Beweisverwertungsverbot bei erlaubter Privatnutzung eines Diensthandys

Das Landesarbeitsgericht (LAG ) Baden-Württemberg befasst sich in seinem Urteil vom 27. Januar 2023 – 12 Sa 56/21 – mit der privaten Nutzung eines Diensthandys und der Verwertung der daraus gewonnenen Informationen in einem Kündigungsschutzverfahren.


Der Fall

Der Kläger war seit dem 1. Januar 2015 als Vertriebsleiter bei der Beklagten tätig und erhielt ein Firmenhandy für seine Arbeit. Da er keine zwei Handys nutzen wollte, war die Beklagte damit einverstanden, dass der Kläger seine private SIM-Karte samt Mobilfunknummer einbrachte. Der Kläger nutze das Firmenhandy somit sowohl dienstlich als auch privat.

Nachdem sich die Parteien über die Gehaltsvorstellungen des Klägers nicht einig wurden und die Beklagte den Verdacht hatte, dass der Kläger betriebliche Daten an unbefugte Dritte weitergegeben hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 2. Juli 2020 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Kläger wurde zur Herausgabe des Diensthandy aufgefordert, ihm wurde keine Gelegenheit zur Löschung oder zum Verschieben seiner privaten Nachrichten in einen separaten Ordner gegeben. Die Beklagte wertete die seit Beschäftigungsbeginn auf dem Diensthandy vorhandenen betrieblichen und privaten Nachrichten (E-Mails und WhatsApp) des Klägers aus und verwendete diese, um ihre Kündigung in dem vom Kläger eingereichten Kündigungsschutzverfahren zu begründen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Mannheim erklärte die außerordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 für unwirksam und verurteilte die Beklagte zur Nachzahlung der Vergütung sowie Schadensersatz in Höhe von 7.500,00 € wegen der Auswertung privater Nachrichten des Klägers. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht entschied, dass die außerordentliche Kündigung aufgrund der Nichtbeachtung der zweiwöchigen Frist nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam war und dass die WhatsApp-Nachrichten des Klägers nicht ohne seine Einwilligung und Anwesenheit ausgewertet werden durften. Die Gründe für die ordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 wurden als erwiesen angesehen. Beide Parteien legten Berufung ein.
 

Die Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg änderte das Urteil des ArbG Mannheim teilweise ab. Es stellte fest, dass die Kündigung vom 2. Juli 2020 das Arbeitsverhältnis weder ordentlich noch außerordentlich beendet hat. Die Beklagte wurde zur Nachzahlung des Arbeitsentgelts und zu einem Schadensersatz in Höhe von 3.000 € verurteilt. Die übrigen Klagepunkte wurden abgewiesen.

Die Beklagte habe ihre Kündigung vom 2. Juli 2020 auf Tatsachen gestützt, die einer umfassenden Sachvortragsverwertungsverbot unterliegen. Hierzu führte das LAG aus, dass die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung konkretisieren und aktualisieren. Sei die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG nicht erlaubt, folge hieraus regelmäßig ein Verbot der Verwertung der unzulässig beschafften Daten und Erkenntnisse, es sei denn, dass weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen.

Habe der Arbeitgeber den Privatgebrauch kraft Weisungsrechts generell untersagt, seien Kontrollen grundsätzlich zulässig, schon um die Einhaltung des Verbots zu überprüfen. Die Erlaubnis oder Duldung der Privatnutzung führe jedoch zu einer massiven Beschränkung der arbeitgeberseitigen Befugnisse. Die Schwere des Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers dürfe bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen. Die Auswertung der E-Mails für die komplette Dauer des Arbeitsverhältnisses sei daher unverhältnismäßig.

Die Aufgaben des Klägers ergaben sich außerdem aus seiner umfassenden Stellenbeschreibung. Die danach bestehende mangelnde Erforderlichkeit der Auswertung der Nachrichten werde durch die gestattete Privatnutzung des E-Mail-Accounts verschärft. Bei ausdrücklich erlaubter oder geduldeter Privatnutzung dürfe eine verdachtsunabhängige Maßnahme in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr müsse dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden solle. Es müsse ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolge. Gleiches gelte im Hinblick auf die WhatsApp-Nachrichten des Klägers. Durch die bloße Übergabe seines Diensthandys habe der Kläger keine konkludente Einwilligung zur Auswertung des WhatsApp-Verlaufs erklärt.
 

Praxis-Hinweis

Klare Regeln für die Nutzung betrieblicher IT-Systeme sind entscheidend. Verantwortliche sollten die private Nutzung explizit verbieten und regelmäßige Kontrollen durchführen. Bei Fragen zur Nutzung betrieblicher Geräte oder dem Zugriff auf Mitarbeiterkommunikation stehen unsere Branchenexperten für Beratung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns gern.

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