Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken

Am 5. Januar 2023 ist die Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) in Kraft getreten. Darüber hinaus wurden am 31. Juli 2023 die europäischen Berichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards – ESRS) als delegierter Rechtsakt von der EU-Kommission veröffentlicht. Die ESRS fordern zukünftig vom berichtspflichtigen Unternehmen unter anderem umfassende Angaben zu den wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken und deren Integration in das Risikomanagement. Inwieweit können hier bestehende Berichts- und Organisationsstrukturen als Grundlage dienen und was haben Geschäftsführung und Aufsichtsrat zu beachten?


Risikomanagement gewinnt an Bedeutung

Nach den Vorgaben der EU-Kommission rückt das Thema Risikomanagement stärker in den Fokus der Berichterstattung. Der Lagebericht soll demnach das zugrundeliegende Risikomanagementsystem des Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken näher erläutern. Im Rahmen der Umsetzung der ESRS müssen die Träger von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen insbesondere die folgenden Kernfragen im Blick haben:

  • Welchen physischen, Übergangs- und finanziellen Risiken sind unsere Einrichtungen durch den Klimawandel ausgesetzt?
  • Sind unsere klimabezogenen Risiken in bestehende Risikomanagementprozesse integriert?
  • Für Gesundheits- und Sozialeinrichtungen sind diese Fragen von besonderer Bedeutung, da sie in hohem Maße von Nachhaltigkeitsrisiken betroffen sind; unter anderem von
  • Umweltrisiken (z. B. Naturkatastrophen, Klimawandel, Umweltverschmutzung),
  • sozialen Risiken (z. B. Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Diskriminierung) und
  • Governancerisiken (z. B. Korruption, Geldwäsche, Menschenrechtsverletzungen).

Die bisherigen Instrumente im Risikomanagement der Gesundheits- und Sozialeinrichtungen sind nicht immer geeignet, Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und zu steuern. Vor allem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen daher ihre Risikomanagementsysteme überarbeiten, mögliche Schwachpunkte erkennen und einen entsprechenden Handlungsbedarf ableiten. In der Praxis zeichnen sich folgende Maßnahmen ab:

  • Erweiterung der Risikoinventur um Nachhaltigkeitsrisiken
  • Implementierung von Prozessen und Systemen zur Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken
  • Entwicklung von Maßnahmen zur Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken

Die Anpassung des Risikomanagements an die Anforderungen der CSRD ist eine komplexe Aufgabe, die eine sorgfältige Planung und frühzeitige Umsetzung erfordert.
 

Grundlagen des Risikomanagements

In den letzten Jahren hat sich auch im Bereich der Gesundheits- und Sozialwirtschaft die grundlegende Einschätzung durchgesetzt, dass die Unternehmensführung für ein angemessenes Risikocontrolling und Risikomanagement zu sorgen hat. Die Maßnahmen müssen so eingerichtet sein, dass bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt und an die zuständigen Entscheidungsträger weitergeleitet werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch geeignete Maßnahmen zur ­Sicherung des Fortbestandes des Rechtsträgers ergriffen werden können. Auch der Aufsichtsrat muss sich ein eigenes Bild von dem erforderlichen Überwachungssystem verschaffen und dessen Wirksamkeit beurteilen. Aus der regulatorischen Entwicklung ergibt sich auch für die Träger von Krankenhäusern und Pflegeheimen die Pflicht zur Etablierung eines unternehmerischen Überwachungssystems und damit die Pflicht zur Implementierung eines Risikomanagementsystems.

Im Rahmen der Unternehmensüberwachung stellt das (nachhaltige) Risikomanagement einen wichtigen Baustein dar. Das Risikomanagement bedient sich in der Regel eines Risikomanagementsystems (RMS), das den Prozess der Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewältigung und Risikosteuerung systematisiert und dokumentiert.

Systematisierung bedeutet hierbei insbesondere, dass die Strukturen des Risikomanagements, d. h. die Aufbau- und Ablauforganisation des Systems, eindeutig definiert sind und regelmäßig gesteuert und überwacht werden. Je nach Größe und Komplexität des gemeinnützigen Trägers kann das Risikomanagementsystem umfangreicher und formalisiert ausgestaltet sein.
 

Ausgangspunkt Wesentlichkeitsanalyse

Nach den aktuellen Vorgaben der ESRS stellt die Wesentlichkeitsanalyse den Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Die Durchführung einer Bewertung der Wesentlichkeit ist demnach erforderlich, damit das Unternehmen die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen ermitteln kann. Im Umkehrschluss gilt: Unwesentliche Themen können in der Berichterstattung weggelassen werden (soweit nicht wiederum eine Pflichtangabe gemäß ESRS 2 vorliegt). Die Erkenntnisse aus der Wesentlichkeitsanalyse ermöglichen eine entsprechende Identifikation der nachhaltigkeitsbezogenen Risiken bzw. der notwendigen Anpassung des Risikomanagements.

Negative oder positive Auswirkungen, die das Unternehmen – in Bezug auf die ESG-Aspekte (Environment, Social und Governance) – auf die Umwelt und die Menschen hat oder haben könnte (sog. „Impact Materialität“), müssen in der Analyse näher betrachtet werden. In der Praxis wird auch von der sogenannten „Inside-Out-Perspektive“ gesprochen. Die Wesentlichkeit bzw. der Schweregrad der Auswirkungen wird anhand den Faktoren „Ausmaß“, „Umfang“ und „Unabänderlichkeit“ bestimmt. In der Praxis hat sich bewährt, die im ESRS 1 abgebildete Themenliste als Grundlage zu verwenden und pro Thema die jeweilige (aktuelle/zukünftige) Relevanz zu prüfen.

Im Rahmen der weiteren Analyse müssen die gleichen Themen auch im Hinblick auf die finanzielle Materialität überprüft werden. Demnach ist ein ESG-Aspekt zu betrachten, wenn er wesentliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen hat (oder dies erwartet wird). Risiken und Chancen, die sich innerhalb von kurz-, mittel- und/oder langfristigen Zeithorizonten unter anderem wesentlich auf Cashflows, Kapitalkosten und Immobilien auswirken, müssen näher betrachtet werden. In der Praxis wird auch von der sogenannten „Outside-In-Perspektive“ gesprochen. Die Wesentlichkeit dieser (finanziellen) Risiken und Chancen wird anhand einer Eintrittswahrscheinlichkeit (Skala: von „keine“ bis „sicherer Eintritt“) und dem potenziellen Ausmaß der finanziellen Auswirkungen (von „keine“ bis „Bestandsgefährdung“) bewertet.

ESRS 1 legt fest, dass das Unternehmen für die wesentlichen Aspekte seine Richtlinien, Maßnahmen und Ziele zur Bewältigung dieser Auswirkungen offenlegen muss. Falls das Unternehmen noch keine Richtlinien oder Ziele umgesetzt hat, ist darzulegen, wann und wie eine Umsetzung erfolgen wird. Am Ende der Wesentlichkeitsanalyse sollte daher immer eine Priorisierung der wesentlichen Handlungsfelder stehen, die entsprechend Eingang in das Risikomanagement finden.
 

Risikobetrachtung im Immobilienbestand

Durch die Umsetzung der CSRD und der Taxonomie-Verordnung sind die betroffenen Einrichtungsträger verpflichtet, bis 2025 eine umfassende energetische Betrachtung der Bestandsimmobilien sowie der notwendigen Anpassungsstrategien (vor allem „Beitrag zu Klimaschutz“ und „CO2-Reduktion im Immobilienbestand und Neubau“) anzustreben.

Im Rahmen einer „robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung“ müssen auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Patienten bzw. Bewohner und den Betrieb sowie mögliche Anpassungslösungen (z. B. Gebäudekühlung, Sonnenschutzsysteme) bewerten. Diese Anpassungslösungen werden anhand vordefinierter Indikatoren überwacht und gemessen.

Unter Berücksichtigung bestimmter Leistungsindikatoren muss die trägerbezogene Klimaneutralität schrittweise im Rahmen eines langfristigen Klimaschutzfahrplans angestrebt und für Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden. Die notwendige Gesamtbetrachtung der laufenden und investiven Aufwendungen (Wirtschaftlichkeitsbetrachtung) bildet in Verbindung mit den angestrebten Emissionseinsparungen letztlich den (langfristigen) finanziellen Handlungsspielraum des Trägers ab. Aus Unternehmenssicht müssen damit frühzeitig Investitionsbedarfe und Finanzierungslücken sowie notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells (z. B. Exit, Bau von kleineren Einheiten) strategisch betrachtet und in das Risikomanagement integriert werden.
 

Soziale Risiken steuern

Nach den Vorgaben der CSRD muss die Berichterstattung zukünftig auch Angaben umfassen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung erforderlich sind. Im Rahmen der Aufbereitung der arbeitnehmerbezogenen Informationen ist insbesondere der ESRS S1 von zentraler Bedeutung. Anhand von normierten Offenlegungspflichten sollen die Adressaten des Nachhaltigkeitsberichts in die Lage versetzt werden, eine Einschätzung der Arbeitsbedingungen sowie ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen und die Belegschaft vornehmen zu können. Hierbei müssen die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen von Chancen und Risiken auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens, die sich beispielsweise aus der Personalsituation (z. B. Fachkräftemangel) ergeben können, dargelegt werden. Ergriffene Maßnahmen zur Verhinderung oder Behebung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen auf das Unternehmen und die Belegschaft müssen beschrieben werden.

Durch den Standard ESRS S2 werden die Unternehmen zukünftig verpflichtet, Angaben über Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Mitarbeiter in der Wertschöpfungskette näher zu beleuchten. Im Kern wird angestrebt, einen Überblick über die bei den Geschäftspartnern etablierten Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte, zur Bekämpfung von Zwangs- und Kinderarbeit, zum Umweltschutz und über Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung zu erlangen. Hierzu ist insbesondere die Information, ob eine systematische Analyse der Lieferanten (z. B. Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten) erfolgt bzw. ein Verhaltenskodex für Lieferanten existiert, von zentraler Bedeutung.
 

Praxis-Hinweis

Die CSRD erweitert den Betrachtungsumfang des Risikomanagements von Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft deutlich. Zukünftig müssen auch indirekte Auswirkungen und langfristige Szenarien der Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden. Dies ist eine wichtige Herausforderung für Unternehmen, da es bedeutet, dass sie ihr Risikomanagementsystem anpassen müssen. Unternehmen sollten daher frühzeitig mit der Umsetzung der CSRD-Anforderungen beginnen.

Autor
Autor
Autor
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Freiburg
Autor
Wirtschaftsprüfer, Partner, Leitung Grundsatzabteilung, Leitung KompetenzTeam Krankenhäuser

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß