EuGH-Urteil zur Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen

Der EuGH hat mit Urteil vom 21. Oktober 2021 – C-373/19 – erneut entschieden, dass der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ eng auszulegen ist. Der von einer Schwimmschule erteilte Schwimmunterricht wird davon nicht umfasst und ist somit nicht nach Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit.

 

Urteil mit weitreichenden Folgen auch für andere Schulbetriebe?

Der EuGH hat mit Urteil vom 21. Oktober 2021 – C-373/19 – erneut entschieden, dass der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ eng auszulegen ist. Der von einer Schwimmschule erteilte Schwimmunterricht wird davon nicht umfasst und ist somit nicht nach Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit.

Da die Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG nicht mit dem Unionsrecht im Einklang stehen, konnten sich Bildungseinrichtungen bislang bei der Steuerbefreiung ihrer Bildungsleistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der MwStSystRL berufen. Bis zum EuGH-Urteil vom 14. März 2019 (C-449/17) zur Steuerfreiheit von Fahrschulunterricht wurde diese Steuerbefreiung recht weit ausgelegt, so dass nahezu jede Form des Unterrichts von der Steuerbefreiung umfasst wurde, sofern sie nicht der bloßen Freizeitgestaltung diente. Mit dem Urteil vom 14. März 2019 ist der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ bereits deutlich enger gefasst worden, und mit dem aktuellen Urteil vom 21. Oktober 2021 hat der EuGH die Voraussetzungen der MwStSystRL noch weiter konkretisiert.

Im zugrunde liegenden Fall führte die von einer GbR betriebene Schwimmschule Schwimmkurse verschiedener Niveaus mit typischen Unterrichtsangeboten wie der Abnahme des „Seepferdchen-Abzeichens“ durch. Da derartige Leistungen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung nach§ 4 Nr. 21 UStG fallen, berief sich die GbR auf die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL, wonach dem Gemeinwohl dienender Schul- und Hochschulunterricht durch Privatlehrer von der Umsatzsteuer befreit ist.

In Bezug auf Art. 132 MwStSystRL führt der EuGH aus, dass nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Befreiung umfasst sind, sondern nur die in der Vorschrift einzeln genannten und aufgeführten. Diese aufgeführten Tätigkeiten stellen wiederum autonome unionsrechtliche Begriffe dar, die eng auszulegen sind. Der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ verweise dabei auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler bzw. Studenten, je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf verschiedenen Stufen des Systems. Beim Schwimmunterricht handle es sich indes um einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht, der für sich allein nicht der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkomme, welche für den „Schul- und Hochschulunterricht“ kennzeichnend seien. Somit sei der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der MwStSystRL so auszulegen, dass der von einer Schwimmschule erbrachte Schwimmunterricht hiervon nicht umfasst ist.

Fazit

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen haben – auch über den dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt des Schwimmunterrichts hinaus. So erscheint es in Anbetracht der Urteilsbegründung fraglich, ob beispielsweise Sprach- oder Musikschulen ein breites und vielfältiges Wissensspektrum vermitteln oder nicht vielmehr spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht erbringen und somit zukünftig noch von der Steuerbefreiung erfasst werden. Auch die von steuerbegünstigten Körperschaften in Anspruch genommene Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22 UStG könnte im Lichte der EuGH-Entscheidung zukünftig deutlich enger ausgelegt werden. Im Schrifttum wird hier für einzelne Sachverhalte aufgrund von Abschnitt 4.22.1 Abs. 4 UStAE von einem Vertrauensschutz ausgegangen. In einem finanzgerichtlichen Verfahren könnte die Befreiung zukünftig allerdings auch versagt werden. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten, ebenso die Reaktion des deutschen Gesetzgebers zur Anpassung der Umsatzbesteuerung von Bildungsleistungen an das Unionsrecht, die bisher nicht umgesetzt wurde.
 

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