Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen

Durch das Jahressteuergesetz 2019 wurde mit § 4 Nr. 29 UStG eine Steuerbefreiung für sonstige Leistungen eingeführt, die von selbständigen im Inland ansässigen Personenzusammenschlüssen an ihre im Inland ansässigen Mitglieder erbracht werden und unmittelbar deren nicht steuerbaren oder nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG steuerfreien Umsätzen dienen. Die bisherige Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe d UStG für Personenzusammenschlüsse im medizinischen Bereich wurde aufgehoben.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun in seinem Schreiben vom 19. Juli 2022 – III C 3 - S 7189/20/10001 :001 – zu der Neuregelung Stellung genommen und die entsprechenden Voraussetzungen der Anwendung genauer definiert.

Bei dem betreffenden Personenzusammenschluss muss es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Mitglieder zur Erreichung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Ziels handeln (z. B. die Erbringung von Dienstleistungen). Dieser Personenzusammenschluss muss ein selbständiger Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sein. Eine reine Vereinbarung zur Kostenteilung mehrerer Personen (Unternehmer oder Nicht-Unternehmer) reicht nicht aus. Auf die Rechtsform des Personenzusammenschlusses kommt es nicht an. Demnach kann es sich z. B. um Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine oder juristische Personen des öffentlichen Rechts handeln. Ausdrücklich ausgeschlossen sind jedoch Stiftungen.

Der Personenzusammenschluss muss seine Leistungen gegenüber einem oder mehreren Mitgliedern erbringen, ohne dass sie gegenüber jedem Mitglied in gleichem Umfang zu erfolgen haben. Es können auch Leistungen an Nicht-Mitglieder erbrachten werden; diese fallen jedoch nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG. Die sonstigen Leistungen des Personenzusammenschlusses müssen unmittelbar beim jeweiligen Mitglied zur Ausführung der begünstigten Zwecke eingesetzt werden. Das BMF nennt beispielhaft die zentrale Beschaffung und Überlassung von medizinischen Geräten durch ärztliche Praxis- und Apparategemeinschaften, die bisher unter die Regelung des § 4 Nr. 14d UStG a. F. fielen. Außerdem sollen auch Labor- und Röntgenuntersuchungen sowie andere medizinisch-technische Hilfeleistungen, die von solchen Gemeinschaften erbracht werden, unter die Steuerbefreiung fallen. Ebenso werden speziell auf die Mitglieder zugeschnittene IT-Dienstleistungen(Bereitstellung von IT-Infrastruktur, Betrieb, Betreuung und Administration) als begünstigt angesehen, während allgemeine Verwaltungsleistungen wie die Buchführung, die Eingabe und Pflege von Stammdaten oder die Erstellung und Verarbeitung von Rechnungen als nicht steuerbefreit zu beurteilen sind.

Auch allgemeine Reinigungs- und Verpflegungsleistungen sowie Personalgestellungen und Raumüberlassungen fallen nicht unter die Steuerbefreiung.

Durch eine Befreiung nach § 4 Nr. 29 UStG darf es nicht zu einem Wettbewerbsnachteil für andere Marktteilnehmer kommen. Indizien für eine zweckwidrige Anwendung können nach Ansicht des BMF folgende Szenarien sein:

  • die Ausnutzung erheblicher Synergieeffekte, wenn Leistungen in großem Umfang entgeltlich auch an Nichtmitglieder erbracht werden,
  • die Verlagerung von externen beliebigen Leistungen auf den Personenzusammenschluss, ohne dass diese besonders auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten sind,
  • der Umstand, dass bei dem Zusammenschluss allein die Optimierung der umsatzsteuerlichen Belastung im Vordergrund steht.

Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung besteht in der genauen Kostenerstattung durch die Mitglieder – der Personenzusammenschluss darf keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen.

Die Höhe der Kostenerstattung kann durch eine aufwandsbezogene Kostenzuordnung (Kostenzurechnungsmethode) ermittelt werden, indem das Entgelt für die Leistung daran bemessen wird, in welchem Umfang die sonstigen Leistungen durch die Mitglieder in Anspruch genommen werden. Daneben ist auch eine Kostenaufteilung nach der Anzahl der Mitglieder oder anhand der Höhe der Beteiligung an dem Personenzusammenschluss möglich. Pauschale Aufschläge auf die umgelegten Kosten sind nicht zulässig. Alternativ kann auch eine jährliche Umlage zur Deckung des Finanzierungsbedarfs erhoben werden, sofern bei Überzahlung ein satzungsgemäß festgelegter Rückzahlungsanspruch des Mitglieds besteht. Schließlich ist es nach Ansicht des BMF auch möglich, dass der Zusammenschluss die auf ein Mitglied entfallenden Kosten im Wege des abgekürzten Zahlungsweges im Namen des Mitglieds mit einem Dritten direkt abrechnet.

Praxis-Hinweis

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass das BMF-Schreiben die im Gesetz genannten Begriffe „Zusammenschlüsse von Personen“ und „Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten“ genauer definiert. Bei der Beurteilung der begünstigten Leistungen dürften jedoch das Erfordernis der Unmittelbarkeit und die Einschränkungen im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen weiterhin zu Abgrenzungsfragen führen. Zudem beziehen sich die im BMF-Schreiben genannten Beispiele im Wesentlichen auf den Krankenhaussektor. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Vorschrift jedoch auch im Bereich der Alten-, Eingliederungs- und Jugendhilfe sowie bei Bildungseinrichtungen anwendbar. Zu beachten ist, dass unter die Regelungen nur sonstige Leistungen fallen. Lieferungen von Gegenständen durch den Personenzusammenschluss an seine Mitglieder fallen nicht darunter. Daher findet die Befreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 29 UStG beispielsweise auf den Betrieb eines Zentrallagers durch mehrere steuerbegünstigte Körperschaften außerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft oder auf Einkaufsgenossenschaften keine Anwendung.

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