Vorsicht bei der Vereinbarung von Abtretungsverboten im privatärztlichen Behandlungsvertrag

Um sich als Behandler vor Abrechnungsstreitigkeiten unmittelbar mit einer privaten Krankenversicherung oder der Beihilfe zu schützen, werden in Behandlungsverträgen mit Patienten gerne Abtretungsverbote vereinbart. Über die Wirksamkeit eines solchen Abtretungsverbotes, das als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) vereinbart worden war, hatte das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe zu entscheiden (Urteil vom 17. August 2022 – 7 U 143/21).

Geklagt hatte eine private Krankenversicherung gegen einen Arzt wegen überhöhter Abrechnung von Behandlungsleistungen bei ihrer privatversicherten Patientin. Da die private Krankenversicherung der Patientin die von ihr bezahlten Beträge erstattet hatte, machte die private Krankenversicherung Rückforderungsansprüche gegen den Arzt geltend. Rechtlich ist dies möglich, weil etwaige Rückforderungsansprüche von Patienten kraft Gesetzes auf die private Krankenversicherung übergehen. Um jedoch eine ausschließlich zwischen Arzt und privater Krankenversicherung ausgetragene Streitigkeit über die Richtigkeit der Abrechnung zu vermeiden, hatte der Arzt mit der Patientin zuvor im Behandlungsvertrag ein Abtretungsverbot vereinbart. Dieses sollte eine unmittelbare Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs durch die private Krankenversicherung verhindern. Das OLG Karlsruhe entschied jedoch, dass das Abtretungsverbot unwirksam ist, gestand der privaten Krankenversicherung ein eigenes Klagerecht zu, kam zu dem Ergebnis unberechtigter Abrechnung ärztlicher Leistungen und bejahte Rückforderungsansprüche der privaten Krankenversicherung gegen den verklagten Arzt.

Juristisch nicht abschließend geklärt ist zunächst die Frage, ob es für behandelnde Ärzte überhaupt möglich ist, durch vertragliche Vereinbarungen den gesetzlich angeordneten Übergang von Rückforderungsansprüchen auf die private Krankenversicherung zu verhindern. Das OLG Karlsruhe hat diese Frage nicht beantwortet, weil das in den Behandlungsverträgen als AGB vereinbarte Abtretungsverbot ohnehin der AGB-Kontrolle nicht standhalte. Das Abtretungsverbot sei, so das OLG, eine Klausel, die für den Patienten überraschend sei und ihn zudem unangemessen benachteilige.

Als überraschend qualifizierte das OLG das Abtretungsverbot mit der Begründung, dieses beträfe nicht allein die zuvor ausdrücklich im Behandlungsvertrag vereinbarten Leistungen, sondern weitergehende Behandlungsleistungen, die ggf. kurzfristig oder anlassbezogen notwendig werden (z.B. Komplikationen während der Operation). Die Formulierung im Behandlungsvertrag lautete: „(…) versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfe abzugeben (…)“. Nach der Auffassung des OLG müsse ein durchschnittlich verständiger Patient mit einem so umfassenden Abtretungsverbot nicht rechnen, wobei das OLG monierte, dass ein expliziter Hinweis auf die Tragweite des Abtretungsverbots fehlte. Nun ist es allerdings typischerweise in der Medizin so, dass sich Art und Umfang benötigter ärztlicher Leistungen nicht als fixe Größe im Vorfeld festschreiben lassen. In der Praxis dürfte daher, um diesem typischen Medizingeschehen Rechnung zu tragen, in aller Regel ein Bedarf bestehen, Abtretungsverbote so zu gestalten, dass sie nicht nur die absehbaren und ausdrücklich im Behandlungsvertrag vereinbarten, sondern sämtliche Behandlungsleistungen erfassen.

Schlussendlich sieht das OLG in dem Abtretungsverbot eine unangemessene Benachteiligung für den Patienten, weil er im Gegensatz zum behandelnden Arzt oder der privaten Krankenversicherung nicht über die notwendige Sachkunde oder Kapazität verfüge, um zu beurteilen, ob die ärztliche Leistung zulässig abgerechnet worden ist oder ob lediglich die Erstattungsfähigkeit der ärztlichen Leistung fehlt. Die Begründung des OLG bemüht offenbar die Situation der „Waffenungleichheit“. Diese aber ist strukturell gegeben und dürfte daher immer vorliegen. Dies hieße dann aber, dass als AGB vereinbarte Abtretungsverbote aus Gründen der unangemessenen Benachteiligung stets unwirksam wären. 

Fazit

Ob es grundsätzlich möglich ist, einen gesetzlichen Forderungsübergang auf die private Krankenversicherung durch ein vertragliches Abtretungsverbot zu verhindern, hat das OLG selbst nicht entschieden. Zu dieser Rechtsfrage werden von der Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten, so dass sie nicht abschließend geklärt ist und letztlich eine Rechtsunsicherheit bleibt. Dass diese Rechtsfrage offen ist, ist indes kein hinreichender Grund, um von der Vereinbarung vertraglicher Abtretungsverbote abzuraten. Denn ohne die Vereinbarung eines Abtretungsverbots ließe sich juristisch das eigene Klagerecht der privaten Krankenversicherung/Beihilfe aus gesetzlichem Forderungsübergang von vornherein nicht angreifen. Ist ein solches hingegen vereinbart, lassen sich bereits Zweifel an der Aktivlegitimation der privaten Krankenversicherung/Beihilfe anmelden.

Fraglich ist allerdings, ob die Begründung des OLG, das die unangemessene Benachteiligung für den Patienten auf Grund fehlender notwendiger Sachkunde und Kapazität annimmt, als so generalisierend zu verstehen ist, dass Abtretungsverbote per se unwirksam sind. Dies würde bedeuten, dass man wegen der AGB-Kontrolle keine Möglichkeit hätte, Abtretungsverbote wirksam zu vereinbaren. Letztlich wäre eine solche Schlussfolgerung auf der Grundlage allein einer gerichtlichen Entscheidung zu weitreichend, zumal das Urteil Interpretationsspielräume lässt. Nichtsdestotrotz zeigt die Entscheidung des OLG, dass die rechtlichen Hürden für die wirksame Vereinbarung von Abtretungsverboten hoch sind und sie sehr sorgfältig auszugestalten sind, um das Risiko überraschender oder unangemessen benachteiligender Klauseln so weit wie möglich zu verringern. Besonderes umsichtig sollte auch die Ausgestaltung einer etwaigen Regelung zu den weitergehenden Behandlungsleistungen erfolgen.

Autorin
Autorin

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß