Doppelrolle als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender

Die Benennung eines Datenschutzbeauftragten ist für Unternehmen, ob in weltlicher oder kirchlicher Trägerschaft, ab einer gewissen Mitarbeiteranzahl von essenzieller Bedeutung. In seinem Urteil vom 24. April 2023 – 9 AZR 383/19 (A) – befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun mit der Frage, ob ein Betriebsratsvorsitzender auch gleichzeitig Datenschutzbeauftragter sein kann oder hier eine unzulässige Interessenkollision besteht.


Der Fall

Der Kläger war Vorsitzender des Betriebsrats der Beklagten und gleichzeitig ihr Datenschutzbeauftragter. Zusätzlich war er als Datenschutzbeauftragter für die Mutter- und die in Deutschland ansässigen Schwestergesellschaften der Beklagten benannt worden. Nachdem die Datenschutzaufsicht in Thüringen Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkollisionen aufgrund seiner Doppelfunktionen äußerte, wurde er von der Beklagten als Datenschutzbeauftragter abberufen. Der Datenschutzbeauftragte klagte gegen seine Abberufung und auf Feststellung der Fortgeltung seiner Bestellung. Das letztinstanzlich zuständige BAG legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob die parallele Tätigkeit als Vorsitzender des Betriebsrats und als Datenschutzbeauftragter einen Interessenkonflikt begründe, der die Unternehmensleitung zur Abberufung der Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten berechtige. Der EuGH entschied (C‑453/21), dass ein DSB keine zusätzliche Funktion ausüben darf, wenn er in dieser Funktion die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung selbst festlegt. Die genaue Klärung, ob dies auf einen Betriebsratsvorsitzenden zutrifft, wurde dem BAG überlassen.


Die Entscheidung

Das BAG entschied nun, dass die Berufung zum Datenschutzbeauftragten seinerzeit zwar wirksam war, der Kläger jedoch aus wichtigem Grund abberufen werden durfte. Seine Entscheidung begründete das BAG insbesondere wie folgt:

Der Betriebsrat hat einen weitreichenden Einfluss darauf, welche Daten von Arbeitnehmern er auf welche Weise verarbeitet. Außerdem ist er zu beteiligen, sobald eine Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen erfolgt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Der Vorsitzende des Betriebsrats vertritt die Entscheidungen des Betriebsrats nach außen. Aufgabe eines Datenschutzbeauftragten wiederum ist es, die Rechtmäßigkeit einer solchen Verarbeitung von Daten zu prüfen und das Unternehmen entsprechend zu beraten. Im Ergebnis müsste der Kläger daher als Datenschutzbeauftragter die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten prüfen, an der er als Mitglied des Betriebsrats beteiligt und an die er als Vorsitzender des Betriebsrats aufgrund der Beschlusslage des Betriebsrats selbstgebunden ist. Eine solche Situation ist nach Ansicht des BAG mit der notwendigen Unabhängigkeit eines Datenschutzbeauftragten nicht zu vereinbaren, weshalb ein zur Abberufung berechtigender Interessenkonflikt gegeben sei. Die Argumentation lässt sich nach unserem Verständnis auch auf reine Betriebsratsmitglieder übertragen, so dass auch eine solche Bestellung widerrufen werden kann.

Die Entscheidung stellt daher insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor die Herausforderung, geeignete Personen für die Tätigkeit als Betriebsrat und als Datenschutzbeauftragter zu finden. Ein aktueller Fall eines Berliner Handelskonzerns zeigt, dass Interessenkollisionen teuer werden können. Es wurde ein Bußgeld in Höhe von 525.000,00 Euro gegen einen Verantwortlichen verhängt. Der Datenschutzbeauftragte war gleichzeitig Geschäftsführer von zwei Dienstleistungsgesellschaften, die im Auftrag genau jenes Unternehmens personenbezogene Daten verarbeiteten, für das er als Datenschutzbeauftragter tätig war.


Fazit

Die Interessenkollision führt zwar nicht automatisch zur Nichtigkeit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten, aber sie rechtfertigt die Abberufung aus wichtigem Grund. Unternehmen sollten daher im Falle einer solchen Interessenskollision handeln und entweder den Datenschutzbeauftragten gänzlich abberufen oder ihn zumindest von der konfliktären Funktion entbinden, indem der Betriebsrat von einem anderen Datenschutzbeauftragten kontrolliert wird. Die Benennung mehrerer Datenschutzbeauftragter ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, kann jedoch im Hinblick auf die institutionelle Einordnung der Datenschutzbeauftragten schwierig sein (vgl. Kurzinformation 30 des Bayrischen Landesbeauftragten für den Datenschutz). Bei dieser Lösung empfehlen wir eine vorhergehende Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde, bei der wir Sie gerne nach Bedarf unterstützen. Ob eine Interessenkollision auch bei einem „einfachen“ Betriebsratsmitglied angenommen werden kann, hatte das BAG im konkreten Fall zwar nicht zu entscheiden, seine Argumente sind jedoch weitgehend auf „einfache“ Betriebsratsmitglieder übertragbar. Die Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten mindert das Risiko eines Interessenkonflikts erheblich. Unser Team steht Ihnen daher gerne zur Seite und berät Sie umfassend in allen datenschutzrechtlichen Angelegenheiten.

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