BGH: Baukostenobergrenzen können mit Architekten verbindlich vereinbart werden
Die Vereinbarung von Baukostenobergrenzen in Architekten- und Ingenieurverträgen wird immer üblicher. Umstritten ist jedoch, ob eine solche Baukostenobergrenze eine wirksame Beschaffenheitsvereinbarung nach § 633 Abs. 2 Ziff. 2 BGB darstellt (insbesondere KG Berlin, Urteil vom 28. August 2018 – 21 U 24/16). Auch war bislang umstritten, ob eine solche Baukostenobergrenzenklausel in den Standard- oder Musterverträgen von Bauherren einer AGB-rechtlichen Prüfung standhält. Der BGH hat in seinem Urteil vom 11. Juli 2019 –VII ZR 266/17 – die Beschaffenheitsvereinbarung positiv geklärt. Der Haftungsmaßstab des Architekten dürfte weiterhin im Honorarrecht zu finden sein.
Der Fall: In den Standardverträgen des Bundes mit Architekten und Planern findet sich folgende Klausel: „Die Baukosten für die Baumaßnahmen dürfen den Betrag von x € brutto / y € netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200-600 nach DIN 276-1: 2008-12 […]. Der Auftragnehmer hat seine Leistungen bezogen auf die von ihm zu bearbeitenden Kostengruppen so zu erbringen, dass diese Kostenobergrenze eingehalten wird.“ In einer AGB Musterklage hiergegen wurde unter anderem das Argument vorgebracht, die Klausel sei eine unangemessene Benachteiligung der Architekten.
Die Entscheidung des BGH: Nein, die Klausel hat Bestand und stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Denn eine Vertragsklausel über eine Baukostenobergrenze, so die obersten Richter, sei einer Inhaltskontrolle mit § 307 Abs. 3 BGB entzogen, weil es sich um eine Regelung über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten des Architekten handelt. Entgegen der Klägeransicht sei die Vereinbarung einer Kostenobergrenze eine Abrede über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, ohne den ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden könne. Damit stellt der BGH auch fest, dass eine Baukostenobergrenze eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt, welche die zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele festlegt. Hierbei nimmt der BGH auch erstmals auf die neuen Regelungen zum Planervertrag nach § 650p BGB Bezug und stellt fest, dass dort die Vereinbarung der Planungs- und Überwachungsziele den Parteien vorbehalten bleibt. Damit kommt es allein auf die vertragliche Vereinbarung an, welche Hauptleistungspflichten der Architekt zu erfüllen hat. Eine schuldhafte Nichtbeachtung dieser Beschaffenheitsvereinbarung kann somit auch zu Schadensersatzansprüchen gegen den Planer führen.
BGH: Baukostenobergrenzen können mit Architekten verbindlich vereinbart werden - Fazit:
Mit seiner Entscheidung bringt der BGH endlich Klarheit sowohl über die Verwendung von Baukostenobergrenzen in Architektenverträgen als auch über deren Rechtsnatur als Beschaffenheitsvereinbarung. Auftraggebern sei daher empfohlen, bei ihrer Fortentwicklung von Standardarchitektenverträgen eine solche Baukostenklausel zu entwickeln. Allerdings sind die vom BGH entwickelnden strengen Inhaltsmaßstäbe an eine solche Klausel unbedingt zu beachten. Mit Blick auf die Haftungsmaßstäbe wird man abwarten müssen, ob der BGH eine über seine bisherige Rechtsprechung der Honorareinkürzung bzw. -beschränkung (Urteil vom 6. Oktober 2016 – VII ZR 185/13; s. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. November 2017 – 10 U 68/17) hinausgehende Haftung bei Baukostenüberschreitungen entwickeln wird.
BGH: Der Anfang vom Ende der Preisfortschreibung bei Nachträgen am Bau
Wie sind Nachträge am Bau zu vergüten? Diese Frage war, soweit sich die Parteien nicht einigen konnten, über Jahrzehnte über das Modell der so genannten vorkalkulatorischen Preisfortschreibung im Rahmen des § 2 Abs. 3, 5, 6 VOB/B scheinbar geklärt. Doch nicht erst seit dem Inkrafttreten des neuen Bauwerkvertragsrechts im BGB zum 1 Januar 2018 und den dort enthaltenen Regelungen zu Nachträgen (§ 650b, 650c BGB) wurde das Instrument der Preisfortschreibung zunehmend hinterfragt. Mit seinem Urteil vom 8. August 2019 – VII ZR 34/18 – hat der BGH nunmehr die Abkehr von diesem in der Praxis überaus wichtigen Preisfindungsmodell endgültig eingeleitet. Das Kammergericht Berlin hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 27. August 2019 – 21 U 160/18 – bereits instanzgerichtlich angewendet.
Der Fall: Ein Auftraggeber hatte unter anderem die Entsorgung von Bauschutt mit gefährlichen Stoffen mit der Menge von nur einer Tonne ausgeschrieben. Der Unternehmer hatte diese Leistung zum Einheitspreis von 462,00 EUR die Tonne angeboten. Tatsächlich wurden nicht nur eine Tonne, sondern 83,92 Tonnen Bauschutt entsorgt und abgerechnet. Der Auftraggeber wollte die horrende Nachforderung nicht akzeptieren und berief sich auf § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, nach dem bei einer Mengenüberschreitung von über 10 % ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren ist. Der Auftraggeber kürzte entsprechend den Tonnenpreis erheblich, dass vorbefasste Oberlandesgericht Celle (OLG) legte dann den Tonnenpreis auf 150,40 EUR fest, was den angebenden tatsächlichen Kosten für die Mehrmengen entsprach. Dabei stellte das OLG fest, dass der ursprüngliche Tonnenpreis von 462,00 EUR nicht sittenwidrig gewesen sei, weil er den berechtigten Einheitspreis von 150,00 EUR lediglich um das Dreifache überstieg. Der Auftragnehmer berief sich auf die vorkalkulatorische Preisfortschreibung und klagte weiterhin den restlichen Werklohn ein.
Die Entscheidung des BGH: Der Unternehmer erhält, wie vom OLG Celle ausgeurteilt, nur 150,40 EUR pro Tonne. Denn der BGH stellt nunmehr fest, dass sich schon ganz grundsätzlich aus den Regelungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B keine vorkalkulatorische Preisfortschreibung zur Ermittlung des Preises bei Mehrmengen herauslesen lasse. Vielmehr finde sich in der VOB/B keine Regelung zur Bestimmung des Nachtrags, so dass dieser im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln sei. Dabei habe man sich an den tatsächlich erforderlichen Kosten zu orientieren, einschließlich eines angemessen Zuschlags für Wagnis und Gewinn.
Damit verabschiedet sich der BGH vom Instrument der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung, wodurch das Preisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises auf Grundlage der ursprünglichen Preiskalkulation beibehalten werden soll. Die beliebte Korbion´sche-Formel „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ soll nach Ansicht des BGH also nicht mehr uneingeschränkt gelten. Der BGH greift damit, ohne dies in seiner Urteilsbegründung unmittelbar auszuführen oder zu erwähnen, das Leitbild des § 650c Abs. 1 BGB auf, wonach der Vergütungsanspruch bei 8 Anordnungen des Bestellers grundsätzlich nach den tatsächlichen Kosten und angemessenen Zuschlägen für Wagnis und Gewinn zu ermitteln ist.
BGH: Der Anfang vom Ende der Preisfortschreibung bei Nachträgen am Bau - Fazit:
Das Urteil leitet eine grundsätzliche Wende in der Rechtsprechung und in der Baupraxis ein. Auch wenn das Urteil nur zu § 2 Abs. 3 VOB/B erging, so wird allgemein angenommen, dass der BGH bei den noch ausstehenden Revisionsentscheidungen zu den Absätzen 5 und 6 ebenfalls bei seiner neuen Linie der Abkehr von der Preisfortschreibung bleiben wird. Damit werden bei Mehrmengenabweichungen sowie bei Nachtragsvergütungen wegen Anordnungen des Bestellers neue Preisfindungen am Bau stattfinden, es sei denn, die Parteien einigen sich auf einen entsprechenden Nachtragsbetrag. In der Regel dürfte der Auftraggeber insbesondere bei den sogenannten Einer-Positionen häufig nunmehr ein wirksames Preiskorrektiv in der Hand haben. Die Rechtsprechungswende erhöht auch den Reformdruck in der VOB/B, deren Regelungen insbesondere § 1, 2 VOB/B seit der Einführung des Bauvertragsrechts zum 1. Januar 2018 im Spannungsverhältnis zum neuen BGB-Bauvertragsrecht stehen.