Wie lange können Beschlüsse einer Mitgliederversammlung angegriffen werden?

Die Frage der Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen beschäftigt immer wieder die Gerichte. Gegenstand sind dabei verschiedene Aspekte, vor allem aber die Frist für ein Vorgehen gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, welche Rügepflichten möglicherweise zu beachten sind, weitere Beschlussvoraussetzungen (Bestimmtheit, hinreichende Ankündigung etc.) sowie die jeweilige Darlegungs- und Be

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm benennt konkrete Kriterien

 

Die Frage der Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen beschäftigt immer wieder die Gerichte. Gegenstand sind dabei verschiedene Aspekte, vor allem aber die Frist für ein Vorgehen gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, welche Rügepflichten möglicherweise zu beachten sind, weitere Beschlussvoraussetzungen (Bestimmtheit, hinreichende Ankündigung etc.) sowie die jeweilige Darlegungs- und Beweislast in solchen Prozessen. Kürzlich hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm einzelne Aspekte in einer längeren Entscheidung erneut zu beleuchten (OLG Hamm, Urteil vom 1. März 2021 – 8 - U 61/20).

Der Fall

Der Beklagte ist ein internationaler Dachverband, dessen Mitglieder Vereine aus dem In- und Ausland sind. Seine Generalversammlung fand am 28. Juni 2019 statt. Das Protokoll über die Versammlung wurde den Mitgliedern am 7. September 2019 zugänglich gemacht. Drei Mitgliedsvereine haben innerhalb einer Woche nach Erhalt des Protokolls Klage erhoben und alle gefassten Wahlen sowie Beschlüsse als nichtig angegriffen und verschiedene Gründe vorgetragen. In erster Instanz hat das Landgericht Essen die Klage unter anderem deswegen abgewiesen, weil sie nicht innerhalb einer aus der Treuepflicht herzuleitenden Klagefrist von einem Monat nach der Versammlung eingelegt worden sei.

Die Entscheidung

Das OLG hat das erstinstanzliche Urteil zum Teil wieder aufgehoben und vor allem hinsichtlich der Frist klargestellt, dass eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist, da es nicht zwingend auf das Ende der Versammlung als Fristbeginn ankommen könne. Im Einzelnen: Beschlussmängel der Mitgliederversammlung eines Vereins sind im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend zu machen. Die Beweislast für die formelle und materielle Wirksamkeit von Beschlüssen der Mitgliederversammlung liegt stets beim Verein selbst. Ein gegen Beschlüsse vorgehendes Mitglied hat jedoch stets zunächst die konkreten Umstände darzulegen, auf denen die Nichtigkeit beruhen soll.

Die Feststellungsklage zur Geltendmachung der Nichtigkeit eines solchen Beschlusses ist – sofern die Satzung nichts Gegenteiliges vorsieht – nicht grundsätzlich fristgebunden. Das Klagerecht kann jedoch verwirkt sein, wenn es über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt wird. Hierbei hält das OLG die von einzelnen Stellen der Rechtsprechung vertretene „Ausschlussfrist“ von einem Monat für nicht zwingend.

In jedem Fall müsse insbesondere bei umfangreichen Tagesordnungen zunächst die Veröffentlichung des Versammlungsprotokolls abgewartet werden, wenn dessen Inhalt für die Klage von Bedeutung ist. Das Protokoll sei zwar kein echtes Beweisdokument im Sinne der Zivilprozessordnung, bilde aber aus Sicht des Vereins für alle Beteiligten ab, was nach Auffassung der Versammlungsleitung und nicht widersprechender Mitglieder tatsächlich beschlossen worden ist. Etwaige Beanstandungen sind daher nach Möglichkeit direkt zu Protokoll zu geben. Verfahrensfehler können zum Beispiel hinsichtlich des Versammlungsortes oder der Durchführung der Versammlung nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sie nicht unmittelbar deutlich gerügt worden sind und das Mitglied sich anschließend ohne weiteren Protest an den Abstimmungen beteiligt hat.

Darüber hinaus ist stets zu beachten, dass manche Beschlussgegenstände aufgrund ihrer Komplexität oder bei möglichen disziplinarischen Auswirkungen für Vereinsmitglieder erhöhte Anforderungen im Rahmen der Ankündigung (Tagesordnung) zu erfüllen haben. In diesen Fällen kann eine erweiterte Informationspflicht des Vorstandes bestehen, um sich angemessen auf die Beschlussfassung in der Versammlung vorbereiten zu können. Auch hierfür trägt der Verein die Darlegungs- und Beweislast.

Zuletzt kann ein Beschluss auch deshalb angreifbar sein, weil er nicht hinreichend bestimmt ist. Das ist der Fall, wenn ein Beschluss seinem Inhalt nach unklar ist, weil er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält, und wenn sich diese auch nicht anhand von objektiven Maßstäben durch Auslegung außerhalb des Beschlussinhalts ermitteln lässt. Ungültig ist ein Beschluss auch dann, wenn er in sich widersprüchlich oder wegen sachlicher Unklarheit praktisch nicht durchführbar ist.

Fazit wie lange Beschlüsse einer Mitgliederversammlung angegriffen werden können

Das Urteil des OLG Hamm bringt keine tiefgreifende Veränderung der bisherigen Rechtslage mit sich, sondern konkretisiert an einem komplexeren Sachverhalt anschaulich einzelne Fragestellungen. Ohne Satzungsregelung gibt es keine allgemeine Ausschlussfrist, sondern die Verwirkung eines Klagerechts ist stets eine Frage des Einzelfalls. Je wichtiger oder umfassender eine Beschlussfassung ist, desto besser muss die Versammlung einschließlich ihrer Einberufung, Tagesordnung und Protokollierung vorbereitet sein. Die Beweislast für die entscheidungserheblichen Klagen liegt in den meisten Fällen beim Verein. Für die Vereinspraxis kann sich daher neben der ohnehin gewissenhaften Vorbereitung und Durchführung von Versammlungen auch anbieten, entsprechende Satzungsregelungen aufzunehmen, die Ausschlussfristen klar sowie eindeutig festlegen und dabei auf die Möglichkeit der Mitglieder abstellen, ein Versammlungsprotokoll zur Kenntnis zu nehmen.

Gern unterstützen wir Sie bei der Prüfung Ihrer Satzung oder entsprechenden Satzungsänderungen. Sollten Sie zu den inhaltlichen Ausführungen bzw. dem Urteil des OLG Hamm weiter gehende Fragen haben, sprechen Sie uns gern an.

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