Kann eine unselbstständige Stiftung Leistungsempfängerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein?

In seinem Urteil aus Mai 2022 hat das Finanzgericht Münster zu der Frage Stellung genommen, ob eine unselbstständige Stiftung Leistungsempfängerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sein kann.

 

FG Münster verneint umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch

In seinem Urteil vom 5. Mai 2022 – 5 K 1753/20 U – hat der 5. Senat des Finanzgerichts (FG) Münster zu der Frage Stellung genommen, ob eine unselbstständige Stiftung Leistungsempfängerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sein kann.

Bei einer unselbstständigen Stiftung (auch Treuhandstiftung) überträgt der Stifter ein Vermögen an eine natürliche oder juristische Person (Stiftungsträger) als Sondervermögen, welches gesondert zu verwalten und nicht mit eigenem Vermögen zu vermischen ist, mit der Auflage, die Erträge daraus treuhänderisch zu verwalten. Dabei darf der Stiftungsträger die Erträge nur für die vom Stifter – beispielsweise in einer Satzung – festgelegten Stiftungszwecke einsetzen. Die unselbständige Stiftung ist keine juristische Person und somit nicht rechtsfähig, so dass sie (zivilrechtlich) nur durch ihren Stiftungsträger am Rechtsverkehr teilnehmen kann.

Der Fall

Der Entscheidung des FG Münster lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein gemeinnütziger Verein ist unter anderem Träger von rund 20 unselbstständigen (nichtrechtsfähigen) Stiftungen, die der Verein teils aus überwiegend eigenem Vermögen selbst geschaffen und teils durch Stiftungsgeschäft mit dritten Stiftern gegründet hat. Soweit die Stiftungen mit dritten Stiftern begründet wurden, erfolgte die Gründung in Form von Schenkungen unter Auflagen. Bei Auflösung der nichtrechtsfähigen Stiftungen soll das Vermögen nicht auf den jeweiligen Stifter zurückübertragen, sondern vom Verein für gemeinnützige Zwecke verbraucht werden. Die selbstgeschaffenen unselbstständigen Stiftungen des Streitfalles waren operativ im Rahmen ihrer gemeinnützigen Zwecke tätig. Das Personal war allerdings bei dem Verein als Stiftungsträger mit dem Zusatz des Einsatzes für die jeweilige unselbständige Stiftung angestellt. Die entsprechenden Personalaufwendungen wurden vom Verein mit der jeweils verursachenden nichtrechtsfähigen Stiftung verrechnet. Außerdem war der Verein aufgrund einer „Beitragsordnung“ berechtigt, aus den jeweiligen Stiftungsvermögen der unselbstständigen Stiftungen einen jährlichen „Kostenbeitrag“ für den entstandenen Verwaltungsaufwand und die eigene gemeinnützige Tätigkeit zu entnehmen.

Das Finanzamt nahm sowohl hinsichtlich der Personalüberlassung gegen Entgelt als auch hinsichtlich der Beiträge für die Verwaltung des Stiftungsvermögens einen umsatzsteuerbaren und mangels Eingreifens einer Befreiungsvorschrift umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen dem Verein und den unselbstständigen Stiftungen an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Verein Klage gegen die entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen.

Die Entscheidung

Der 5. Senat des FG Münster gab dem Verein in vollem Umfang recht. Nach seiner Auffassung fehlt es sowohl im Hinblick auf den Personalkostenersatz als auch im Hinblick auf die Beiträge für die Verwaltung des Stiftungsvermögens an einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis. Ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch beruhe in der Regel auf einem zivilrechtlichen Vertrag und setze grundsätzlich mindestens zwei Personen voraus. Eine nichtselbständige Stiftung sei aber kein tauglicher Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis. Sie sei zivilrechtlich nicht rechtsfähig und könne daher nicht selbständig Trägerin von Rechten und Pflichten sein – und damit auch nicht Partei eines zivilrechtlichen Vertrages für einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch. Insoweit liege praktisch nur eine Person vor und nicht zwei, so dass ein nicht umsatzsteuerrelevanter Binnenumsatz im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG anzunehmen sei. Zudem gehöre das Stiftungsvermögen zum zivilrechtlichen und auch vollstreckungsrechtlichen Vermögen des Vereins als Stiftungsträger. Auch hinsichtlich der Beiträge für die Verwaltung des Stiftungsvermögens liege kein Leistungsaustausch zwischen dem jeweiligen Stifter und dem Verein als Stiftungsträger vor. Aufgrund der im Streitfall vorliegenden Gestaltung als Schenkung unter Auflage sei das Stiftungsvermögen bei Gründung endgültig in das Vermögen des Vereins als Stiftungsträger übergegangen, der dieses als eigenes Vermögen im eigenen Interesse und nicht „im entgeltlichen Auftrag“ für den Schenker bzw. Stifter verwalte.

Praxis-Hinweis

Die Entscheidung des FG Münster ist insoweit bemerkenswert, als der 5. Senat hier aufgrund einer ausschließlich zivilrechtlichen Argumentation zu einer steuerrechtlichen Schlussfolgerung gelangt. Da allerdings das Steuerrecht nicht immer der Logik des Zivilrechts folgt, bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof die Entscheidung bestätigt. Insbesondere in Fällen, in welchen unselbständige Stiftungen einen hohen Grad an Verselbständigung aufweisen, könnte sicherlich auch eine andere umsatzsteuerliche Einschätzung vertretbar sein. Der 5. Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

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