammenhang mit dem ESRS S1 u.a. folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Diversity-Programme: Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz durch spezielle Programme und Schulungen. Diese Programme sind besonders in multikulturellen Teams in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wertvoll.
  • Arbeitsplatzsicherheit: Maßnahmen zur Sicherstellung sicherer und stabiler Arbeitsverhältnisse. Sicherheit am Arbeitsplatz ist besonders in der Pflege, wo körperliche Arbeit und Infektionsrisiken bestehen, wichtig.
  • Antidiskriminierungsrichtlinien: Entwicklung und Umsetzung von Richtlinien zur Vermeidung von Diskriminierung. Klare Richtlinien tragen zu einem fairen und respektvollen Arbeitsumfeld bei.
  • Work-Life-Balance: Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Work-Life-Balance, wie flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Möglichkeiten. Flexible Arbeitszeitmodelle sind besonders in der Schichtarbeit wichtig, um die Belastung der Mitarbeiter zu reduzieren.
     

Welche Kennzahlen (KPI) müssen berichtet werden?

Um Fortschritte in diesem Bereich zu messen, sind klare Key Performance Indicators (KPIs) und zuverlässige Datenquellen (Personalmanagement, Risikomanagement) unerlässlich. Insbesondere die folgenden KPI (Beispiele) werden zukünftig diskutiert:
 

Mitarbeiterzufriedenheit

  • Beschreibung: Die Mitarbeiterzufriedenheit wird durch regelmäßige Umfragen und Befragungen gemessen. Diese Umfragen erfassen das allgemeine Wohlbefinden, die Arbeitsbedingungen, die Zufriedenheit mit der Vergütung und die Anerkennung im Unternehmen.
  • Messmethoden: Durchführung von jährlichen oder halbjährlichen Mitarbeiterumfragen, Analyse von Feedback in Mitarbeitergesprächen.
  • Zielwerte: Ein hoher Zufriedenheitsindex (z.B. über 80% positive Rückmeldungen).
     

Fluktuationsrate

  • Beschreibung: Die Fluktuationsrate misst den Prozentsatz der Mitarbeiter, die das Unternehmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlassen.
  • Messmethoden: Anzahl der Austritte im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter in einem Jahr, Differenzierung nach freiwilligen und unfreiwilligen Austritten.
  • Zielwerte: Reduzierung der Fluktuationsrate unter einen bestimmten Prozentsatz (z.B. unter 10% pro Jahr).
     

Weiterbildungsmaßnahmen

  • Beschreibung: Anzahl und Art der durchgeführten Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter.
  • Messmethoden: Anzahl der durchgeführten Schulungen und Trainings, Teilnahmequote der Mitarbeiter an Weiterbildungsmaßnahmen.
  • Zielwerte: Hohe Teilnahmequote (z.B. mindestens 75% der Mitarbeiter nehmen an mindestens einer Weiterbildung pro Jahr teil).
     

Diversität

  • Beschreibung: Der Anteil der Mitarbeiter aus verschiedenen demografischen Gruppen, wie Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft und andere relevante Kriterien.
  • Messmethoden: Demografische Analyse der Belegschaft.
  • Zielwerte: Erhöhung des Anteils unterrepräsentierter Gruppen (z.B. 50% Frauen in Führungspositionen).
     

Vergütungsniveau

  • Beschreibung: Durchschnittliche Vergütung der Mitarbeiter im Vergleich zum Branchendurchschnitt, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter fair bezahlt werden.
  • Messmethoden: Vergleich der internen Gehaltsdaten mit Branchenbenchmarks, regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vergütungsstruktur.
  • Zielwerte: Sicherstellung, dass die Vergütung mindestens dem Branchendurchschnitt entspricht oder darüber liegt.

Prüfen Sie rechtzeitig, wie die Sozial- und Arbeitnehmeraspekte nach den neuen Vorgaben für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen umzusetzen sind und welche spezifischen Maßnahmen und Kennzahlen für Ihre Einrichtung relevant sind.

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