Aktuelle Entwicklungen bei der Fusionskontrolle im Krankenhausbereich
Die Fusionskontrollpraxis des Bundeskartellamts im Krankenhausbereich ist seit langem starker Kritik ausgesetzt. Anlässlich einer Vielzahl wegen wettbewerblicher Bedenken der Kartellbehörde nicht realisierbarer Zusammenschlussvorhaben wurden gerade in der jüngeren Vergangenheit Stimmen zunehmend lauter, die eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch Einführung einer Bereichsausnahme fordern. Allerdings sah der im Januar dieses Jahres vorgelegte Referentenentwurf für die 10. GWB-Novelle (GWB-Digitalisierungsgesetz) dazu nichts vor (siehe Solidaris Information 2/2020).
Im Hintergrund wurden die intensiven Diskussionen mit dem für das Wettbewerbsrecht zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gleichwohl fortgeführt. Im Sommer äußerte sich zudem auch die Monopolkommission in ihrem XXIII. Hauptgutachten ausführlich zur möglichen Einführung einer Bereichsausnahme. Auf der Grundlage des am 9. September 2020 veröffentlichten Regierungsentwurfs zeichnet sich nun doch eine – wenn auch sehr restriktive und zeitlich limitierte – gesetzliche Änderung ab, durch die dem politischen Willen zur Unterstützung von krankenhausplanerisch gewollten Strukturvorhaben Rechnung getragen werden soll. Wir fassen für Sie die wesentlichen Eckpunkte des Gutachtens der Monopolkommission sowie die geplanten Änderungen zur Fusionskontrolle bei Krankenhäusern auf Basis des Regierungsentwurfs zur 10. GWB-Novelle zusammen.
XXIII. Hauptgutachten der Monopolkommission
Die Monopolkommission stellte in ihrem am 29. Juli 2020 veröffentlichten XXIII. Hauptgutachten fest, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich zwar insgesamt hohe Bettenkapazitäten gibt, diese sich aber auf relativ viele kleine Allgemeinkrankenhäuser mit geringen Fallzahlen verteilen. Krankenhäuser mit geringen Fallzahlen verfügten tendenziell über weniger medizinische Routine und eine schlechtere personelle sowie medizinisch-technische Ausstattung. Insgesamt deute eine Reihe von Indizien darauf hin, dass Krankenhausfusionen (ggf. auch Krankenhauskooperationen) zumindest in Einzelfällen qualitätssteigernde Effekte haben können.
Wie schon in vorangegangenen Gutachten sieht die Monopolkommission unter anderem die vom Bundeskartellamt praktizierte räumliche Marktabgrenzung auf Basis von vergangenheitsbezogenen Daten kritisch, da sie eine zu kleinteilige Marktabgrenzung (und damit eine Überschätzung der Marktanteile) zur Folge haben kann.
Die von vielen Seiten geforderte Einführung einer Bereichsausnahme, welche vorsieht, Zusammenschlüsse zwischen Krankenhäuser generell von der Fusionskontrolle auszunehmen, sieht die Monopolkommission jedoch nicht als erforderlich an, zumal nach ihrer Auffassung der qualitätssichernde Wettbewerbsschutz hierdurch sogar gefährdet werden könne. Vielmehr sollten verschiedene, auf die Versorgungsqualität wirkende Effekte von Zusammenschlüssen im Krankenhaussektor stärker in den Blick genommen werden. Insbesondere wird gefordert, zusammenschlussbedingte Qualitätsvorteile im Rahmen einer Gesamtabwägung der Zusammenschlusswirkungen besser zu berücksichtigen.
Empfohlen wird daher die Aufnahme einer Effizienzabwägungsklausel in das GWB, auf deren Grundlage zwischen wettbewerblich induzierten Qualitätsveränderungen und aus Synergieeffekten resultierenden Qualitätsvorteilen abgewogen werden soll. Vorgeschlagen wird, den Untersagungstatbestand gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB in Satz 2 um eine weitere, als neue Nr. 4 aufzunehmende Ausnahmeregelung zu ergänzen, nach der eine Untersagung nicht erfolgen soll, wenn die beteiligten Unternehmen bei einem Zusammenschluss von Krankenhäusern nachweisen, dass von dem Zusammenschluss ausgehende Qualitätsvorteile und positive Auswirkungen auf Versorgungssicherungsziele der zuständigen Landesbehörden die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen. Zur Beweiswürdigung von durch die Krankenhäuser vorgetragenen Effizienzen könne sich das Bundeskartellamt auch eines Sachverständigengutachtens gem. § 57 Abs. 2 GWB i. V. m. § 411 ZPO bedienen.
Änderungen durch die 10. GWB-Novelle (GWB-Digitalisierungsgesetz)
Der am 9. September 2020 veröffentlichte Regierungsentwurf sieht eine andere, zunächst zeitlich limitierte Regelung vor, durch die einerseits dem politischen Willen zur Unterstützung bestimmter Strukturvorhaben Rechnung getragen, andererseits aber im Grundsatz an der Beibehaltung der Fusionskontrolle in der bisherigen Form festgehalten werden soll.
Vorgesehen ist eine neue Ausnahmeregelung in § 186 Abs. 9 GWB-E, deren Anwendung auf Zusammenschlussvorhaben begrenzt ist, welche aus Mitteln des Krankenhausstrukturfonds im Interesse einer hohen Versorgungsqualität gefördert werden. Eine weiter gehende Ausnahme von der Fusionskontrolle wird mit der Begründung abgelehnt, dass andernfalls insbesondere Finanzinvestoren ein uneingeschränkter Zugriff auf die deutsche Krankenhauslandschaft eröffnet würde.
Für die Freistellung von der Fusionskontrolle ist nach Satz 1 Nummer 2 zunächst erforderlich, dass die Voraussetzungen für eine Förderung aus Mitteln des nach § 12a Abs. 1 Satz 4 KHG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 KHSFV fortgeführten Strukturfonds vorliegen und dass dies im Rahmen des Auszahlungsbescheides festgestellt worden ist. Ausreichend ist insofern auch ein Bescheid über eine Teilförderung des Vorhabens. Darüber hinaus muss der Zusammenschluss bis zum 31. Dezember 2025 vollzogen werden. Die Befristung entspricht der in § 12a KHG vorgesehenen Laufzeit des Strukturfonds zuzüglich einer angemessenen Zeit zur Umsetzung der bewilligten Vorhaben.
Die geplante Ausnahmeregelung soll durch eine Evaluation des Bundeskartellamts begleitet werden, die sich auf die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung und die hierdurch bewirkten Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse bezieht. Gleichzeitig beabsichtigt die Bundesregierung, die empirische Basis im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen konzentrierten Märkten im Krankenhausbereich und einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlich effizienten Versorgung durch eine Studie zu stärken, mit der in erster Linie der Zusammenhang von Marktkonzentration und Versorgungsqualität im deutschen Krankenhaussektor untersucht werden soll.
Auf Basis der Evaluierung und der Studie soll dann ergebnisoffen geprüft werden, ob und wie diese Ausnahmeregelung für Zusammenschlussvorhaben im Krankenhausbereich fortgeführt wird.
Fusionskontrolle im Krankenhaus Praxis-Hinweis
Die von Seiten vieler Krankenhausträger befürwortete vollständige Bereichsausnahme für den Krankenhaussektor ist derzeit auf Basis der jüngsten Vorschläge zur Weiterentwicklung des GWB nicht in Sicht. Die von der Monopolkommission empfohlene Regelung wäre trotz der damit im Einzelfall unter Umständen verbundenen Nachweisproblematik zu begrüßen, da sie sowohl wettbewerblichen als auch gesundheitspolitischen Aspekten im Rahmen einer Gesamtabwägung Rechnung trägt.
Die im Regierungsentwurf zur 10. GWB-Novelle geplante Ausnahmeregelung für Zusammenschlüsse, die nachweislich – durch Vorlage eines verbindlichen Auszahlungsbescheides – mit Mitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds gefördert werden, dürfte nur für eine begrenzte Zahl geplanter Vorhaben eine kalkulierbare Erleichterung bedeuten. Es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen der weiteren Evaluierung die Überzeugung von der Notwendigkeit einer ausgewogenen gesetzgeberischen Lösung, die eine Umsetzung bedarfsgerechter, sinnvoller Strukturvorhaben ermöglicht, wächst.