Wirtschaftsplanung in Krisenzeiten – Kriterien der Plausibilisierung

In Ausgabe 1/2024 der Solidaris Information haben wir das Thema „Wirtschaftsplanung in Krisenzeiten“ erörtert und sind dabei vor allem auf die theoretische Einordnung der Going-Concern-Fragestellung und die Bestandteile der vorzulegenden Planungsrechnung im Rahmen der Jahresabschlussprüfung eingegangen. In diesem zweiten Teil wollen wir nun einen Überblick geben, auf welche Aspekte bei der methodischen und insbesondere der inhaltlichen Plausibilisierung der Wirtschaftsplanung besonders zu achten ist.


Plausibilisierung der Ergebnisplanung

Nicht selten wird im Rahmen der Wirtschaftsplanung eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt, bei der die Umsatzerlöse deutlich gesteigert werden und die Aufwandspositionen auf gleichem Niveau bleiben oder sogar zurückgehen. Im Hinblick auf die Planung der Umsatzerlöse ist hier die Frage nach der dahinterliegenden Leistungserwartung zu stellen. Während die Herleitung der angenommenen Preissteigerung eher als Formalität gilt, ist eine deutliche Steigerung der Menge, also des Case Mix, nicht auf Anhieb plausibel. Aktuelle Auswertungen zeigen, dass das Leistungsniveau nach wie vor deutlich unter dem des Vor-Corona-Jahres 2019 liegt. Es ist also eine weiterführende Analyse der zugrunde liegenden Details notwendig: Woher kommt die angenommene Leistungssteigerung genau? In welcher Fachabteilung soll die Mehrleistung erbracht werden? Und vor allem: Auf welchem Weg und mit welcher Begründung soll die angenommene Leistungssteigerung erzielt werden?

Eine Mengenausweitung mit dem Wechsel einer Personalie zu begründen, ist zwar nachvollziehbar, bei der Rücknahme von Bettensperrungen aufgrund einer Ausweitung des Pflegepersonals werden Argumentation und Nachweislage hingegen häufig schon dünner. Nicht selten ist es auch nur Hoffnung, die einen Leistungsanstieg erwarten lässt. Bei schwer nachvollziehbaren geplanten Leistungssteigerungen wird in den meisten Fällen eine Sensitivitätsanalyse zur Abwägung der Risiken ­notwendig.

Auch die Aufwandsplanung muss nachvollziehbar sein. Bei wesentlichen Aufwandspositionen sind in der Regel auch die dahinterliegenden Teilpläne zu betrachten und ist genau zu analysieren, wie es zu den abgebildeten Werten in der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung kommt. Dabei können zum einen die historische Entwicklung und zum anderen das genaue Mengengerüst eine Erklärung liefern. Im Bereich der Personalplanung muss der geplante Personaleinsatz nach Dienstarten gut nachvollziehbar aus den letzten Ist-Ständen ableitbar sein. In fast allen vorgelegten Planungen sind Tarifeffekte ausreichend abgebildet, doch es kommt vor, dass Höhergruppierungseffekte komplett außer Acht gelassen werden, obwohl auch diese einen Teil der Preissteigerung ausmachen. Einige Tarifverträge sehen Sonderzahlungen vor, die ebenfalls dezidiert abgebildet sein müssen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Liquiditätsplanung ist hier auch die zeitliche Ausgestaltung wichtig.

Auch im Hinblick auf den Materialaufwand sind die Zusammenhänge zwischen erwarteter Leistung und damit einem Mengeneffekt und den erwarteten Preissteigerungen nachvollziehbar darzustellen. Dabei hilft die Koppelung der variablen Anteile an die Umsatzerlöse – gerne auch über eine historisch abgeleitete Materialaufwandsquote. Auch hier sind in den Planungen oftmals ambitionierte Verbesserungseffekte enthalten. Werden diese nicht erreicht, ist davon auszugehen, dass ein direkter Ergebniseffekt und zumeist auch ein Liquiditätseffekt eintritt.


Plausibilisierung der Liquiditätsplanung

Die Liquiditätsplanung sollte entweder rollierend oder über einen Zeitraum von zwei Jahren abgebildet werden (siehe Solidaris Information 1/2024). In einer Unternehmenskrise ist eine monatliche Darstellung unumgänglich. Bei Betrachtung der Liquiditätsplanung steht im ersten Schritt die Wahl des Aufsatzpunktes im Vordergrund. Ein mehrere Monate alter Finanzstatus (vereinfacht: Zusammenführung der Bankbestände und der zu diesem Zeitpunkt fälligen Zahlungen) reicht nicht aus. Aktualität ist im Hinblick auf die Liquiditätsplanung ein entscheidendes Kriterium. Sondersachverhalte und Verschiebungen sind einzubeziehen und Liquiditätszuflüsse zum korrekten Zeitpunkt einzuplanen (zum Beispiel: Ab welchem Tag ist mit der sukzessiven Rückführung der Forderung aus dem Pflegebudget zu rechnen?). Die Leistungserbringung ist auch in der Vergangenheit selten in jedem Monat gleich gewesen, saisonale Auslastungsschwankungen sind einzubeziehen. Der geplante Personalaufwand ist unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen auf die Monate zu verteilen. Beim Materialaufwand sind in der Regel weniger intensive Schwankungen zu beachten – die ein oder andere Zahlung lässt sich ja auch durch das Haus steuern.

Unter Beachtung dieser Sachverhalte lässt sich in der Regel der operative Cashflow valide planen. Beim Cashflow aus der Investitionstätigkeit ist vorab zu definieren, ob der oben beschriebene Aufsatzpunkt auch Fördermittel beinhalten soll und alle Investitionen, also sowohl eigenfinanzierte als auch über Fördermittel finanzierte Investitionen, abgebildet werden sollen. In der Praxis hat es sich bewährt, die Fördermittel und die damit verbundenen Investitionen separat auszuweisen. Der Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit muss auf einer vollständigen Übersicht der Darlehen und der zugrunde liegenden Bedingungen basieren; Tilgungen müssen vollumfänglich eingeplant werden.

Da die wenigsten Häuser ein integriertes Modell zur Planung der Liquidität nutzen, ist abschließend ein Blick in die Ist-Bilanz dringend notwendig, um zu überprüfen, ob es bilanzielle Effekte gibt, die im Betrachtungszeitraum zu einer erhöhten Liquiditätsbindung führen. Es sollte ein genauer Blick auf die Rückstellungen geworfen und analysiert werden, ob es hier zu größeren Liquiditätsabflüssen im Betrachtungszeitraum kommen kann, die sich aus der zugrunde liegenden Plan-Gewinn- und Verlustrechnung nicht ableiten lassen. Erst wenn alle Bestandteile sauber geplant und nachvollziehbar sind, ist diese für die Annahme der Going-Concern-Prämisse in Krisenzeiten geeignet.


Praxis-Hinweis

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist es schwer, eine genaue Planung für die nächsten Monate aufzustellen. Daher empfehlen wir, in ­Szenarien zu denken und zu planen. Auf der Grundlage einer Basisplanung, die die Leistungszahlen des Vorjahres unter Berücksichtigung möglicher Risiken aus der zunehmenden Ambulantisierung berücksichtigt, können zwei Szenarien abgeleitet werden: ein Worst-Case-Szenario unter Berücksichtigung von Risiken wie zum Beispiel einem erhöhten Einsatz von Leiharbeitnehmern oder der Veränderung des Zahlungsziels, und ein Best-Case-Szenario unter Berücksichtigung von vorgenommenen Leistungssteigerungen, das im internen Gebrauch auch dazu dienen kann, ambitionierte Ziele festzulegen und messbar zu machen.

Autorin
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Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Leitung Geschäftsbereich Unternehmensberatung
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Leitung Geschäftsfeld Restrukturierung und Sanierung

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