Hybrid-DRG oder AOP-Leistung – Wirtschaftliches Wahlrecht des Krankenhauses?

Ein hoher Anteil an medizinischen Behandlungen, die bisher stationär stattfinden, gehört an sich in die ambulante Versorgung. So lautet für die Krankenhauslandschaft der Befund des iGES-Gutachten (März 2022), das das Ambulantisierungspotenzial mit 4,3 Millionen Fällen beziffert hat. Daraufhin sah sich der Gesetzgeber veranlasst, Anreize für ein „mehr“ an ambulanten Behandlungen zu setzen. Als Instrument für die Umsetzung führte er die sogenannte „spezielle sektorengleiche Vergütung“, geregelt in dem neuen § 115f SGB V, sowie die Hybrid-DRG-Verordnung, die seit dem 1. Januar 2024 gilt, ein. Unverändert besteht für die Krankenhäuser die Möglichkeit des ambulanten Operierens nach § 115b SGB V bzw. dem AOP-Katalog fort.

Angenommen, ein Eingriff ist laut Anlage 1 der Verordnung als Hybrid-DRG erfasst, gleichzeitig aber auch im AOP-Katalog enthalten, so stellt sich in wirtschaftlicher Hinsicht für Krankenhäuser die Frage: Kann das Krankenhaus frei darüber entscheiden, ob es die Leistung als Hybrid-DRG oder als AOP-Leistung über den EBM abrechnet? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die jährliche Mitteilungspflicht des Krankenhauses für Leistungen des ambulanten Operierens nach § 115b Abs. 2 S. 2 SGB V gegenüber den Kostenträgern u.a.? Dieser Frage gehen wir im Folgenden nach.
 

Hybrid-DRGs als Anreiz mehr ambulant zu operieren  

Mit den Hybrid-DRGs sollen Vertragsärzte und Krankenhäuser dieselbe Vergütung für bestimmte Eingriffe erhalten, egal, ob die medizinische Behandlung stationär oder ambulant erfolgt. Diejenigen Fälle, die bisher stationär behandelt und demzufolge über das DRG-System abgerechnet worden sind, nunmehr jedoch über eine Hybrid-DRG erfasst werden, müssen (!) als Hybrid-DRG abgerechnet werden. Es gibt für diese Fälle, in denen der Patient stationär im Krankenhaus behandelt wird, keine Möglichkeit der stationären Abrechnung. Die bisher in einem „Startkatalog“, in dem auch die Höhe und Art der Vergütung festgelegt ist, erfassten Eingriffe betreffen folgende fünf Leistungsbereiche (vgl. Anlage 1 der Hybrid-DRG-Verordnung):

  • Bestimmte Hernieneingriffe,
  • Entfernung von Harnleitersteinen,
  • Ovariektomien,
  • Arthrodesen der Zehengelenke und
  • Exzision eines Sinus pilonidalis.
     

AOP-Leistungen

Dem ambulanten Operieren wird attestiert, es sei kein hinreichend geeignetes Instrument, den erwünschten Grad an Ambulantisierung zu erreichen. Gerade für Krankenhäuser sind AOP-Leistungen aber in erster Linie  nicht auskömmlich finanziert. Die Regelungen der Hybrid-DRG sollen nach dem Willen des Gesetzgebers genau das ändern: Sie zielen auf eine Ambulantisierung der aus seiner Sicht bislang unnötig stationär erbachter Leistungen (so BT-Drs. 20/4708, S. 100), ohne dass der Gesetzgeber die AOP-Leistungen abgeschafft hätte.
 

Wirtschaftliches Wahlrecht des Krankenhauses?

Der Sinn und Zweck der Hybrid-DRGs besteht nach dem Willen des Gesetzgebers insofern darin, zugelassenen Krankenhäusern und Leistungserbringern der vertragsärztlichen Versorgung (Vertragsärzte, MVZ, ermächtigte Ärzte oder Einrichtungen) eine Vergütung zu ermöglichen, deren Höhe zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG) liegt, wodurch einerseits Anreize zur ambulanten Leistungserbringung gesetzt und andererseits höherer stationärer Behandlungsaufwand vermieden werden (so BT-Drs. 20/4708, S. 100) sollen. Zum Teil sind die Preise der Hybrid-DRG höher als die Vergütung für ambulante Operationen nach dem EBM, vor allem in niedrigen EBM-OP-Kategorien, auch wenn sie deutlich niedriger als die DRG sind. Daraus resultiert: Ist der Eingriff als Hybrid-DRG erfassbar und gleichzeitig ein Eingriff, für den das Krankenhaus zugelassen ist, weil es ihn in seine (jährliche) Mitteilung nach § 115b Abs. 2 S. 2 SGB V aufgenommen hat, so kann es frei entscheiden, die Leistung über eine finanziell auskömmlichere Hybrid-DRG - und nicht über den EBM als AOP-Leistung - abzurechnen. Bestünde ein solches Wahlrecht nicht, würde man also das Krankenhaus etwa unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten in der Verpflichtung sehen, die Leistung als geringer vergütete AOP-Leistung abzurechnen, liefen die Hybrid-DRGs ins Leere. Die Krankenhäuser würden bei ihrer Vergütung auf EBM-Niveau „einfrieren“; genau das sollte nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Hybrid-DRG-Vergütung geändert werden. Dass ein Wahlrecht besteht, lässt sich ferner dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 115f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V entnehmen, der für die Auswahl der Hybrid-DRG-Leistung explizit regelt, dass sie Teil des AOP-Katalogs ist und gleichzeitig bestimmt, dass sie als Hybrid-DRG vergütet wird.


Praxistipp

Diejenigen Krankenhäuser, die vielleicht unsicher sind, ob sie sich am Ende mit dem skizzierten Wahlrecht zwischen Hybrid-DRG und AOP-Leistung gegenüber den Krankenkassen bzw. dem Medizinischen Dienst durchsetzen können, haben folgende Möglichkeit: Sie können darauf verzichten, diejenigen Leistungen, die über die Hybrid-DRGs finanziell auskömmlicher finanziert sind als über den EBM, als AOP-Leistung gegenüber den Kostenträgern nach § 115b Abs. 2 S. 2 SGB V zu melden. Sollte diese Meldung für das Jahr 2024 bereits stattgefunden haben, weil Nachmeldungen bis zum 31. Januar 2024 erfolgen mussten, so können die Krankenhäuser diese zurückziehen. In dem „Ausstieg“ liegt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, welches einer Abrechnung nach Hybrid-DRG entgegengehalten werden könnte. In jedem Fall lohnt sich eine wirtschaftliche Gegenüberstellung.

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