Zahlungsfähigkeit zum Jahresende und über den Jahreswechsel hinaus

Geschäftsführer von Krankenhäusern sind zum Ende des Jahres 2023 veranlasst auf die Zahlungsfähigkeit zu achten. Für manche Häuser kann es in der aktuellen Lage eine besondere Herausforderung darstellen, das Weihnachtsgeld zu zahlen. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO rückt damit gegenwärtig in den Fokus.


Bei einer Zahlungsunfähigkeit ist umgehendes Handeln angezeigt, denn die Anforderungen an die Geschäftsführung einer Krankenhaus GmbH sind streng. Wird die Zahlungsunfähigkeit festgestellt, und die Insolvenzreife nicht etwa durch eine Patronatserklärung oder eine Darlehensgewährung mit Rangrücktritt beseitigt, ist ein Insolvenzantrag unverzüglich zu stellen. Lediglich in den Fällen, in denen ein ernstzunehmendes Sanierungskonzept erarbeitet wird, besteht bei diesem Insolvenzgrund die Möglichkeit weitere drei Wochen mit einer Antragstellung zuzuwarten. Da die Drei-Wochen-Frist nicht verlängert werden kann, wird eine externe Unterstützung in vielen Fällen notwendig sein.


Verantwortlichkeit der Geschäftsführung

Für die Geschäftsführung ist es aus Haftungsgründen angezeigt, die ordnungsgemäße Erstellung eines Sanierungskonzepts „für den Ernstfall“ zu dokumentieren. Die Haftung im Zusammenhang mit einer verspäteten Antragstellung ist nicht zu vernachlässigen. Zum einen droht eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung gegenüber benachteiligten Gläubigern. Zum anderen kann in Bezug auf Zahlungen nach Insolvenzreife vom Insolvenzverwalter oder beim Eigenverwaltungsverfahren vom Sachwalter (auch in der Variante des Schutzschirmverfahrens) unter gewissen Voraussetzungen eine Erstattung gefordert werden. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass ein Unterlassen der rechtzeitigen Antragstellung bei Kapitalgesellschaften eine Strafbarkeit begründen kann. Besteht eine D&O–Versicherung, sollte ggf. noch einmal genauer geschaut werden, ob ein entsprechendes Fehlverhalten von den Versicherungsbedingungen abgedeckt ist.


Kriterien der Zahlungsunfähigkeit

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn eine stichtagsbezogene Liquiditätslücke von über 10 % bezogen auf die fälligen Verbindlichkeiten festzustellen ist, die nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen geschlossen werden kann und auch nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke nach diesen drei Wochen demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird.

Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit hat sich in der Praxis eine Prüfungsmethodik entwickelt, die zu Beginn ein Liquiditätsstatus zu einem bestimmten Stichtag sowie eine darauf aufbauende Planrechnung (Liquiditätsplan) umfasst. Steht zum Stichtag eine Liquiditätslücke von 10 % oder darüberhinausgehend fest, ist im Rahmen der Planrechnung ist zu ermitteln, ob sich die Liquiditätslücke in den kommenden drei Wochen wieder schließt oder zumindest einen Wert unter 10 % erreicht. Nach den Vorgaben der Rechtsprechung sind bei der Planrechnung nicht nur die Verbindlichkeiten zum Stichtag zu berücksichtigen, sondern im Wege einer dynamischen Betrachtung auch Verbindlichkeiten einzubeziehen, die in den kommenden drei Wochen fällig werden (sog. Passiva 2).


Zahlungseinstellung als gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit

Die sorgsame Ermittlung im vorgenannten Sinne ist insbesondere dann erforderlich, um dem Merkmal einer sogenannten Zahlungseinstellung zu begegnen. Die Zahlungseinstellung begründet eine gesetzliche Vermutung für ein Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit und wird vom Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter häufig zur Begründung von Haftungs- oder Anfechtungstatbeständen herangezogen. Der Bundesgerichtshof nimmt eine Zahlungseinstellung in den Fällen an, in denen sich bei den beteiligten Gläubigern der Eindruck aufdrängt, dass der Rechtsträger außerstande ist, fälligen Zahlungsverpflichtungen zu entsprechen. Dafür genügt die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils fälliger Verbindlichkeiten.


Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2022

In einer jüngeren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2022 (AZ: II ZR 112/21 (NZI 2022, 787) wird eine weitere Ermittlungsmethode zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit angeführt. Alternativ zur Liquiditätsbetrachtung über den gesamten vorbezeichneten Drei-Wochen-Zeitraum bestünde auch die Möglichkeit mehrere tagesgenaue Liquiditätsstatus in aussagekräftiger Anzahl aufzustellen, in denen die am  Stichtag festgestellte erhebliche Lücke nicht „in relevanter Weise“ geschlossen werden kann.. Im zu entscheidenden Fall gelang es dem Insolvenzverwalter die Zahlungsunfähigkeit zu belegen, in dem er an vier verschiedenen Tagen innerhalb eines Drei-Wochen-Zeitraums eine erhebliche Unterdeckung feststellte.


Fazit

Angesichts der Tatsache, dass die Liquiditätssituation für viele Krankenhäuser aktuell angespannt ist, sollte der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit besonders beachtet werden. Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Haftungsgefahren für Leitungsorgane. Neben den „tatsächlichen“ Herausforderungen bei der Ermittlung der Liquidität und der Aufstellung eines verlässlichen Zahlenwerks bestehen angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Unwägbarkeiten bei der Ermittlungsmethodik.

Es bleibt weiter abzuwarten, wie die Praxis und insbesondere das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) auf die jüngeren Entwicklungen in der BGH-Rechtsprechung reagieren wird. Im aktuellen Entwurf einer Neufassung des IDW-Standards: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW ES 11 n.F.) bezieht sich das IDW zwar auf das erwähnte BGH-Urteil, äußert sich jedoch nicht zu einer praktischen Anwendbarkeit der vom II. Senat des Bundesgerichtshofs eingeführten Ermittlungsalternative.

 

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