Zentrales Element der CSRD - die doppelte Wesentlichkeitsanalyse

Durch die Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (#CSRD) und der Taxonomie-Verordnung sind große Kapitalgesellschaften in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft verpflichtet, bis 2025 eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzubauen. Darüber hinaus werden Einrichtungsträger, die nach ihrer Satzung oder ihrem Gesellschaftsvertrag einen Lagebericht aufzustellen haben, zukünftig ihre Berichterstattung ausweiten.


Wesentlichkeitsanalyse erhöht die Transparenz

Durch die Umsetzung der CSRD und der Taxonomie-Verordnung sind die betroffenen Einrichtungsträger verpflichtet, bis 2025 eine umfassende Berichterstattung in den Themenbereichen Umwelt, Soziales und Governance sicherzustellen. In diesem Zusammenhang sind in der aktuellen Entwurfsfassung der European Sustainability Reporting Standards (#ESRS) rund 82 Offenlegungsanforderungen und bis zu 1000 zu berücksichtigende Datenpunkte aufgeführt. Aus Sicht der Gesundheits- und Sozialunternehmen stellt sich hierbei die Frage, welche Anforderungen für die jeweilige Geschäftstätigkeit berichtsrelevant bzw. wie eine systematische Überprüfung erfolgen kann.

Im Rahmen der Berichterstattung gibt es bereits seit vielen Jahren unterschiedliche Wesentlichkeitskonzepte mit der Zielsetzung, nur entscheidungsrelevante Themen zu veröffentlichen. So wird unter anderem bereits seit vielen Jahren in den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) vorgegeben, dass nur relevante Themen, die für die Darstellung wirtschaftlicher, ökologischer und gesellschaftlicher Auswirkungen der Organisation als wichtig einzustufen sind, in einem Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen werden. Hierbei wird auch geprüft, inwieweit die Informationen Einfluss auf Entscheidungen von Stakeholdern (z.B. Kreditgeber, Geschäftspartner, Arbeitnehmer, Kostenträger) haben können. Auch die EU-Kommission hat die Wesentlichkeitsanalyse als Grundlage für die Nachhaltigkeitsanalyse aufgegriffen und die sogenannte „doppelte Wesentlichkeit“ im ESRS 1 eingeführt. Hiermit wird das Ziel verfolgt, durch eine standardisierte Bewertung die Berichte besser vergleichbar zu machen bzw. den Unternehmen eine Priorisierung der Nachhaltigkeitsthemen zu ermöglichen. Die Unternehmen sollen demnach nur aussagekräftige Informationen veröffentlichen, die für den Adressatenkreis relevant und bewertbar (wesentlich) sind.
 

Prinzip der doppelten Wesentlichkeit

Nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit müssen die Unternehmen erstmalig Nachhaltigkeitsaspekte aus zwei Perspektiven betrachten.

Aus der sogenannten Inside-Out Perspektive (auch Impact Materiality) ist demnach ein Nachhaltigkeitsthema wesentlich, wenn es mit tatsächlichen oder potenziellen erheblichen (positiven / negativen) Auswirkungen („impacts“) der Geschäftstätigkeit (Produkte, Dienstleistungen) auf Mensch oder Umwelt verbunden ist. Im Fokus der Gesundheitseinrichtungen steht daher die Frage, welchen Einfluss u.a. der Krankenhausbetrieb auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen hat.

Die Outside-In Perspektive (auch finanzielle Wesentlichkeit oder Financial Materiality) betrachtet die Chancen und Risiken von Nachhaltigkeitsthemen aus Unternehmenssicht. Hierbei wird untersucht, ob beispielsweise klimatische Veränderungen oder neue regulatorische Vorgaben sich auf das Geschäftsmodell und die finanzielle Lage des Unternehmens auswirken.

Gemäß der CSRD ist ein Nachhaltigkeitsthema wesentlich (berichtsrelevant), wenn es entweder aus Impact-Sicht oder aus finanzieller Sicht als wesentlich identifiziert wurde (oder beides zutrifft).

Die vom Unternehmen identifizierten wesentlichen Themen müssen unter Beachtung der jeweiligen themenspezifischen ESRS-Standards im Nachhaltigkeitsbericht aufgeführt und erläutert werden. Für die Bewertung muss hierbei der Impact, das Risiko oder die Chance in Kombination mit dem Nachhaltigkeitsthema und der Geschäftstätigkeit möglichst genau identifiziert und beschrieben werden. Hieraus können wiederum zielgerichtet strategische Aspekte und Maßnahmen sowie Ziele und Kennzahlen abgeleitet werden.  
 

Pflichtangaben des ESRS 1

Der Basisstandard ESRS 1 legt fest, dass die Unternehmen bestimmte Nachhaltigkeitsinformationen - unabhängig von der Einschätzung der Wesentlichkeitsanalyse – offenlegen müssen. Demnach erfolgt u.a. zwingend die Offenlegung der in den Standards ESRS E1 (Climate change) und ESRS S1(Own workface) aufgeführten Aspekten und Datenpunkten.  
 

Die Rolle der Stakeholder

Eine zentrale Rolle in der Wesentlichkeitsanalyse nehmen die sogenannten Stakeholder ein. In der Berichtspraxis von Gesundheits- und Sozialunternehmen lassen sich als unternehmensinterne Stakeholder vor allem Mitarbeiter und Aufsichtsgremium identifizieren. Zu den externen Stakeholdern zählen vor allem Patienten, Bewohner, Kostenträger, Spender, Lieferanten, Kooperationspartner, Banken sowie Politik und Behörden. Im Mittelpunkt der Wesentlichkeitsanalyse steht auch die Leitfrage, welche Erwartungen und Ansprüche die einzelnen Stakeholder an das Unternehmen haben. Die Einschätzungen der Stakeholder wiederum geben wertvolle Hinweise für die Schwerpunkte der Nachhaltigkeitsaktivitäten.
 

Überblick schaffen – die Wesentlichkeitsmatrix

In der Praxis hat sich bewährt, die grundlegenden Erkenntnisse der Wesentlichkeitsanalyse in einer Wesentlichkeitsmatrix zusammenzufassen und konkrete Maßnahmen sowie klare Umsetzungsziele für die identifizierten ESG-Themen abzuleiten. Im Fokus der aktuellen Nachhaltigkeitsberichte stehen beispielsweise die Themen Patientensicherheit, Mitarbeiterzufriedenheit, CO2-Emissionsreduzierung, Abfall- und Wasserverbrauchs­reduktion sowie Compliance und Digitalisierung.
 

Umsetzung in 2023 starten

Aufgrund der knappen Zeitschiene und der Komplexität einer CSRD-konformen Berichterstattung ist es ratsam, bereits 2023 eine Wesentlichkeitsanalyse, in Abstimmung mit einem branchenerfahrenen Abschlussprüfer, durchzuführen. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen Beachtung finden und adressiert werden. Anhand der Wesentlichkeitsanalyse kann damit eine Priorisierung der wesentlichen Themen sowie eine strategische Ausrichtung für die nächsten Jahre gestartet werden.

Autor
Autor

Wesentlichkeitsmatrix-ESG

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß