Krankenhausreform und Ambulantisierung: Kommt jetzt der große Durchbruch?

Im Zuge der Krankenhausreform soll es nach dem Vorschlag der Regierungskommission und den von Bund und Ländern abgestimmten Eckpunkten künftig sogenannte Level Ii-Krankenhäuser als sektorübergreifende Leistungserbringer geben, die unter pflegerischer Leitung stehen können. Im Kern soll damit eine neue Versorgungsform geschaffen werden, die eine wohnortnahe stationäre Grundversorgung, ambulante fachärztliche und hausärztliche Leistungen sowie medizinisch-pflegerische Leistungen mit Ausnahme der stationären Langzeitpflege zum Inhalt hat.


Was in der Theorie zunächst einfach klingt, scheint bei näherer Betrachtung und Auseinandersetzung mit der Thematik mehr Fragen aufzuwerfen, als aktuell Antworten gegeben werden können. Für Krankenhausträger ist mit Blick auf die strategische Ausrichtung besonders von Interesse, inwieweit sich die ambulante Versorgung in ländlichen Regionen und Ballungsgebieten künftig unterscheiden wird.
 

Level Ii-Krankenhäuser als sektorübergreifende Leistungserbringer

Gerade für kleinere Krankenhäuser in ländlichen Regionen, die die steigenden Strukturanforderungen an die stationäre Leistungserbringung nicht mehr erfüllen und ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, kann die Anpassung des Leistungsspektrums in Richtung eines Level Ii-Krankenhauses eine echte Chance zur Weiterentwicklung bieten.

Durch die Sicherstellung der wohnortnahen Primärversorgung von Patient:innen mit häufigen und einfachen Erkrankungen können Level Ii-Krankenhäuser die medizinische Versorgung im ländlichen Raum stärken. Aktuell ist ein Negativkatalog an Leistungen vorgesehen, die die Level Ii-Krankenhäuser nicht erbringen dürfen. Wie mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot in Fällen verfahren werden soll, in denen Patient:innen im Laufe des stationären Aufenthaltes Leistungen benötigen, die das Level Ii-Krankenhaus nicht erbringen kann bzw. darf, bleibt abzuwarten.

Neben der kurzzeitigen stationären Versorgung sowie der Vor- und Nachsorge von ambulanten und stationären Behandlungen, kann aber auch eine wohnortnahe pflegerische Anschlussversorgung durch Level Ii-Krankenhäuser gewährleistet werden, z.B. bei älteren oder multimorbiden Patient:innen die zuvor aufgrund komplexer Behandlungen in weiter entfernteren Kliniken der Schwerpunktversorgung behandelt wurden. 

Gleichzeitig ermöglicht die beabsichtigte Öffnung der Level Ii-Krankenhäuser für die ambulante Versorgung die Etablierung neuer Leistungsangebote, die durch Kooperationen mit (auch eigenen) Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sowie niedergelassenen Ärzten, ergänzt, weiter ausgebaut und somit zu einer effizienten und bedarfsgerechten Versorgung beitragen können.  

Im Ergebnis können Level Ii-Krankenhäuser als intersektorale regionale Gesundheitszentren daher das Potenzial haben eine stationäre Überversorgung abzubauen, die Ambulantisierung weiter voranzutreiben und eine im sektorübergreifenden Bereich bestehende Versorgungslücke zu schließen. Der hinter den Level Ii-Krankenhäusern stehende Grundgedanke einer wohnortnahen stationären Basisversorgung bei gleichzeitigem Fokus auf den Ausbau ambulanter Strukturen  erscheint nicht nur sinnvoll, sondern auch längst überfällig.
 

Herausforderungen bei der Umsetzung

Für einen echten Durchbruch hin zu einer durchgehenden interdisziplinären und sektorenfreien Versorgung reichen die aktuellen Pläne zur Krankenhausreform bislang allerdings nicht aus.

Auch wenn sich künftig Level Ii-Krankenhäuser weiter „Krankenhaus“ nennen dürfen, fällt die Abgrenzung zu einem Medizinischen Versorgungszentrum bei näherer Betrachtung nicht immer einfach. Insbesondere wenn Leistungen in gleicher Form und Qualität ohne den Hintergrund der ärztlich-pflegerischen Infrastruktur eines gewöhnlichen Krankenhauses erbracht werden können und das Krankenhaus keine Fachabteilungen mehr bereithält, sind keine Unterschiede bei der Leistungserbringung im Vergleich zu einem Medizinischen Versorgungszentrum erkennbar. Und doch sollen Level Ii-Krankenhäuser hinsichtlich der stationären Leistungen grundsätzlich weiter der Planungskompetenz der Länder unterfallen, während die Zulässigkeit der ambulanten Leistungserbringung insoweit den bekannten spezifischen gesetzlichen Regelungen folgen soll. Auch wenn eine gemeinsame einheitliche Bedarfsplanung sicherlich mit Hürden tatsächlicher sowie rechtlicher Natur verbunden wäre, erscheint die hier beabsichtigte gewohnte sektorale Trennung wenig sinnvoll.

Weiter stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie bzw. in welchem Umfang künftig der Anspruch eines Level Ii-Krankenhauses auf Investitionsförderung begründet werden kann, wenn all das, was ein Krankenhaus ausmacht, kaum noch vorhanden ist.

Vor dem Hintergrund des beabsichtigten sehr eingeschränkten Leistungsumfangs von Level Ii-Krankenhäusern erscheint es auch fraglich, dass diese eine zentrale Funktion in der ärztlichen Weiterbildung erhalten sollen.
 

Fazit

Im Kern sind viele Detailfragen, die für die künftige strukturelle Ausrichtung von Krankenhäusern von Bedeutung sind, aktuell noch offen. Während MVZ in Ballungsgebieten für Krankenhäuser nach wie vor eine wichtige Rolle für eine bedarfsgerechte Versorgung aus einer Hand einnehmen dürften, könnten diese in ländlichen Regionen mit Blick auf die künftigen Level I-Krankenhäuser an Bedeutung verlieren. Vieles wird vermutlich davon abhängen, ob den Level I-Krankenhäuser regulatorisch ein vereinfachter Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht wird.

Trotz dieser Unwägbarkeiten ist mit Blick auf den ambitionierten Zeitplan für die Umsetzung der Krankenhausreform den Krankenhausträgern dringend anzuraten sich bereits jetzt mit der künftigen Positionierung der eigenen Einrichtung im Markt unter Berücksichtigung bestehender Strukturen, des eigenen Portfolios und potenzieller Synergieeffekte auseinanderzusetzen. Krankenhäuser mit eigenen MVZ sollten sich die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer interdisziplinären Ausrichtung an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu eigen machen. Gerne stehen wir Ihnen mit unserer Expertise beratend zur Seite. 

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