Fortbestand der Schwerbehindertenvertretung bei Unterschreitung des Schwellenwerts

Die Schwerbehindertenvertretung wird in Betrieben mit wenigstens fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Fraglich war bislang allerdings, ob das Amt der Schwerbehindertenvertretung vorzeitig beendet ist, wenn die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert sinkt. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt hierauf Antwort.

 

Der Fall

In einem Betrieb mit rund 120 Mitarbeitern war im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt worden. Zum 1. August 2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb auf vier Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte daraufhin die Schwerbehindertenvertretung darüber, dass diese deshalb – vor Ablauf der Regelamtszeit von vier Jahren – nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin vertreten würden. Die Schwerbehindertenvertretung des Betriebs war demgegenüber der Ansicht, dass ihr Amt aufgrund des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb nicht vorzeitig beendet sei und begehrte eine entsprechende gerichtliche Feststellung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen den Antrag der Schwerbehindertenvertretung ab.

Die Entscheidung

In seinem Beschluss vom 19. Oktober 2022 – 7 ABR 27/21 – stellt das BAG fest, dass eine Absenkung unter den Schwellenwert nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Amtes der Schwerbehindertenvertretung führt. Nach Auffassung des BAG existiert im Gesetz keine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsieht. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit sei auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.

Praxis-Hinweis

Das BAG stellt sich gegen die Ansicht der Vorinstanzen. Das Arbeitsgericht Köln sowie das Landesarbeitsgericht Köln hatten den Antrag der vermeintlich aufgelösten Schwerbehindertenvertretung auf Feststellung, dass das Amt nicht vorzeitig beendet ist, abgelehnt. Das BAG macht indes klar, dass hier nur das Gesetz maßgeblich ist. Da eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsieht, nicht existiert, bleibt die Schwerbehindertenvertretung im Amt. Für betroffene Einrichtungen und Träger dürfte diese Entscheidung nochmals die Bedeutung der Schwerbehindertenvertretung verdeutlichen, die, wenn sie einmal im Amt ist, auch bei Unterschreitung des Schwellenwertes darin verbleibt.

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