Wahlleistungsvereinbarung: Mehrere ständige ärztliche Vertreter sind zulässig

Wahlleistungsvereinbarungen sind hinreichend bestimmt, wenn die Benennung von 24 Wahlärzten nebst – teils mehreren – Stellvertretern der hochgradigen Spezialisierung des Krankenhauses geschuldet ist und der Vertretungsfall ausdrücklich auf den Fall der unvorhergesehenen Verhinderung beschränkt ist. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem richtungsweisenden Beschluss vom 18. Januar 2021 – 13 U 389/19 – entschieden.


Der Fall


Der Patient befand sich aufgrund einer Belastungsdyspnoe vom 11. bis zum 23. Juni 2014 und vom 26. Juni bis zum 1. Juli 2014 in stationärer Behandlung in einem spezialisierten Krankenhaus. Vor dem ersten und dem zweiten stationären Aufenthalt unterschrieb der Patient jeweils eine Wahlleistungsvereinbarung, die im Wortlaut identisch waren. In diesen Vereinbarungen war der Passus enthalten:

„Für den Fall der unvorhergesehenen Verhinderung des Wahlarztes der jeweiligen Fachabteilung bin ich mit der Übernahme seiner Aufgaben durch seinen ständigen ärztlichen Vertreter einverstanden. Eine Abteilung kann aufgrund von Arbeitsteilung oder funktionaler Schwerpunktbildung mehrere ständige ärztliche Vertreter des besonders benannten Wahlarztes ausweisen. Der ständige ärztliche Vertreter wird regelmäßig vor Abschluss dieser Vereinbarung benannt.“

Sodann folgte eine Aufzählung der insgesamt drei Kliniken des Krankenhausträgers, wobei – sofern vorhanden – jeweils auch die einzelnen Abteilungen dieser Kliniken aufgeführt waren. Zusätzlich waren „klinikübergreifende Abteilungen“ genannt. Für jede Klinik bzw. Abteilung war ein Wahlarzt benannt. Für jeden dieser Wahlärzte wiederum war mindestens ein „Ständiger Vertreter“ angegeben. Soweit für einen dieser Wahlärzte mehrere „ständige Vertreter“ benannt waren, war wiederum aufgeführt, welcher Vertreter für welchen Vertretungsbereich tätig werden sollte. Der jeweilige Vertretungsbereich war anhand der verschiedenen Stationen oder der Standorte abgegrenzt. Der Patient machte nach Rechnungserhalt die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarungen geltend und verweigerte die Zahlung der Rechnung. Das Landgericht Freiburg gab der daraufhin vom Krankenhaus erhobenen Klage vollumfänglich statt. Aufgrund des Hinweisbeschlusses des OLG Karlsruhe nahm der Patient die eingelegte Berufung zurück.
 

Die Entscheidung


Die Richter bejahten einhellig den Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Die Wahlleistungsvereinbarungen seien hinreichend bestimmt, da die Benennung von 24 Wahlärzten nebst (teils mehreren) Stellvertretern der hochgradigen Spezialisierung des Krankenhauses geschuldet sei. Hierin sei kein unzumutbarer Vorbehalt einer Leistungsänderung zu sehen und der Vertretungsfall sei ausdrücklich auf den Fall der unvorhergesehenen Verhinderung beschränkt. Dem Patienten ginge es bei Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung in erster Linie darum, sich über den Facharztstandard hinaus die Leistungen hochqualifizierter Spezialisten des Krankenhauses gegen ein zusätzliches Entgelt „hinzuzukaufen“. Je größer die medizinische Einheit ist und je stärkere Spezialisierungsmöglichkeiten sich innerhalb einer Einheit ergeben, umso größere Spielräume für Delegation und Vertretung seien von der Natur der Sache her angezeigt.

Der Arzt, der gegenüber einem Patienten aus einer Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet ist, müsse seine Leistungen grundsätzlich selbst erbringen. Über die Delegation nachgeordneter Aufgaben hinaus dürfe der Wahlarzt im Fall seiner unvorhergesehenen Verhinderung jedoch auch die Ausführung seiner Kernleistungen auf einen Stellvertreter übertragen, sofern er mit dem Patienten eine entsprechende Vereinbarung wirksam getroffen hat. Die GOÄ setze indes nicht voraus, dass jeder Chefarzt nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter haben darf. Es sei vielmehr zulässig, dass die Klinik für verschiedene Arbeitsbereiche eines Chefarztes jeweils einen ständigen ärztlichen Vertreter bestimmt. Die namentliche Benennung von insgesamt 24 Wahlärzten sowie deren Stellvertretern sei hinreichend bestimmt. Maßgeblich sei für den Patienten, dass er über den normalen fachärztlichen Standard hinaus zusätzliche Expertise „einkauft“, wobei in der vertraglichen Regelung transparent sein müsse, wessen Leistung dies genau ist. Dass es in einem hochspezialisierten Krankenhaus, das auch noch zwei örtlich getrennte Standorte aufweist, zahlreiche Fachbereiche gibt, die jeweils auf ihrem Gebiet spezialisiert sind, liege auf der Hand und entspräche gerade dem wohlverstandenen Interesse des Patienten, für den eine möglichst vollständige Abdeckung der verschiedenen Fachbereiche kardiologischer Erkrankungen objektiv betrachtet von Vorteil ist.
 

Fazit


Wahlleistungsvereinbarungen sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen, da sie hohe formale Voraussetzungen erfüllen müssen. Ein Fehler führt schnell zur Nichtigkeit der gesamten Wahlleistungsvereinbarung mit der Folge des Wegfalls des Vergütungsanspruchs. Insoweit ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe sehr zu begrüßen. Gerade bei hochspezialisierten Kliniken macht eine Unterteilung in verschiedene Fachbereiche bzw. die Abdeckung von Zuständigkeitsbereichen aus Sicht des Patienten Sinn. Dabei ist darauf zu achten, dass die benannten ständigen ärztlichen Vertreter jeweils aus verschiedenen, organisatorisch abgrenzbaren Arbeits- und Zuständigkeitsbereichen des jeweiligen liquidationsberechtigten Chef- bzw. Wahlarztes kommen. Der Beschluss des OLG Karlsruhe ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sollte von der Möglichkeit, mehrere ständige ärztliche Vertreter zu benennen, zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Von einer gefestigten Rechtsprechung wird man noch nicht ausgehen können. Zudem hängt die Wirksamkeit der Stellvertreterklausel maßgeblich vom Leistungsspektrum des Krankenhauses ab. Sollten Sie Fragen im Zusammenhang mit Wahlleistungsvereinbarungen bzw. Stellvertreterregelungen haben, sprechen Sie uns gerne an.

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