Wie man seine vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit verspielen kann

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte in seinem jüngst veröffentlichen Urteil vom 14. November 2023 – 8 K 8012/23 – über die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Trägerorganisation eines Blogs zu entscheiden.


Der Fall

Ein nicht eingetragener Verein betreibt einen Themenblog mit Diskussionsmöglichkeit unter den Beiträgen. Mit Anträgen im September 2021 und Dezember 2021 begehrte er die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach § 60a AO. Nach seiner Satzung verfolgt der Verein „die Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der AO“. Verwirklicht wird der Zweck „durch die öffentliche Diskussion rechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Fragen und die Veröffentlichung von Erklärungen, mit denen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gestärkt werden“. Der Verein ist parteipolitisch neutral und grenzt sich von jedweder ­extremistischen Strömung ab.

Das Finanzamt hielt zwar die formellen Voraussetzungen für eine vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit für gegeben (insbesondere entsprach die Satzung den Vorgaben des 60a Abs. 1 AO), wies aber bereits in einer Zwischenverfügung darauf hin, dass eine Versagung nach § 60a Abs. 6 AO in Betracht komme. § 60a Abs. 6 AO regelt, dass die Finanzverwaltung die vorläufige Anerkennung versagen bzw. vor dem ersten Freistellungsbescheid eine bereits erteilte vorläufige Anerkennung widerrufen kann, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Erkenntnisse vorliegen, „dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt … .“

Das Finanzamt stieß sich daran, dass die Darstellung des Vereins im Internet nahelege, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht mit den satzungsmäßigen Vorgaben überstimme. Im April 2022 wurde das Anerkennungsgesuch mit einen Versagungsbescheid endgültig abgelehnt. Nach einen erfolgslosen Einspruchsverfahren erhob der Verein Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg auf Erteilung der vorläufigen Gemeinnützigkeit nach § 60a AO.


Die Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage des Vereins als unbegründet ab und folgte im Ergebnis der Finanzverwaltung insoweit, als zwar die Voraussetzungen des § 60a Abs. 1 AO vorlagen, die vorläufige Anerkennung aber durch die Vorschrift des 60a Abs. 6 AO gesperrt war. Das Finanzgericht erläuterte zuerst den Hintergrund des sog. „60a Bescheides“, der das Veranlagungsverfahren entlasten soll, indem die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit in einem sogenannten Grundlagenbescheid verbindlich festgestellt werden und in der Veranlagung nur noch die tatsächliche Geschäftsführung, d. h. die Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke im Alltag, geprüft wird.

Vor dem Jahressteuergesetz 2020 vom 21. Dezember 2020 galt eine strikte Trennung zwischen den satzungsmäßigen Voraussetzungen und der tatsächlichen Umsetzung. Das Finanzamt konnte regelmäßig erst in der Veranlagung die vorläufig erteilte Gemeinnützigkeit einkassieren, wenn sich herausstellte, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht mit den Satzungszwecken übereinstimmte. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde diese Trennung aufgehoben.

Das Finanzgericht wies darauf hin, dass das Gesetz allein an die Nichterfüllung der tatsächlichen Geschäftsführung anknüpft. Liegt ein Grund vor, der die Steuerbegünstigung ausschließt, ist die Feststellung damit zwingend zu versagen. Der Einwand des Vereins, dass 60a Abs. 6 AO nur einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab habe, folgte das FG nicht. Insbesondere genüge es gerade nicht, nur durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen der Einnahmen und Ausgaben die tatsächliche Geschäftsführung nachzuweisen. § 63 Abs. 1 AO koppelt die Geschäftsführung an die Satzung, so dass die Geschäftsführung mittelbar umfassend an die Vorgaben der §§ 51 bis 58 AO gebunden ist, um die Anforderungen nach §§ 59 bis 61 AO einhalten zu können.

Das Finanzgericht prüfte sodann, ob die tatsächliche Geschäftsführung mit dem satzungsmäßigen Zweck der Förderung des demokratischen Staatswesens übereinstimmte. Hier folgte es stringent der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus dem ATTAC-Verfahren und seiner Argumentation im parallel geführten Change.org-Verfahren. Insbesondere betonten die Richter, dass eine gemeinnützige Organisation, die das demokratische Staatswesen fördere, bei ihrer „politischen Bildungsarbeit“ „geistig offen“ sein müsse und gerade nicht das Ziel verfolgen dürfe, Lösungsvorschläge für Problemfelder nicht nur zu entwickeln, sondern auch im politischen Tagesgeschehen durchzusetzen. Dies würde ansonsten mit den verfassungsrechtlichen Beschränkungen zur Parteienfinanzierung kollidieren.

Da die Förderung dem demokratischen Gemeinwesen allgemein dienen muss, ist eine stringent objektive und parteipolitisch neutrale Aktivität eine Kernvoraussetzung. Tagespolitik darf gerade nicht im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen. Äußerungen zur Tagespolitik dürfen nur der Vermittlung satzungsmäßigen Ziele dienen, insoweit dürfen sie nur gelegentlich und strikt anlassbezogen erfolgen. Der Kläger hatte mit seinem Blogaktivitäten aber genau die Tagespolitik und hier einen bestimmten Themenbereich im Blick.

Das Finanzgericht konstatierte, dass auf der Internetseite des Klägers zwar das Gros der Beiträge mittelbar Kritik an den drei Staatsgewalten äußerte, dies aber keine hinreichende Tätigkeit zur Förderung der Demokratie sei. Die Internetseite ist damit nicht von sonstigen Themenblogs oder Nachrichtenkanälen mit Kommentarfunktion zu unterscheiden. Im Endergebnis genügte die beiläufige Aufklärung über Grundrechte nicht, da hier eine einseitige und tagespolitisch motivierte Förderung stattfand.

Das Finanzgericht wies ergänzend darauf hin, dass die Versagung der Gemeinnützigkeit für die Jahre 2021 und 2022 erst final in der Veranlagung getroffen werden dürfe; die Versagung nach § 60a Abs. 6 AO stellt insoweit noch kein Präjudiz für die anstehende Veranlagung dar. Der Kläger kann durch die Vorlage eines umfassenden Tätigkeitsberichts, aus dem sich weitere Aktivitäten zur Erreichung der satzungsmäßigen Zwecke ergeben, immer noch die nachträgliche Anerkennung als gemeinnützige Organisation erlangen.


Praxis-Hinweis

Neue, aber auch bestehende Non-Profit-Organisationen müssen aufgrund der sich nun langsam verfestigenden Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Betätigung im (vor-)politischen Raum darauf achten, dass der Außenauftritt bzw. die Außenwirkung strikt den satzungsgemäßen Zwecken dient sowie politisch neutral und geistig offen in der Themenbehandlung ist. Tagespolitische Themen dürfen nur ausnahmsweise und nur anlassbezogen aufgenommen werden, um Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die Durchsetzung der Lösungsvorschläge ist aber aufgrund der Rollenteilung nach der Verfassung den Parteien vorbehalten. Eine vorläufige Anerkennung als gemeinnützige Organisation kann bei konkreten Anhaltspunkten für ein Auseinanderfallen von Satzung und tatsächlicher Umsetzung versagt oder widerrufen werden. Die finale Entscheidung fällt aber in der Veranlagung.

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Steuerberater, Partner, Leitung KompetenzTeam Steuern Köln

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