Strategische (Neu-)Ausrichtung von Krankenhäusern: Chancen der Ambulantisierung

In der gegenwärtigen, hochdynamischen Situation auf dem deutschen Gesundheitsmarkt ist es für die Krankenhäuser strategisch wichtig, einen hohen Anteil an medizinischen Behandlungen, die bisher stationär stattgefunden haben, bereits jetzt oder in naher Zukunft ambulant zu erbringen. Dies wird für die meisten Krankenhäuser zu Veränderungen vor allem bei Umsätzen, Marktanteilen, Wettbewerbsposition und Belegung führen; Anpassungen des Portfolios und der Betriebsorganisation sind unabdingbar.


Ambulantes Operieren: Bedeutung, Chancen und Risiken

Das ambulante Operieren ist ein schon lange vorhandenes Instrument für die Ambulantisierung. Zur Förderung der Substituierung stationärer Leistungen durch ambulante medizinische Behandlungen erwies es sich jedoch als wenig erfolgreich. Als Grund wird angeführt, dass Behandlungen im Setting des ambulanten Operierens, die prinzipiell über den EBM vergütet werden, vielfach nicht auskömmlich finanziert sind. Zudem gibt es das Problem, dass für bestimmte Behandlungen, die ambulant erbracht werden könnten, keine OPS-Kodes im AOP-Katalog gelistet sind. Damit scheidet für ein Krankenhaus eine ambulante Erbringung solcher Behandlungen in Gänze aus, es sei denn, es könnte die Behandlung vertragsärztlich abrechnen, weil es zum Beispiel über eine Ermächtigung oder ein MVZ verfügt. Diejenigen Krankenhäuser, die die Behandlungen hingegen stationär durchführen, laufen Gefahr, sich mit dem Medizinischen Dienst (MD) über die stationäre Behandlungsnotwendigkeit (primäre Fehlbelegung) und damit über ihren Vergütungsanspruch auseinandersetzen zu müssen.


iGES-Gutachten: 2.500 neue AOP-Leistungen
 

Der Gesetzgeber verpflichtete die Selbstverwaltung für den Bereich des ambulanten Operierens zu einem Gutachtenvergabeverfahren. In der Folge ist das iGES-Institut beauftragt worden und hat im März 2022 ein Gutachten vorgelegt, das rund 2.500 medizinische Leistungen empfiehlt, die zusätzlich in den Katalog für ambulantes Operieren, kurz AOP-Katalog, aufgenommen werden sollten. Der AOP-Katalog würde somit zusammen mit den bisher schon enthaltenen knapp 2.900 Leistungen insgesamt ca. 5.400 Leistungen umfassen.

Auch wenn die Anzahl der Leistungen, die seitdem in den AOP-Katalog aufgenommen wurden, überschaubar ist (siehe unten), darf also als gesichert gelten: Das Potential an stationären Leistungen, die künftig in die ambulante Versorgung abwandern könnten, ist erheblich. Dabei sollten Krankenhausleiter allerdings bedenken, dass die Ambulantisierung regulatorisch nicht zwingend über das Instrument des ambulanten Operierens abgebildet wird. Im Gegenteil: Aktuell ist vielmehr die sektorengleiche Vergütung (§ 115f SGB V) das Instrument, auf das Gesetzgeber und Bundesministerium für Gesundheit setzen.


AOP-Katalog 2024
 

Gleichwohl ist es für Krankenhäuser wichtig, die aktuellen Erweiterungen des AOP-Kataloges 2024 in Bezug auf das eigene Produktportfolio, Erlöse und Strukturen zu überprüfen, Risiken und Chancen zu identifizieren und daraus mögliche oder notwendige Maßnahmen abzuleiten. Zu den Leistungen, die dem AOP-Katalog zum 1. Januar 2024 neu hinzugefügt wurden, zählen unter anderem:

  • bestimmte Punktionen an Lymphknoten, Milz und Thymus mit Steuerung durch bildgebende Verfahren,
  • bestimmte Punktionen an Harnorganen und männlichen Geschlechtsorganen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren,
  • bestimmte Punktionen an Knochen, Gelenken, Schleimbeuteln, Muskeln und Weichteilen,
  • Endosonographien (Ösophagus, Magen, Duodenum, Gallenwege, Leber, Pankreas) und
  • Gefäßinterventionen an Herz und Koronargefäßen.

Es ist ratsam, den AOP-Katalog zukünftig fortlaufend und engmaschig auf Veränderungen zu überprüfen, denn anders als früher ist nun mit stetigen Modifikationen zu rechnen. Zum einen schreibt der Gesetzgeber mittlerweile den Selbstverwaltungspartnern vor, dass sie den AOP-Katalog mindestens alle zwei Jahre an den Stand der medizinischen Erkenntnisse anpassen müssen, zum anderen haben bislang erst wenige vom iGES vorgeschlagene Leistungen Eingang in den AOP-Katalog erhalten. Schlussendlich sind auch Abweichungen in der Vergütung zu monitoren, weil nicht nur der AOP-Katalog, sondern auch der EBM regelmäßig geändert wird.


Spezielle sektorengleiche Vergütung: Bedeutung, Chancen und Risiken

Hybrid-DRGs sind Instrumente einer sektorenübergreifenden Vergütung, die unabhängig davon greift, ob die medizinische Behandlung stationär oder ambulant erfolgt. Dabei erfasst der Hybrid-DRG-Katalog nicht nur Leistungen, die auch im AOP-Katalog enthalten sind. § 115f Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 4 SGB V bestimmt ausdrücklich, dass auch Leistungen als Hybrid-DRG erfasst werden können, die nicht im AOP-Katalog enthalten sind.

Diejenigen Fälle, die bisher stationär behandelt und demzufolge über das DRG-System abgerechnet worden sind, nunmehr jedoch über eine Hybrid-DRG erfasst werden, müssen (!) als Hybrid-DRG abgerechnet werden. Es gibt für diese Fälle, in denen der Patient stationär behandelt wird (liegt jedenfalls dann vor, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus ununterbrochen versorgt wird), keine Möglichkeit der stationären Abrechnung. Zu erwarten ist, dass der MD in Zukunft bei seinen Prüfungen einen Fokus auf die von der Hybrid-DRG-Verordnung erfassten medizinischen Behandlungen legen wird. Krankenhäuser, die bisher bestimmte medizinische Behandlungen als stationäre Leistungen über das mit höheren Vergütungen einhergehende DRG-System abgerechnet haben, sollten also ihr Augenmerk darauf legen, ob diese Leistungen im Fall der stationären Aufnahme des Patienten nunmehr unterfinanziert sind. Eine solche Unterfinanzierung kann sich daraus ergeben, dass die Krankenhausvergütung auf die Hybrid-DRG begrenzt wird und diese möglichweise für eine stationäre Aufnahme des Patienten nicht kostendeckend ist.

§ 3 Abs. 1 der Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung (6.2.2024) ist zu entnehmen, dass das Pflegebudget gemäß § 6a KHEntgG des Krankenhauses durch die Abrechnung der Hybrid-DRG unberührt bleibt. Gleichwohl sollte stets überprüft werden, ob eine ambulante Versorgung von Hybrid-DRG-Fällen für das Krankenhaus effizienter ist und inwiefern eine etwaige Anpassung der organisatorischen Strukturen des Krankenhauses sinnvoll ist, um ambulante Behandlungen und Operationen zu optimieren. Anpassungen können hier insbesondere im Hinblick auf den zu erwartenden deutlichen Anstieg ambulanter Behandlungen strategisch und wirtschaftlich sinnvoll sein. Im Vorteil können hier diejenigen Krankenhäuser sein, die bereits selbst über MVZ-Strukturen verfügen, mit denen sie Bestandteile des gegenwärtigen und des zukünftigen ambulanten Portfolios effizient abdecken.


Hybrid-DRG-Katalog 2024
 

Der Gesetzgeber hat primär die Selbstverwaltungspartner, die auch für die Vereinbarung des AOP-Katalogs zuständig sind (Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Kassenärztliche Bundesvereinigung), verpflichtet, die spezielle sektorengleiche Vergütung sowie die von ihr erfassten Leistungen im Wege der üblichen Verhandlungslösung festzulegen. Nachdem sich die Selbstverwaltungspartner jedoch nicht fristgerecht einigen konnten, setzte das BMG mit der Hybrid-DRG-Verordnung zunächst 12 DRG-Leistungskomplexe fest, denen jeweils eine indikationsbezogene Prozedurenliste (OPS-Kodes) zugeordnet ist. Die bisher erfassten Eingriffe betreffen folgende fünf Leistungsbereiche (vgl. Anlage 1 der Hybrid-DRG-Verordnung):

  • bestimmte Hernieneingriffe,
  • Entfernung von Harnleitersteinen,
  • Ovariektomien,
  • Arthrodesen der Zehengelenke und
  • Exzision eines Sinus pilonidalis.
     

Leistung und Kontextbedingungen
 

Krankenhäuser sollten prüfen, inwieweit ihr Leistungsspektrum in diesen Leistungskomplexen bereits erfasst wird und ob eine in Anlage 1 der Verordnung genannte Leistung mit einer in Anlage 2 genannten Hybrid-DRG zu vergüten ist. Dies ist dann der Fall, sofern sich aus dem Definitionshandbuch des InEK – Version 2024 beziehungsweise dem dort beschriebenen aG-DRG-Klassifikationssystem eine Zuordnung des betreffenden Falles in die betreffende Hybrid-DRG ergibt. Die Begründung zur Hybrid-DRG-Verordnung des BMG verweist dabei darauf, dass es nicht allein auf die Dokumentation eines oder mehrerer in der Anlage 1 genannter OPS-Kodes ankomme. Für die Abrechnungsfähigkeit der Hybrid-DRG seien vielmehr weitere im Klassifikationssystem berücksichtigte Bedingungen bedeutsam (Verweildauer, klinischer Komplexitätsgrad). Patienten, bei denen ausschließlich ein stationärer Eingriff in Betracht kommt, sowie mit aufwendigen Diagnosen, seien durch das Klassifikationssystem als Hybrid-DRG ausgeschlossen. Das bedeutet: Gleiche Leistungen sind nicht stets identisch abzurechnen; der individuelle Fall ist ausschlaggebend. Eine Abrechnung für die in der Anlage 1 des Hybrid-DRG genannten Leistungen als AOP-Leistung ist nach § 1 Abs. 4 der Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung ausgeschlossen.

Leistungszeitraum
 

§ 1 Satz 2 der Hybrid-DRG-Verordnung bestimmt den Leistungszeitraum, den die Hybrid-DRG erfasst. Er beginnt mit den Maßnahmen zur Operationsvorbereitung und -planung und endet mit dem Abschluss der postoperativen Nachbeobachtung durch die Einrichtung, in der die Operation durchgeführt wurde. Hier kündigen sich Schwierigkeiten in der Abgrenzung des Leistungszeitraums an.

Leistungsberechtigte
 

Leistungsberechtigt sind nach § 115f Abs. 3 Satz 1 SGB V die nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie § 108 SGB V teilnehmenden Leistungserbringer (vor allem Praxen, MVZ, Krankenhäuser sowie ermächtige Ärzte oder Einrichtungen).

Qualität
 

Erfüllt werden müssen die Qualitätsvoraussetzungen, die auch für das ambulante Operieren gelten.


Praxis-Hinweis

Krankenhausverantwortliche sollten stetig und engmaschig die regulatorischen Rahmenbedingungen im Blick behalten und zeitnah überprüfen, ob und in welchem Umfang das Spektrum ihrer medizinischen Behandlungen potenziell vom Hybrid-DRG-Katalog oder dem AOP-Katalog 2024 erfasst wird. Zudem sollte geklärt werden, welche Veränderungen bei Umsatz, Marktanteilen, Wettbewerbsposition und Belegung zu erwarten und welche entsprechenden Maßnahmen (z. B. die Anpassung des Portfolios oder der Betriebsorganisation) einzuleiten sind. Die strategische (Neu-)Ausrichtung eines Krankenhauses kann nur gelingen, wenn die zahlreichen regulatorischen Veränderungen, die mit der Krankenhausreform zu erwarten sind, frühzeitig identifiziert und ihre Auswirkungen rechtzeitig analysiert werden, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

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