Versammlungen in der Corona-Pandemie – Satzungspflicht oder rechtsmissbräuchlich?

Am 20. Dezember 2020 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass auch ausdrücklich von der Satzung angeordnete jährliche Mitgliederversammlungen nicht abgehalten werden müssen – siehe dazu die Ausführungen von Rechtsanwalt Sven Schiffner. Kurz zuvor hatte das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 23. November 2020 – 31 WX 405/20 – dagegen die Durchführung von Versammlu

OLG München stellt klar: Auch in der Pandemie kann eine Pflicht zur Durchführung einer Mitgliederversammlung bestehen.

 

Am 20. Dezember 2020 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass auch ausdrücklich von der Satzung angeordnete jährliche Mitgliederversammlungen nicht abgehalten werden müssen – siehe dazu die Ausführungen von Rechtsanwalt Sven Schiffner. Kurz zuvor hatte das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 23. November 2020 – 31 WX 405/20 – dagegen die Durchführung von Versammlungen gestärkt, indem es entschied, dass das Verlangen der Einberufung einer außerordentlichen Delegiertenversammlung eines Vereins (§ 37 Abs. 1 BGB) nicht rechtsmissbräuchlich ist, auch nicht unter der Annahme, dass die Abhaltung der Versammlung aufgrund der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden behördlichen Einschränkungen als Präsenzveranstaltung möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt gestattet ist.

Satzungsmäßiges Quorum als Streitfrage für Einberufung der Delegiertenversammlung

Dem Urteil war ein wohl heftiger Streit innerhalb eines Rassehunde-Zuchtvereins vorangegangen. Der Verein verfügt über einen größeren Vorstand namens „Präsidium“ bestehend aus drei Präsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Unter Federführung eines Vorstandsmitgliedes hat eine Reihe von weiteren Vereinsmitgliedern auf Basis der Satzung verlangt, eine außerordentliche Delegiertenversammlung abzuhalten. Auf dieser sollten insbesondere der erste und zweite Präsident sowie die Ehrenräte des Vereins abgewählt und eine Entscheidung des Ehrenrates kassiert werden; ferner sollten dann Ergänzungswahlen durchgeführt werden. Als Gründe angegeben wurden ein „erheblich erschüttertes Vertrauensverhältnis“ zu den angegriffenen Vorständen aufgrund der finanziellen Situation des Vereins sowie Vergehen gegen das Tierschutzgesetz und diverse „Zuchtvergehen“.

Es entstand ein Streit über die Frage des satzungsmäßigen Quorums für die Einberufung einer Delegiertenversammlung durch den Vorstand, über die Frage der Zulässigkeit der angestrebten Tagesordnungspunkte und vor allem über die Frage, ob eine Präsenzveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie überhaupt zulässig sei.

Beschwerde in zweiter Instanz nicht erfolgreich

Das zuerst angerufene Amtsgericht ermächtigte die beantragenden Vorstände, die Delegiertenversammlung mit der beantragten Tagesordnung einzuberufen, wogegen sich der Verein durch den angegriffenen Vorstand im Rahmen einer Beschwerde wandte. Die Beschwerde hatte auch in zweiter Instanz beim OLG München keinen Erfolg:

Zunächst einmal stellte das OLG fest, dass die Vorstände, welche die Einberufung wünschten, das satzungsgemäße Quorum erreicht haben – ein Einzelfall, der vorliegend mangels Allgemeingültigkeit keiner weiteren Erörterung bedarf. Schon interessanter ist dagegen der Umstand, dass nach Auffassung des Gerichts weder das zuständige Vereinsorgan noch das Gericht die sachliche Zweckmäßigkeit der Mitgliederversammlung in Hinblick auf die angestrebten Tagesordnungspunkte zu prüfen habe. Insbesondere sei die Abwahl von Vorständen zulässig, auch wenn dies gemäß der Satzung dem Ehrenrat vorbehalten sei. Nach § 27 Abs. 2 S. 1 BGB ist die Bestellung des Vorstands jederzeit widerruflich, die Vorschrift ist nicht dispositiv. Da die Delegiertenversammlung für die Wahl zuständig ist, steht ihr auch das Abwahlrecht zu – selbst wenn ein weiteres Organ hierzu durch die Satzung ermächtigt wird.

Das Gericht hat ferner entschieden, dass ein möglicher Rechtsmissbrauch auch nicht in der Tatsache begründet ist, dass die Abhaltung einer Delegiertenversammlung aufgrund der behördlichen Einschränkungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt gestattet ist. Das Gericht konstatiert, dass die behördlichen Vorgaben sich so schnell wandeln können, dass in absehbarer Zeit eine Delegiertenversammlung auch als Präsenzveranstaltung wieder möglich sein kann. Außerdem verweist das Gericht auf die Abweichungsmöglichkeiten von der Regelung des § 32 BGB gemäß § 5 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG), wonach die Möglichkeiten einer virtuellen (oder schriftlichen) Delegiertenversammlung besteht.

Fazit zur Durchführung von Mitgliederversammlungen in der Corona-Pandemie

Durch das Urteil sah es einen Moment lang so aus, als habe die Abhaltung einer Mitgliederversammlung höchste Priorität – egal ob sie sinnvoll, notwendig oder praktisch durchführbar wäre. Der uneingeschränkte Verweis des OLG München auf die virtuelle Versammlung und die schriftliche Beschlussfassung nach § 5 Abs. 2 und Abs. 3 COVMG legte damit auch den Schluss nahe, dass auch die satzungsmäßige jährliche Versammlung nicht ohne weiteres verzichtbar wäre. Die neuerliche Anpassung des COVMG ist damit genau rechtzeitig gekommen, Rechtsklarheit zu schaffen:

Mitgliederversammlungen müssen nicht um jeden Preis abgehalten werden – sie müssen gesundheitlich vertretbar und technisch durchführbar sein. Gleichwohl bleibt vom Beschluss des OLG München: Ist „Gefahr im Verzug“ und sieht dies zumindest das qualifizierte Quorum so, kann auch dieses Recht trotz COVID (im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten) durchgesetzt und nicht leicht mit dem Verweis auf ein Risiko abgewehrt werden – diesen Schluss wird man trotz der jüngsten Gesetzesänderung aus dem Beschluss auch weiter ziehen müssen.

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