Umsatzsteuerfreiheit in Sport und Kultur: Unmittelbare Berufung auf EU-Recht funktioniert nicht mehr

Mit seinem Urteil vom 21. April 2022 zur Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen eines Sportvereins hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben.

 

BFH gibt seine bisherige Rechtsprechung auf

Mit seinem Urteil vom 21. April 2022 – V R 48/20 (V R 20/17) – zur Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen eines Sportvereins hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zur unmittelbaren Berufung auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) aufgegeben. Bislang war die nationale Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich Steuerpflichtige unmittelbar auf die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL genannte Befreiung berufen können, wenn das nationale Recht an dieser Stelle zu einer die Befreiung einschränkenderen Formulierung greift.

In dem entschiedenen Fall hatte sich ein Golfverein unmittelbar auf das EU-Recht berufen und Gebühren für zusätzliche Leistungen – entgegen der Regelung im deutschen Umsatzsteuerrecht – als umsatzsteuerfrei angesehen und ist mit dieser Einschätzung schließlich vor dem BFH gescheitert.

Bereits in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2020 – C-488/18 – hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Vorabentscheidungsersuchen des BFH geurteilt, dass die Umsatzsteuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL für in engem Zusammenhang mit Sport stehende Leistungen keine unmittelbare Wirkung entfaltet, da sie bereits dem Wortlaut nach begrenzt ist und somit den Mitgliedsstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen bietet. Inwieweit ein Mitgliedsstaat von diesem Spielraum Gebrauch macht, obliegt ebendiesem. Gleiches gilt auch für die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs.1 Buchst. n MwStSystRL für kulturelle Dienstleistungen von Körperschaften öffentlichen Rechts und anderer von dem jeweiligen Mitgliedsstaat anerkannter Einrichtungen, da dieser in der Formulierung gleichläuft.

Laut dem obengenannten BFH-Urteil kann sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben daher nicht auf die Umsatzsteuerbefreiung für Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehen, berufen. Damit ist die deutsche Regelung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG, die die Umsatzsteuerbefreiung nur bestimmten Leistungserbringern vorbehält und die Leistungen zusätzlich auf sportliche und kulturelle Veranstaltungen einschränkt, künftig zwingend anzuwenden.

Neben dieser einengenden Auslegung beinhaltet das Urteil auch eine weitergehende Bestimmung des Begriffs der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“. Um die nationale Befreiungsnorm EU-richtlinienkonform auszulegen, muss es sich bei dem Leistungserbringer um eine Einrichtung handeln, die während ihres Bestehens und im Fall ihrer Auflösung die von ihr erzielten Gewinne nicht an ihre Mitglieder oder Gesellschafter verteilen darf, soweit diese die eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert der geleisteten Sacheinlagen übersteigen. Denn andernfalls könnte eine solche Einrichtung die Anforderung dadurch umgehen, dass sie nach ihrer Auflösung die durch ihre gesamten Tätigkeiten erzielten Gewinne an ihre Mitglieder oder Gesellschafter auskehrt, obwohl sie während ihres Bestehens die steuerlichen Vorteile für Einrichtungen ohne Gewinnstreben in Anspruch genommen hat.

Relevant kann die unionsrechtliche Definition der Einrichtung ohne Gewinnstreben damit auch für die nationale Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG von Sozialleistungen oder auch für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG von Betreuungsleistungen von Kindern und Jugendlichen sein. Mit der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 2019 gelten diese Befreiungsvorschriften nur für Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Die nationale Bezeichnung einer Einrichtung, die keine systematische Gewinnerzielung anstrebt, und der unionsrechtliche Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben sind synonym zu verstehen.

Fazit

Die bisher übliche Praxis, sich im Falle einer deutlich engeren Auslegung der EU-Vorschriften im nationalen Recht auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen zu können, ist nicht mehr uneingeschränkt gegeben. Vielmehr hat der EuGH aufgezeigt, dass für die Mitgliedsstaaten in manchen Fällen, wie auch hier, ein Ermessensspielraum besteht. Der BFH hat seine Rechtsprechung entsprechend korrigiert.

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