§ 66 AO – Zur aktuellen Sichtweise der Finanzverwaltung

Gemäß § 66 AO liegt ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege vor, wenn die betreffende Einrichtung im besonderen Maße, d. h. zu mindestens 2/3 der erbrachten Leistungen, hilfsbedürftigen Personen im Sinne des § 53 AO dient (§ 66 Abs. 1 und 3 AO). Das für das Vorliegen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs weitere notwendige Kriterium der Ausübung einer Tätigkeit zum Wohle der Allgemeinhei

Gemäß § 66 AO liegt ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege vor, wenn die betreffende Einrichtung im besonderen Maße, d. h. zu mindestens 2/3 der erbrachten Leistungen, hilfsbedürftigen Personen im Sinne des § 53 AO dient (§ 66 Abs. 1 und 3 AO). Das für das Vorliegen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs weitere notwendige Kriterium der Ausübung einer Tätigkeit zum Wohle der Allgemeinheit und „nicht des Erwerbes wegen“ bedarf der Auslegung und Konkretisierung. Zuletzt hat sich der BFH in seinem „Rettungsdiensturteil“ vom 27. November 2013 –I R 17/12 – mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein Handeln „des Erwerbs wegen“ anzunehmen ist. In Abkehr von früheren Entscheidungen stellt der BFH in diesem Urteil klar, dass nicht schon die bloße objektive Eignung eines Wohlfahrtsbetriebs zur Gewinnerzielung ein die Zweckbetriebseigenschaft nach § 66 AO ausschließendes Handeln „des Erwerbs wegen“ indiziert.

Nach dieser aktuellen Auffassung des BFH liegt eine den Zweckbetrieb nach § 66 AO ausschließende Erwerbsorientierung dann vor, wenn mit diesem Betrieb Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb übersteigen. Gewinne in einem gewissen Umfang, beispielsweise zum Inflationsausgleich oder zur Finanzierung von betrieblichen Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, sind nach Auffassung des BFH zulässig.

Wegen der erheblichen Kritik an den hierzu ergangenen Regelungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung aus dem Jahr 2016 kam es zu einer intensiven Diskussion der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege mit politischen Vertretern und Vertretern der Finanzverwaltung. Dieser Austausch mündete in eine Änderung der Nr. 2 des Anwendungserlasses zu § 66 der Abgabenordnung (AEAO) mit BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2017. In dieser aktuellen Fassung der Regelung des AEAO konkretisiert die Finanzverwaltung ihre Auffassung zu (un)zulässigen Gewinnen und erweitert den Handlungsspielraum für die Wohlfahrtspflege. Ausgangspunkt der Neuregelung bleibt die Formulierung des BFH aus dem oben genannten „Rettungsdiensturteil“. Abstrakt sind somit in Zweckbetrieben nach § 66 AO auch weiterhin lediglich Gewinne in gewissem Umfang, „z. B. zum Inflationsausgleich oder zur Finanzierung von betrieblichen Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ zulässig. Die Finanzverwaltung entschärft das Gewinnverbot aber insoweit, als Überschüsse nur dann schädlich sind, wenn in drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen jeweils Gewinne erwirtschaftet werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf überschreiten. Dies soll verhindern, dass sich unbeabsichtigte Gewinne aufgrund von Marktschwankungen unmittelbar zweckbetriebsschädlich auswirken.

Ferner soll sich der Finanzierungsbedarf, der zulässigerweise durch Gewinne gedeckt werden darf, nun nicht mehr allein auf die Zweckbetriebe nach § 66 AO beziehen. Hierfür führt die Finanzverwaltung den Begriff der „wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre“ ein. Lediglich dann, wenn die Gewinne aus den Zweckbetrieben nach § 66 AO den Finanzierungsbedarf dieser wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre übersteigen, soll dies auf eine zweckbetriebsschädliche Absicht der steuerbegünstigten Körperschaft hindeuten, des Erwerbs wegen zu handeln.

Die wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre umfasst nach Auffassung der Finanzverwaltung die folgenden Bereiche:

  •  Wohlfahrtseinrichtungen im Sinne des § 66 AO,
  •  Zweckbetriebe im Sinne des § 68 AO, soweit diese auch die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen,
  •  Zweckbetriebe im Sinne des § 67 AO (Krankenhäuser),
  • ideelle Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen des § 66 AO vorlägen, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist damit grundsätzlich eine Verrechnung von Gewinnen aus Zweckbetrieben nach § 66 AO mit etwaigen Verlusten aus den anderen genannten Einrichtungen oder Tätigkeiten möglich. Mit der aktuellen Änderung des AEAO hat die Finanzverwaltung auch klargestellt, dass Gewinne aufgrund staatlich regu-lierter Preise, z. B. auf Grundlage einer Gebührenordnung nach Maßgabe des § 90 SGB XI (Gebührenordnung für ambulante Pflegeleistungen), nicht schädlich sein sollen. Ferner konkretisiert die Finanzverwaltung auch die erlaubte Gewinnhöhe dahingehend, dass der Finanzierungsbedarf für die wohlfahrtspflegerische Gesamtsphäre auch die zulässige Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO beinhaltet. Somit darf ein Gewinn auch die zulässige Dotation der sogenannte Betriebsmittelrücklage und der Wiederbeschaffungsrücklage abdecken. Schließlich gibt es noch eine Nichtbeanstandungsregel, wonach eine Quersubventionierung übriger Zweckbetriebe sowie ideeller Tätigkeiten aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege in Einzelfällen bis einschließlich zum Veranlagungszeitraum 2016 akzeptiert wird.

Praxis-Hinweis
Im Ergebnis verbleiben bei den steuerbegünstigten Körperschaften eine Reihe von Restriktionen und Unsicherheiten. Zunächst ist es weiterhin notwendig, die Ergebnisse der einzelnen Zweckbetriebe trennscharf zu ermitteln. Sodann muss der Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre ermittelt werden. Hinsichtlich der Definition dieser Größe gibt es zwar Anhaltspunkte wie die Berücksichtigung geplanter künftiger Investitionen sowie die anteilig für diesen Bereich angefallenen oder zu erwartenden Aufwendungen im Rahmen der zulässigen Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO. Letztendlich handelt es sich aber insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in Betriebsprüfungen streitanfällig werden dürfte. In der Anlage Gem der Körperschaftsteuererklärungen ab 2017 für Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, ist der Finanzierungsbedarf für einen Dreijahreszeitraum konkret zu ermitteln und zu deklarieren. Es wird abzuwarten bleiben, wie die Finanzverwaltung in der Praxis mit den konkreten Angaben umgehen wird.

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