Ab dem 1. Januar 2023 gelten für große Unternehmen neue Vorschriften
Zum 1. Januar 2023 wird das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) scharf geschaltet. Es verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder. Die rechtzeitige Vorbereitung auf die neuen Anforderungen ist also für Geschäftsleiter betroffener Unternehmen, zu denen auch Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft gehören können, ein Muss. Wir geben einen Überblick über die gesetzlichen Vorgaben und die daraus für die Praxis folgenden Konsequenzen.
2012 brannte in Pakistan, unter anderem wegen gravierender Sicherheitsmängel, eine Textilfabrik nieder. Mehr als 250 Menschen starben. Ein wichtiger Abnehmer der Fabrik war eine deutsche Textilkette. Wohl vor allem dieses tragische Ereignis setzte in Deutschland eine Diskussion über die Verantwortung inländischer Unternehmen für Rechtsverletzungen ihrer ausländischen Zulieferer und damit einen Prozess in Gang, dessen vorläufiger Abschluss der Erlass des LkSG ist. Das Ziel: deutsche Unternehmen zu zwingen, ihre Marktmacht einzusetzen, um weltweit auf die Einhaltung bestimmter Mindeststandards in den Bereichen Menschenrechte und Umweltschutz hinzuwirken. Um dies zu erreichen, erlegt das LkSG bestimmten Unternehmen Pflichten hinsichtlich ihrer Lieferketten auf. Der Begriff „Lieferketten“ bezieht sich dabei auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden.
Anwendungsbereich
Das Gesetz findet rechtsformunabhängig Anwendung auf Unternehmen, die ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben und mindestens 3.000 (ab dem 1. Januar 2023) bzw. 1.000 (ab dem 1. Januar 2024) Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Ausnahmen oder Erleichterungen für Unternehmen, die gemeinnützige, kirchliche oder mildtätige Zwecke verfolgen, sind nicht vorgesehen. Bei verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG sind grundsätzlich die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer über die Grenzen der einzelnen Rechtsträger hinweg zu addieren. Die Zahl der Arbeitnehmer wird durch eine Zählung nach Köpfen festgestellt, bezieht sich also nicht auf Vollzeitäquivalente.
Schutzgüter
Die Feststellung und Konkretisierung der durch das LkSG geschützten Rechtspositionen ist wegen der im Gesetz gewählten Regelungsmethode durchaus anspruchsvoll. Der Schutz erstreckt sich unter anderem auf den Arbeitsschutz, das Recht, sich Gewerkschaften anzuschließen, das Diskriminierungsverbot (etwa wegen Abstammung, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung etc.), das Verbot der Kinderarbeit und das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns.
Pflichten
Um zu verhindern, dass es in den Lieferketten zu Beeinträchtigungen dieser Schutzgüter kommt, müssen die vom Anwendungsbereich des LkSG erfassten Unternehmen zwingend bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen. Die Schaffung entsprechender Strukturen ist selbst dann verpflichtend, wenn solche Beeinträchtigungen unwahrscheinlich erscheinen. Zu den Sorgfaltspflichten gehören unter anderem:
- die Einrichtung eines Risikomanagements unter Verankerung in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen (zu überwachen durch eine zuständige Stelle im Unternehmen, etwa einen Menschenrechtsbeauftragten) und die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
- die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie durch die Unternehmensleitung,
- die Verankerung, regelmäßige Überprüfung und Anpassung von Präventionsmaßnahmen,
- das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Verstößen,
- die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, das von unabhängigen Personen, die Gewähr für unparteiisches Handeln bieten, durchgeführt wird, sowie
- die Wahrung bestimmter Dokumentations- und Berichtspflichten.
Die vom LkSG erfassten Unternehmen sind verpflichtet, sämtliche Verstöße gegen die geschützten Rechtsgüter im eigenen unmittelbaren Verantwortungskreis abzustellen. Überdies werden sie in gewissem Maße verpflichtet, ihre Lieferketten zu untersuchen und zu überwachen. Bei sämtlichen unmittelbaren Zulieferern (also solchen, mit denen ein Vertragsverhältnis besteht) müssen Risiken für die geschützten Rechtsgüter analysiert werden. Bei mittelbaren Zulieferern (z. B. Zulieferern der unmittelbaren Zulieferer) besteht keine generelle Überwachungspflicht, allerdings wird ein Pflichtenkatalog aktiviert, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung eines Schutzgutes möglich erscheinen lassen.
Treten Verstöße bei unmittelbaren oder mittelbaren Lieferanten auf, muss der Nachweis geführt werden können, dass sich das Unternehmen ernstlich um die Abstellung der Rechtsverstöße bemüht. Als ultima ratio kann das Unternehmen auch verpflichtet sein, betroffene Lieferbeziehungen zu beenden.
Rechtliche Risiken
Zur Durchsetzung der Einhaltung des LkSG können Zwangsgelder in Höhe von bis zu 50.000 € verhängt werden. Ferner drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 8 Mio. € oder, bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Mio. €, von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes. Im Fall bestimmter Verstöße soll das Unternehmen bis zu drei Jahre oder jedenfalls bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung nach § 125 GWB von der Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Zuständig für die Kontrolle und Durchsetzung des LkSG ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dieses richtet derzeit eine neue Außenstelle ein, die sich offenbar spezifisch mit dieser Aufgabe befassen soll. Mit einer Überprüfung und Durchsetzung der Einhaltung des LkSG ist daher zu rechnen.
Praxis
Auch für betroffene Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist es zwingend erforderlich, bestimmte Personen damit zu betrauen, die Erfüllung der Pflichten nach dem LkSG sicherzustellen, und gegebenenfalls externe Unterstützung anzufordern. Nicht zu unterschätzen ist die gegebenenfalls erforderliche Anpassung bzw. Neuverhandlung von Verträgen mit unmittelbaren Zulieferern. Das LkSG enthält die Verpflichtung, die Wahrung seiner Vorgaben mit unmittelbaren Zulieferern auch entlang ihrer Lieferkette vertraglich zu regeln. Zudem sind Kontrollmechanismen zur Sicherung der Umsetzung zu vereinbaren.
Auf keinen Fall wird es genügen, lediglich bestimmte Formalien zu erfüllen. Die Risikoanalyse und die Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie sind wichtig, aber das bloße Vorhalten von Standardpapieren in der Schublade wird bei weitem nicht ausreichen, um die neuen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Das LkSG verlangt ständig zu aktualisierende Maßnahmen und deren fortlaufende Protokollierung. Es gelten die Grundsätze der Angemessenheit und der Effektivität: Die Pflichten richten sich auf effektive Maßnahmen in angemessenem Umfang. Die ergriffenen Maßnahmen sind folglich regelmäßig auf ihre Effektivität hin zu evaluieren und bei Mängeln zu verbessern. Um dem Gebot der Angemessenheit zu genügen, sind – je nach den Verhältnissen – unter Umständen auch neue Stellen zu schaffen, Personalschulungen durchzuführen, neue Infrastrukturen zu errichten, Lieferverträge anzupassen oder im Extremfall auch Lieferbeziehungen zu beenden. Es lassen sich also keine generellen Aussagen zu „ausreichenden“ Maßnahmen treffen. Die Bewertung erfolgt stets anhand der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der spezifischen Risiken und Möglichkeiten des Unternehmens.
Fazit
Zwar ist anerkannt, dass Unternehmen grundsätzlich zu angemessenen Compliance-Maßnahmen verpflichtet sind. Gesetzlich wurden solche Pflichten bisher jedoch kaum konkretisiert. Das LkSG enthält nun, bezogen auf einen bestimmten Bereich von Rechtsgütern, recht konkrete Mindestvorgaben. Man kann die hinter dem LkSG stehenden politischen Zielsetzungen gutheißen, dennoch ist schon jetzt erkennbar, dass das Gesetz vielerorts als Zumutung empfunden wird. Des ungeachtet müssen die geforderten Maßnahmen zügig umgesetzt werden – nicht zuletzt wegen der drohenden Sanktionen. Hier wird an verschiedenen Stellen beachtlicher Aufwand entstehen. Wichtig für die Vermeidung von Haftungsfällen ist es, jegliche Maßnahmen akribisch zu protokollieren. Bei Fragen zu den angesprochenen Themen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.