Seelsorgerische Betreuung durch einen kirchlichen Verein kann umsatzsteuerfrei sein

Nach § 4 Nr. 27 a UStG ist die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für bestimmte Tätigkeiten und Zwecke eine steuerfreie Leistung. Das Finanzgericht (FG) Münster hat in seinem Urteil vom 20. Mai 2021 – 5 K 730/19 U – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass gemeinnützige Vereine „religiöse und weltanschauliche Einrichtunge

 

Nach § 4 Nr. 27 a UStG ist die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für bestimmte Tätigkeiten und Zwecke eine steuerfreie Leistung. Das Finanzgericht (FG) Münster hat in seinem Urteil vom 20. Mai 2021 – 5 K 730/19 U – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass gemeinnützige Vereine „religiöse und weltanschauliche Einrichtungen“ im Sinne dieser Vorschrift sein können.
 

Der Fall

Der Kläger ist eine landeskirchliche Gemeinschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, der aufgrund der satzungsgemäßen Verfolgung von kirchlichen und damit religiösen Zwecken vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt wurde. Landeskirchliche Gemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Mitgliedern verschiedener Landeskirchen. In den 1970er-Jahren wurde der Kläger Mitglied im Diakonischen Werk und gründete ein Altenheim, welches er anschließend in eigener Trägerschaft betrieb. Im Rahmen des Altenheimbetriebs erfolgte auch die geistliche Betreuung von Bewohnern durch Gottesdienste, Bibelstunden und Einzelseelsorge. Nach Verkauf des Altenheims wurde 2008 mit dem Erwerber in einem Vertrag über 20 Jahre Laufzeit vereinbart, diese seelsorgerische Betreuung durch den Verein mithilfe von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern gegen Entgelt weiter zu übernehmen. Das Finanzamt kam im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung zu der Einschätzung, es handele sich hier um Einnahmen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, die dem vollen Steuersatz von 19 % unterlägen.

Die Entscheidung

Das FG beurteilte die Durchführung des Vertrags aus 2008 als Leistungen des Vereins gegen Entgelt gegenüber dem Altenheimbetreiber. In den Dienstleistungen liege ein „verbrauchsfähiger Vorteil“, so dass die Entgelte keine echten Zuschüsse des Altenheimbetreibers darstellten.

Für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit im betreffenden Zeitraum kam es auf die Anwendbarkeit der Besteuerungsausnahme des § 4 Nr. 27 a UStG an. Entscheidend war dabei, ob es sich bei dem Verein um eine „religiöse und weltanschauliche Einrichtung“ im Sinne der Vorschrift handelt. Das Gericht gelangte zu der Auffassung, dass der Begriff der „religiösen und weltanschaulichen Einrichtung“ einer eigenständigen Auslegung im Lichte des Unionsrechts zuzuführen sei. Die Anknüpfung an nationale religionsverfassungsrechtliche Vorgaben sei unzulässig. § 4 Nr. 27 UStG diene der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben und sei daher entsprechend auszulegen. Privilegiert werden sollten demnach aber religiöse und weltanschauliche Einrichtungen, unabhängig von ihrer Rechtsform. Engere nationale Begriffsverwendungen in anderem Kontext könnten sich auf diese Auslegung nicht auswirken. Das Neutralitätsgebot des Mehrwertsteuerrechts gebiete übrigens, auch andere Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf Umsatzsteuerbefreiungen gleich zu behandeln.

Fazit

Die Entscheidung des Finanzgerichts, die nicht durch Revision angefochten wurde, erging zu einer bisher in Rechtsprechung und Literatur noch wenig erörterten Vorschrift. Diese gibt allen Körperschaften eine Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung für Personalgestellungen im geistlichen Bereich, auch wenn sie keine Körperschaften des öffentlichen und kirchlichen Rechts sind. Dies dürfte im Zuge der ab dem 1. Januar 2023 anzuwendenden Umsatzsteuerregeln für Körperschaften des öffentlichen und mithin auch kirchlichen Rechts und ihrer Kooperationen auch mit privatrechtlichen Einrichtungen erheblich an Bedeutung gewinnen.

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