Sperrung des Auskunftsrechts nach Art. 15 DS-GVO durch ärztliches Berufsrecht

Das Landgericht (LG) Hagen befasst sich in seinem Beschluss vom 31. August 2022 – 1 T 97/22 –im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Frage, ob der neue Inhaber einer Arztpraxis Auskunft nach Art. 15 DS-GVO über die dem ehemaligen Praxisinhaber überlassenen personenbezogenen Daten eines Patienten zu erteilen hat.


Der Fall

Der Anspruchsteller stellte einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Seinem Begehren lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Antragsteller war Patient eines mittlerweile verstorbenen Arztes. Er hatte an den verstorbenen Arzt am 16. November 2020 ein Fax mit umfangreichen persönlichen Daten geschickt. Später forderte er seinen Arzt mit anwaltlichen Schreiben zur Erteilung einer Auskunft über die Verarbeitung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten auf. Eine Antwort auf dieses Schreiben erhielt der Antragsteller nicht. Nachdem die Praxis auf einen neuen Inhaber übergegangen war, machte der Antragsteller denselben Anspruch gegenüber dem neuen Praxisinhaber geltend. Die Verfahrensbevollmächtigten des neuen Praxisinhabers teilten mit ihrem Schriftsatz vom 8. Juli 2022 dem Antragsteller mit, dass das ursprüngliche Fax, das an den vorherigen Inhaber gerichtet war, unmittelbar nach dessen Empfang geschreddert worden sei. Abgesehen von dem Auskunftsersuchen habe der neue Praxisinhaber keine weiteren Anfragen erhalten. Die Patientenunterlagen des ursprünglichen Praxisinhabers, zu denen auch die Unterlagen des Antragstellers zählen, befänden sich zur Verwahrung in den Praxisräumen. Der Auskunftsanspruch sei damit nach Ansicht der Vertretungsbevollmächtigten des Antraggegners „erschöpfend erfüllt“ worden.

Das Amtsgericht Hagen wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Gegen den Ablehnungsbeschluss legte der Antragsteller die sofortige Beschwerde ein. Er bestritt die unmittelbare Vernichtung des Faxes und nahm an, dass sich das Fax auch nach der Praxisübernahme noch in den Räumlichkeiten der Praxis befunden habe.

Die Entscheidung

Das Landgericht Hagen wies die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Prozesskostenhilfe ab. Es sah den Anspruch des Antragstellers auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO bereits als erfüllt an.

Unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19 – vertrat es die Ansicht, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO auch dann erfüllt sei, wenn die erteilte Auskunft falsch oder unvollständig ist. Der Auskunft müsse nur zu entnehmen sein, dass der Schuldner mit der Auskunft das konkrete Auskunftsbegehren vollständig erfüllen wolle. Dies haben die Verfahrensbevollmächtigten in ihrem Schriftsatz vom 8. Juli 2022 mit der Formulierung „erschöpfend erfüllt“ hinreichend zum Ausdruck gebracht. Weiter führte das Gericht aus, dass selbst für den Fall, dass der Vortrag des Antragstellers der Wahrheit entspricht, wonach das streitgegenständliche Fax nicht unmittelbar nach dessen Empfang in der Praxis geschreddert worden, sondern nach Praxisübernahme noch in der Praxis vorhanden gewesen sei, dies nicht im Widerspruch zu der Erklärung des neuen Praxisinhabers stehe, dass ein solches Fax und die darin enthaltenen persönlichen Daten jedenfalls nach der Praxisübernahme nicht mehr vorhanden bzw. von ihm nicht gespeichert worden seien. Diese Auskunft stelle in dem vorliegenden Fall keine „klar dargelegte Lüge“ dar.

Das Landgericht war außerdem der Ansicht, dass einem detaillierten Auskunftsanspruch hinsichtlich der in Verwahrung gegebenen Patientenunterlagen des ehemaligen Praxisinhabers die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO Ärzte) entgegenstehe. Danach dürfe ein Arzt, dem infolge einer Praxisaufgabe oder -übernahme Behandlungsunterlagen in Obhut gegeben werden, diese ohne Einwilligung des betroffenen Patienten weder selbst einsehen noch an andere weitergeben. Eine entsprechende Einwilligung des Antragstellers lag nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall nicht vor.

Praxis-Hinweis

Sind Sie unsicher im Hinblick auf Ihre Rechte und Pflichten beim Umgang mit den Patientenunterlagen, insbesondere im Zusammenhang mit einer Praxisübernahme, so wenden Sie sich gerne an uns. Wir beraten Sie gerne zum datenschutzkonformen Umgang mit Patientenunterlagen oder Betroffenenanfragen.

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