Level und Leistungsgruppen: Neuaufstellung der Krankenhausfinanzierung

Im Dezember 2022 hat die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ ihre Vorschläge für eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung vorgestellt. Danach sollen Krankenhäuser nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhaltekosten, Versorgungsstufen (Level) und Leistungsgruppen. Das Fallpauschalen-System soll entsprechend verändert werden.


Als Vorhaltekosten soll künftig ein fester Betrag definiert werden, den somatische Krankenhäuser je nach ihrer Zuordnung erhalten. Hierfür sollen die Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen (Level) eingeordnet und entsprechend gefördert werden. Für jedes Level sollen feste Mindeststrukturvoraussetzungen gelten. Daneben sollen 128 Leistungsgruppen mit Strukturvorgaben eingeführt werden mit der Folge, dass Behandlungen nur noch dann abgerechnet werden dürfen, wenn das Krankenhaus die Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe erfüllt. Die psychiatrische Versorgung bleibt hierbei bisher komplett unberücksichtigt.

Das Konzept der Regierungskommission sieht drei zen­trale Elemente für die Krankenhausreform vor:


Einteilung nach Level (Versorgungsstufen)


Level Ii – Grundversorgung mit integrierter ambulant/stationärer Versorgung

  • Das Krankenhaus hält mindestens die Fachabteilung Chirurgie und/oder Innere Medizin vor.
  • Es besteht keine Verpflichtung zur Beteiligung an der Notfallversorgung.
  • Die Anwesenheit des ärztlichen Dienstes ist zwingend nur im Tagdienst zu gewährleisten.
  • Die Einrichtung kann pflegerisch geleitet werden.
  • Die Abrechnung ärztlicher Leistungen kann durch niedergelassene Ärzte über den EBM erfolgen.
  • Die Vergütung des stationären Aufenthalts erfolgt ausschließlich über degressive Tagespauschalen.


Level In – Grundversorgung mit Notfallstufe I

Das Krankenhaus hält mindestens die Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie mit einer ärztlichen 24/7-Präsenz und einer Notfallversorgung entsprechend der GBA-Definition Stufe I vor.

  • Aus der Notfallstufe I resultiert über die Anforderungen hinaus: Fachärztliche Rufdienste müssen innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein.
  • Es müssen mindestens sechs Betten auf einer Intensivstation vorgehalten werden.
  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser der Level II oder III bestehen.
  • Labor, Röntgen und CT sind obligatorisch vorzuhalten.
  • Die Finanzierung erfolgt über Vorhaltepauschalen entsprechend den im Portfolio zugeordneten Leistungsgruppen und eine ergänzende Einzelleistungsvergütung nach den DRGs, die in den zugeordneten Leistungsgruppen entsprechend der Kodierung mittels OPS und ICD zulässig sind.


Level II – Regel- und Schwerpunktversorgung mit Notfallstufe II

  • Mindestens drei internistische und drei chirurgische Leistungsgruppen müssen mit allen Anforderungen abgedeckt sein.
  • Zudem sind mindestens zwei Leistungsgruppen aus den Bereichen Neurochirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Neurologie, Kardiologie, Gastroenterologie und obligatorisch zwei Fächer aus den Bereichen Pneumologie, Pädiatrie, Kinderkardiologie, Neonatologie, Kinderchirurgie, Gefäßchirurgie, Urologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Augenheilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Hämatoonkologie abzudecken.
  • Eine Fachabteilung Gynäkologie und Geburtshilfe sowie eine Stroke Unit sind vorzuhalten.
  • 20 Intensiv- und Überwachungsbetten mit speziellen Anforderungen müssen zur Verfügung gestellt werden.
  • Die Notfallversorgung muss entsprechend der Notfallstufe II der GBA-Richtlinie erfolgen. Daraus resultieren über die stufeninhärenten Anforderungen hinaus eine gastroenterologische interventionelle Rufbereitschaft 24/7, die Möglichkeit zur Koronarangiografie 24/7 sowie eine Aufnahmestation mit mindestens sechs Betten in unmittelbarer Nähe der Notaufnahme.
  • Neben den Strukturanforderungen der Stufe I sind obligatorisch ein MRT, eine Angiografie, eine Endoskopie und, falls das nächste Versorgungskrankenhaus der Stufe III mehr als 30 km entfernt liegt, ein Hubschrauberlandeplatz vorzuhalten.
  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser des Levels III bestehen.
  • Die Finanzierung erfolgt analog zu Level In.


Level III – Maximalversorgung mit Notfallstufe III

  • In Ergänzung der Vorgaben des Levels II müssen mindestens fünf internistische Leistungsgruppen einschließlich Kardiologie und fünf chirurgische Leistungsgruppen belegt sein.
  • Es müssen aus mindestens acht der folgenden zwölf Leistungsbereiche Leistungsgruppen vorgehalten werden: Thoraxchirurgie, Palliativmedizin, Geriatrie, Urologie, Neurologie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Dermatologie, Augenheilkunde, Pädiatrie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Neurochirurgie.
  • Im Bereich Intensiv- und Überwachungsstation sind insgesamt 40 Betten vorzuhalten.
  • Die Notfallversorgung muss entsprechend der Notfallstufe III der GBA-Richtlinie erfolgen. Ein Hubschrauberlandeplatz ist obligatorisch.
  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser der Level I und II bestehen.
  • Für ausgewählte Leistungsgruppen ist die Teilnahme an Studien und die Vorhaltung einer entsprechenden Infrastruktur verpflichtend.
  • Die Finanzierung erfolgt analog zu den Leveln In und II. Die hier exklusiv zugeordneten spezialisierteren Leistungsgruppen haben jedoch regelhaft einen höheren Anteil an der Gesamtfinanzierung als in den Leveln In und II.


Level IIIU – Maximalversorgung (Universitätsmedizin) mit Notfallstufe III

  • Über die Anforderungen des Levels III (nicht universitär) hinaus sollten hier möglichst alle medizinischen Fächer repräsentiert sein und die Weiterentwicklung der Fächer soll explizit gefördert werden.
  • Den Krankenhäusern soll eine führende Rolle bei der Versorgung, der Koordination der Versorgung und bei medizinischen Innovationen zukommen. Die Finanzierung erfolgt analog zu Level III (nicht universitär).


Einführung von definierten Leistungsgruppen für Krankenhäuser

Voraussetzung für die Zuteilung einer der 128 Leistungsgruppen ist die Erfüllung weiterer Strukturvoraussetzungen. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level. Die Leistungsgruppen sollen auf jedem Level von einem an das InEK assoziierten Ausschuss nach ICD-10-Diagnosen und OPS-Codes definiert und weiterentwickelt werden. Die Definition der Leistungsgruppen und die Festlegung leistungsgruppenspezifischer Strukturanforderungen soll bis Ende 2023 unter Einbeziehung der medizinischen Fachgesellschaften erfolgen.


(Vorhalte-)Vergütung und DRGs

Die Vergütung von Krankenhausleistungen soll in spezialisierteren Kliniken neben den fallmengenabhängigen DRGs eine zweite Säule in Form von Vorhaltepauschalen bekommen, auf die das aktuelle Pflegebudget angerechnet wird. Im Konzept wird diese Erlösart nach dem der Klinik zuzuordnenden Level (In, II, III) und der entsprechenden Leistungsgruppe differenziert. Je nach Leistungsgruppe soll der Anteil der fallvariablen Finanzierung über DRGs zwischen 40 und 60 % betragen.

Die Finanzierung für nicht spezialisierte Kliniken des Versorgunglevels Ii soll hingegen durch degressive, verweildauerabhängige Tagespauschalen sichergestellt werden. Ärztliche Leistungen können hierbei wahlweise Bestandteil der Tagespauschalen sein oder analog zum bisherigen Belegarztsystem über den EBM mit der kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden. Sowohl die Refinanzierung nach Tagespauschalen im Level Ii als auch die Refinanzierung über die Kombination aus Vorhalte-Finanzierung und DRG-Entgelten sollen durch das InEK kalkuliert werden.
 

Krankenhausplanung und budgetäre Malusregelung

Die Bundesländer sollen entsprechend ihrer Verantwortung für die Krankenhausplanung die Zuordnung der Krankenhäuser zu den drei Leveln und den Leistungsgruppen vornehmen. Der Medizinische Dienst wiederum soll die Einhaltung der Strukturvoraussetzungen prüfen. Bei einer Unterschreitung der Mindestvoraussetzungen sollen Abschläge im Vorhaltebudget vorgenommen werden.


Wie geht es weiter?

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform hat sich am 5. Januar 2023 darauf geeinigt, bis zur Sommerpause 2023 einen Referentenentwurf vorzulegen. Im Raum steht eine Übergangsphase von fünf Jahren, so dass das neue System zwischen 2024 und 2028 implementiert werden soll. Analog zum Budgetrecht der Kassenärzte empfiehlt die Regierungskommission ab 2028 eine Anpassung der Vorhaltebudgets unter anderem an die regionale Morbidität und die Fallzahlentwicklung. Im DRG-Budget würde es bei einer überwiegend an der Beitragsentwicklung und nicht an den Kosten der Krankenhäuser orientierten, gedeckelten Refinanzierung bleiben.

Praxis-Hinweis

Insgesamt hat das Konzept das Potenzial für eine nachhaltige Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft. Mit dem Level Ii könnten gleichzeitig kleine dezentrale Versorgungsstrukturen erhalten und die Fehler einer übertriebenen Zentralisierung vermieden werden. Der Erfolg der Reform steht und fällt indes mit einer nachhaltigen Regelung der Investitionskostenfinanzierung. Sie muss sowohl die laufende Finanzierung als auch die zusätzlichen Investitionskosten für die Strukturanpassungen umfassen. Die Krankenhäuser brauchen hier verlässliche Rahmenbedingungen. Versorgungspolitisch fragwürdig ist die fehlende Berücksichtigung der Psychiatrie. Das PEPP-System wird zwar allgemein nicht als reformbedürftig angesehen. Dennoch könnte eine Reform der stationären Versorgung auch die alte Forderung der Begrenzung der Pflichtversorgungsgebiete auf ca. 150.000 Einwohner und die Anbindung kleinerer psychiatrischer Abteilungen mit 80 bis 90 stationären Behandlungsplätzen an Allgemeinkrankenhäuser inhaltlich aufnehmen.

Die Vorschläge der Kommission dürften, wenn auch nicht 1:1, umgesetzt werden. Strategisch ist jedem Klinikträger eine Einordnung des eigenen Portfolios und des Spektrums der umgebenden Kliniken unter Berücksichtigung der „Standort-Definition von 5 km“ dringend zu empfehlen. Die Bedeutung der fallbezogenen Prüfungen des Medizinischen Dienstes könnte zukünftig von juristischen Auseinandersetzungen wegen der Kürzung der Vorhaltepauschalen bei etwaigen Abweichungen von den Strukturvorgaben abgelöst werden.

Autor
Autorin
Autor
Autor
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Köln, Leitung KompetenzTeam Krankenhäuser
Autor
Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß