Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz - der erste (richtige) Entwurf liegt pünktlich zum DRG-Forum vor!

Der Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat den lange erwarteten Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (KHVVG) rechtzeitig vor der Abstimmung über das Krankenhaustransparenzgesetz im Bundesrat vorgelegt. Es ist als „nicht zustimmungspflichtiges Gesetz“ ausgefertigt. Es darf unterstellt werden, dass insbesondere die SPD-geführten Bundesländer die Vorlage eine erste Version des KHVVG-Entwurfs vor ihrer Zustimmung zum Krankenhaustransparenzgesetz zur Bedingung gemacht haben. Folgerichtig sind daher im Vergleich zu der im September bekannten Arbeitsversion des KHVVG Zugeständnisse an die Länder enthalten.


Die wichtigsten Punkte des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) in der Übersicht:

Die Einführung einer substanziellen Vorhaltevergütung in Form eines mehrjährig festgeschriebenen Vorhaltebudgets soll ab 2027 mit einer Übergangszeit bis Anfang 2029 erfolgen. Die Zuordnung des Vorhaltebudgets erfolgt leistungsabhängig. Die Rechnungsstellung ist über eigens ab 2025 im Fallpauschalenkatalog auszuweisende Vorhaltebewertungsrelationen angedacht. Die Zuordnung des Vorhaltebudgets erfolgt standort- und leistungsgruppenbezogen.  

Die Zuordnung von Leistungsgruppen zum Standort wiederum wird an strukturelle Mindestanforderungen (Qualitätskriterien) sowie erstmals thematisierte Mindestvorhaltezahlen geknüpft. Letztere sollen vom IQWiG und dem InEK vorgeschlagen und per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft gesetzt bzw. jährlich aktualisiert werden. Neben Aspekten der Wirtschaftlichkeit soll bei den Mindestvorhaltezahlen auch rein mathematisch die Fallmenge unterhalb der 20. Perzentile der Leistungsgruppe je Bundesland als grenzwertige Menge in Betracht gezogen werden.


Ausweisung der Mindestvorhaltemengen

Erstmals erfolgt die Ausweisung der Mindestvorhaltemengen auf Basis des Leistungsgeschehens 2025 ab dem Jahr 2027. Standortbezogene Ausnahmen von der Mindestvorhaltezahlen sind passager durch die Länder möglich. Ausnahmen sind im Sinne der flächendeckenden Versorgung insbesondere dann möglich, wenn durch Wegfall der Leistungsgruppe am betroffenen Standort die Versorgung nicht durch einen anderen Standort in maximal 30 km bzw. bei komplexeren Leistungsgruppen 40 km Entfernung gewährleistet ist. Ausnahmen von den Qualitätskriterien sind ebenfalls möglich, wenn diese im Katalog der Leistungsgruppen nicht explizit ausgeschlossen werden. Auch hier ist eine Regelung per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorgesehen.

Ohne Gewährung einer Ausnahmeregelung für einen Standort entfällt bei Unterschreitung der Mindestvorhaltemenge oder Nicht-Einhaltung der Qualitätskriterien, sowohl der Anspruch auf Abrechnung der Vorhaltebewertungsrelationen als auch der DRG-Entgelte.

Die vorgesehene Leistungsgruppensystematik ist wie erwartet die der Krankenhausplanung NRW. Abweichungen und Konkretisierungen der Qualitätskriterien sind ausdrücklich vorgesehen. Die Methodik der gegenseitigen Anrechenbarkeit verschiedener vorzuhaltender Fachärzte beispielsweise bei mehreren artverwandten Leistungsgruppen wird im Entwurf skizziert. Ergänzend werden im Entwurf fünf weitere Leistungsgruppen (Infektiologie, Notfallmedizin, Spezielle Traumatologie, Spezielle Kinder- und Jugendmedizin und Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie) inklusive Qualitätsvorgaben beschrieben. Wie auch bei den anderen Leistungsgruppen so ist auch hier die exakte Definition und vor allem die Rangfolge innerhalb der Leistungsgruppen offen und wird Bestandteil der bereits erwähnten Rechtsverordnung sein.
 

Definition und Rangfolge der Leistungsgruppen

Definition und Rangfolge der Leistungsgruppen werden dabei entscheidende Variablen für das jeweilige standortbezogene Fallaufkommen und das abgeleitete Vorhaltebudget sein. Von besonderem Interesse wird dabei die Leistungsgruppe Notfallmedizin sein. Die Qualitätsvorgaben dieser Leistungsgruppe sehen u.a. die Notfallstufe I sowie fünf der Notfallmedizin zugeordnete Fachärzte vor, die mindestens zu 80 % dort auch tätig sein müssen. Da die Behandlung und Vergütung von Notfallpatienten grundsätzlich möglich bleiben soll, ist hier “nur” die zugeordnete Vorhaltevergütung bei Nicht-Zuordnung der Leistungsgruppe gefährdet.

Im Gegensatz zu den anderen Leistungsgruppen soll die Vergütung nicht über Vorhalterelativgewichte, sondern über pauschale mengenabhängige Zuschläge für die Notfallversorgung im Rahmen der Notfallstufenvergütungsvereinbarung erfolgen. Neben der speziellen Förderung Notfallversorgung sind Förderungen im Bereich der Pädiatrie, Geburtshilfe, Schlaganfallbehandlung, speziellen Traumatologie und Intensivmedizin geplant. Daneben soll es spezielle Rechnungszuschläge für Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben von Universitätskliniken oder anderen von der zuständigen Landesbehörde beauftragten die Versorgung koordinierenden Krankenhäusern geben.

Eine Sonderstellung kommt der onkologischen Versorgung zu. Neben Qualitätskriterien und den Mindestvorhaltemengen im Bereich bereits definierter onkologischer Leistungsgruppen – beispielsweise „Ovarial-CA“ - sollen Standorte grundsätzlich von der onkologischen Versorgung in einem Indikationsgebiet beispielsweise „Gynäkologische Onkologie“ ausgeschlossen werden, wenn ihre Fallzahl unterhalb der 15. Perzentile im entsprechenden Bundesland liegt.

Mit der mehrjährigen nur im Rahmen definierter Ausnahmetatbestände veränderlichen Zuordnung des Vorhaltebudgets wirkt dieses einer Fallzahlsteigerung, die nun nur noch mit den geminderten fallvariablen DRG-Erlösen refinanziert wird, entgegen. Der Fixkostendegressionsabschlag kann somit entfallen und wird letztmalig 2026 erhoben. Die Regelungen zum Mehrerlösausgleich bleiben unverändert bestehen. Der Mindererlösausgleich soll pauschal bei 20 % liegen. Da die Budgetverhandlungen ab 2024 wieder im Vorhinein zu führen sind, gewinnt dies zukünftig wieder an Bedeutung.

Eine weitere wesentliche, wenn auch erwartete Neuerung ist die Berücksichtigung des vollen Orientierungswertes ab 2025 und rückwirkend für 2024, so dass Tariferhöhungen für Löhne und Gehälter von Krankenhausbeschäftigten erstmals beim Landesbasisfallwert für das Jahr 2024 unterjährig und vollständig zu berücksichtigen sind. Es ist jedoch zu erwarten, dass eine Anpassung des Landesbasisfallwertes für 2024 rückwirkend erst in 2025, nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der Liquidität der Krankenhäuser einhergeht. Alles andere würde die Verhandlungsmacht des Bundes schmälern.
 

Transformationsfond in Höhe von bis zu 50 Mrd. EUR für den Strukturwandel wird geschaffen

Als Anreiz für die Bundesländer wird ein von 2026 bis 2035 laufender Transformationsfond in Höhe von bis zu 50 Mrd. EUR für den Strukturwandel geschaffen, der jeweils hälftig von den Versicherten und den Ländern zu finanzieren ist. Mittel des Bundeshaushalts sind nicht vorgesehen. Offen ist ebenfalls die Verteilung der der Mittel. Die Anwendung des Königsteiner Schlüssels, der beim Strukturfond zum Ansatz kam, bleibt abzuwarten.

Obwohl der Gesetzestext als nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz ausgefertigt wurde, bezieht er sich an zahlreichen Stellen auf Rechtsverordnungen, die jährlich mit Zustimmung des Bundesrates erlassen bzw. aktualisiert werden sollen. Es ist davon auszugehen, dass Gesetz und Rechtsverordnungen initial gemeinsam als Paket verabschiedet werden und letztere eine nachlaufende Wirkung entfalten. Es bleibt mit dem Entwurf die spannende Frage, welche Elemente der Reform auch ohne die zustimmungspflichtigen Rechtsverordnungen umgesetzt werden können.

Die Reaktion auf diesen ersten Entwurf sind erwartbar gemischt. Während die Universitätskliniken positiv auf die ihm zugedachte Rolle reagieren, kritisiert insbesondere die Deutsche Krankenhausgesellschaft, dass der „kalte“ Strukturwandel ohne sofortige Anpassung des Landesbasisfallwertes 2024 nicht gestoppt wird. Insbesondere die kleineren Krankenhäuser in der Fläche würden wohl nicht mehr von einer Wirkung profitieren können.

Zudem sehen sich nicht wenige Krankenhäuser mit einem Status knapp unter Maximalversorger nicht unerheblichen Finanzierungsproblemen ausgesetzt. Seitens der Kostenträger wird begrüßt, dass nunmehr substanzielle Reformen in Angriff genommen werden. Kritisiert wird jedoch, dass die Mittel des Transformationsfonds von den Versicherten aufgebracht werden sollen, und dass insbesondere die substanziell wichtige Tateinheit des Gesetzes - nämlich die Zuweisung von Leistungsgruppen - auf das Jahr 2025 ff. verlagert wird.

Wir meinen, dass es für eine abschließende Bewertung noch zu früh ist. Es ist zu erwarten, dass sich die Regelungen in dem jetzt vorgelegten Entwurf noch - wahrscheinlich erheblich - ändern werden. Auch wenn die Leistungsgruppen erst später in einer Rechtsverordnung konkretisiert werden sollen, verweist der jetzt vorliegende Entwurf bereits auf die in Nordrhein-Westfalen erarbeiteten Leistungsgruppen, welche nunmehr auch für die weiteren Krankenhäuser im Bundesgebiet als Orientierung dienen können. Eine frühzeitige und tiefgehende Befassung mit dem eigenen Portfolio in der angedachten Leistungsgruppensystematik sowie dem Portfolio der Wettbewerber kann daher bereits jetzt vorgenommen werden und ist insoweit auch anzuraten.

Gerne stehen wir Ihnen in diesem Kontext beratend zur Verfügung und werden darüber hinaus weiter berichten.

Autor
Autor
Autor
Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß