Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren.
Im September 2020 hat der Bundesrat den Kabinettsentwurf des Justizministeriums zum Verbandssanktionengesetz gebilligt. Künftig sollen Straftaten aus Unternehmen durch eine strafrechtliche Haftung der dahinterstehenden juristischen Person sanktioniert werden. Basierend auf der Kritik seines Rechts- und Wirtschaftsausschusses forderte der Bundesrat allerdings weitere umfassende Änderungen des Gesetzentwurfes. Insbesondere sollten die finanziellen Auswirkungen der Regelungen auf kleine und mittlere Unternehmen geprüft werden. Am 21. Oktober 2020 hat schließlich die Bundesregierung den Entwurf in den Bundestag eingebracht. Die Änderungsvorschläge des Bundesrates wurden teilweise verworfen, zum Teil sollen sie im Bundestag diskutiert werden.
Im Unterschied zum Referentenentwurf fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes nun lediglich solche Unternehmen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Dabei kommt dem Gemeinnützigkeitsstatus jedoch bislang nur Indizwirkung zu. Entscheidend ist, dass der Zweck unter Zugrundelegung der Satzung ideell und nicht wirtschaftlich ist. Insoweit wäre die Anwendung des Verbandssanktionengesetzes für Stiftungen, aber auch gemeinnützige GmbH und AG nach dem aktuellen Regierungsentwurf im Einzelfall zu prüfen.
Gesetzentwurf: Mangel an klaren Formulierungen
Ein fundamentaler Mangel des Gesetzentwurfes ist die in vielen Teilen unklare und unbestimmte Formulierung der gesetzlichen Regelungen. Unklar ist allein schon, welche Personen unter die Definition der „Leitungsperson“ fallen, die ein etwaiges Organisationsverschulden zu verantworten hat, und worin genau das vorwerfbare Verhalten bei einer „Verbandstat“ liegt. Zudem sieht der Gesetzentwurf eine weite Zurechnung des Fehlverhaltens Einzelner vor, ohne dass es auf ein Organisationsverschulden des Unternehmens ankommt. Auch ist nicht ersichtlich, welche konkreten Vorkehrungen „angemessen“ sind und von den Unternehmen getroffen werden müssen, um sich rechtskonform zu verhalten und Sanktionen zu vermeiden.
Keine Differenzierung bei der Schwere der Tat
Mangels einer klaren Differenzierung bezüglich der Schwere der Verbandstat wird die Bemessung der Sanktion allein in das Ermessen der Behörden gestellt. Zwar sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit einer Strafmilderung bei Mitwirkung des Unternehmens an internen Untersuchungen vor. Allerdings werden hierfür einerseits sehr hohe und andererseits zu unbestimmte Hürden gesetzt. Aufgrund der geforderten funktionalen Trennung zwischen der Person, welche die internen Untersuchungen durchführt, und dem Verteidiger des Unternehmens ist die Durchführung verbandsinterner Untersuchungen mit hohen Kosten für das Unternehmen verbunden.
Zusammenarbeit für Strafmilderung unklar
Eine Strafmilderung kommt zudem nur bei einer ununterbrochenen und uneingeschränkten Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden in Betracht. Wie die Zusammenarbeit im Detail erfolgen muss, um in den Genuss einer Strafmilderung zu kommen, ist dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen. Insoweit ist fraglich, ob ein Unternehmen in der Praxis tatsächlich den hohen Aufwand bei einer Mitwirkung an internen Untersuchungen in Kauf nehmen wird, wenn im Gegenzug nicht klar erkennbar ist, welche konkreten Vorteile ihm daraus erwachsen. Auch werden Rechte und Pflichten der Beteiligten im Gesetzentwurf bislang nicht ausreichend klar formuliert. Fraglich ist zudem, ob die vorgesehene öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung eines Verbands tatsächlich erforderlich ist und eine damit einhergehende Prangerwirkung gerechtfertigt werden kann.
Fazit zum Gesetzentwurf für das Verbandssanktionengesetz
Inwieweit die Weichen im parlamentarischen Verfahren tatsächlich noch neu gestellt werden und ob das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass ein gut funktionierendes Compliance Management System nicht nur ein präventives Mittel zur Sicherstellung rechtstreuen Verhaltens in Unternehmen sein kann, sondern nach dem Gesetzentwurf auch an Bedeutung gewinnt, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Daher sollten Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, ihre internen Organisationsprozesse zu überprüfen und gegebenenfalls den rechtlichen Vorgaben anzupassen.