Corona-Soforthilfen dienen nicht der Begleichung von Steuerschulden
Pfändung in Zeiten der Coronavirus-Pandemie
Aufgrund der COVID-19-Pandemie haben sich Bund und Länder zur Gewährung von verschiedenen finanziellen Soforthilfen entschlossen. Mit den als Billigkeitsleistungen gewährten „verlorenen“ (da nicht rückzahlungspflichtigen) Zuschüssen sollen ausschließlich finanzielle Engpässe überwunden werden, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen.
Das Finanzgericht Münster (Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 V 1286/20 AO; einstweilige Anordnung) hatte jüngst zu klären, ob eine vom Finanzamt veranlasste Pfändung und Einziehung wegen (Umsatz-)Steuerschulden in das Konto eines solchen Förderungsempfängers (hier: Reparaturbetrieb eines Einzelgewerbetreibenden) einstweilen ausgesetzt werden muss. Das Finanzgericht entschied, dass die Kontopfändung und -einziehung bis zum Ende des Förderungszeitraumes von drei Monaten zu unterbleiben hat. Damit soll sichergestellt werden, dass dem Antragsteller eine auf das als Pfändungsschutzkonto geführte Konto überwiesene Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 € ausgezahlt und die Zahlung dem Förderungszweck entsprechend verwendet werden kann.
Hintergrund der finanzgerichtlichen Entscheidung ist, dass die Zweckerreichung der Förderung gefährdet wird, solange die direkte Pfändung und Einziehung durch das Finanzamt drohen. Wegen der drohenden Pfändung weigerte sich die Hausbank des Förderungsempfängers, die mittlerweile gewährte und erhaltene Förderung an den Förderungsempfänger auszuzahlen. Die Soforthilfe dient jedoch dem Ausgleich der durch die COVID-19-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Engpässe, die nach dem Stichtag (hier der 1. März 2020) entstanden sind. So sollen laufende Betriebskosten des Antragstellers (Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten; nicht jedoch Löhne und Gehälter), denen keine oder nur geringere Einnahmen gegenüberstehen mit dem Zuschuss gezahlt werden. Eine Begleichung von „alten“ Steuerschulden ist hierbei zweckwidrig und daher nicht bezuschussungsfähig. „Zweckgebundene Forderungen sind grundsätzlich nicht übertragbar und damit unpfändbar, soweit durch die Abtretung oder Pfändung der Forderung deren Zweckbindung beeinträchtigt wird“, so das Gericht.
Eine Pfändung durch das Finanzamt ist nach Auffassung des Finanzgerichts zum aktuellen Zeitpunkt unbillig. Auch eine vom Finanzamt im Vorfeld des Gerichtsverfahrens erteilte rangwahrende Beschränkung der Vollstreckung im Sinne einer Freigabe des Kontos in Höhe der ausgezahlten Corona-Soforthilfe komme bei der Vollstreckung von Geldforderungen nicht in Betracht. Auch liege kein sogenannter „Anlassgläubiger“ vor, der vom Förderungszweck begünstigt würde und zu dessen Gunsten eine Ausnahme vom Verbot der Pfändung und Einziehung bestünde.
Der Förderungszeitraum der Soforthilfe beträgt regelmäßig – wie auch in diesem Fall – drei Monate. Deshalb wurde die gerichtliche Frist, bis zu der eine Pfändung zu unterbleiben hat, auf drei Monate ab Antragstellung für den Zuschuss bestimmt.
Hinzuweisen ist noch auf eine Entscheidung des Landgerichts Köln (Beschluss vom 23. April 2020 – 39 T 57/20). Hier gingen die Richter ebenfalls zugunsten des Empfängers der Soforthilfe und Vollstreckungsschuldners von der Unpfändbarkeit der zweckgebundenen Soforthilfe aus. Hier führt das Gericht aus: „Dem Schuldner ist aber zur Vermeidung einer unangemessenen Härte i.S. von § ZPO § 765a ZPO die Corona-Soforthilfe in voller Höhe (9.000,00 EUR) zu belassen und von der Pfändung auszunehmen“.
Fazit Pfändung Corona-Soforthilfen
Die Corona-Soforthilfen dienen nicht der Begleichung von Steuer- oder Altschulden, sondern sind als zweckgebundener Billigkeitszuschuss für durch die COVID-19-Pandemie bedingte finanzielle Engpässe zu verwenden. Insoweit sind die gewährten Soforthilfen zumindest zeitweise vor einer Pfändung und Einziehung geschützt. In den verschiedenen Förderbestimmungen fehlt ein einheitlicher Stichtag der festlegt, ab wann eine Forderung „alt“ ist. Wie so oft kommt es daher bei der rechtlichen Bewertung auf den konkreten Einzelfall an.