Strategische Ausrichtung von Krankenhäusern: Chancen der Ambulantisierung

Angesichts der dynamischen Lage auf dem deutschen Gesundheitsmarkt ist es für Krankenhäuser von Bedeutung, ihr bisheriges Leistungsspektrum zu analysieren und sich frühzeitig auf die absehbaren Veränderungen einzustellen, welche die (Krankenhaus-)Reformen mit sich bringen. Für die meisten Krankenhäuser wird es zu Veränderungen in Bezug auf Umsätze, Marktanteile, Wettbewerbsposition und Belegung kommen. Es stehen daher Überlegungen zur Anpassung des Leistungsportfolios, der Betriebsorganisation und Infrastruktur sowie zu Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Leistungserbringern an. In diesem Kontext sind die Themen „sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung“ und „Hybrid-DRG“ von zentraler Bedeutung.


Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung

Am 13. März 2024 wurde der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) veröffentlicht, der auch die Etablierung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen vorsieht. Es handelt sich dabei um Krankenhäuser, die im Transparenzverzeichnis unter der Versorgungsstufe Level Ii veröffentlicht werden.

Mit der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung soll eine neue Versorgungsform etabliert werden, in der wohnortnahe Behandlungen stattfinden, die im akut-stationären, ambulanten und pflegerischen Bereich angesiedelt sind. Bei dieser Versorgungsform handelt es sich um Plankrankenhäuser, die neben ihrem stationären Behandlungsspektrum sektorübergreifende Leistungen erbringen sollen. Möglich ist zudem, dass Krankenhäuser, die erstmalig in den Krankenhausplan aufgenommen werden, als sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen bestimmt werden. Die Festlegung, welche Krankenhäuser zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen werden, obliegt den Krankenhausplanungsbehörden in Absprache mit den Landesverbänden der Kranken- und Pflegekassen und erfolgt durch Bescheid. Entsprechend dem Leistungsspektrum kommt es nicht nur auf den stationären, sondern auch auf den ambulant-pflegerischen Versorgungsbedarf an.

Die akutstationären Behandlungen werden vor allem die Leistungsgruppen der Allgemeinen Inneren Medizin, der Geriatrie und der Allgemeinen Chirurgie betreffen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) sollen festlegen, welche stationären Behandlungen aus der Inneren Medizin und der Geriatrie sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen verpflichtend anbieten müssen und welche zusätzlichen stationären Leistungen sie optional aus den Leistungsgruppen der Inneren Medizin, der Geriatrie, der Allgemeinen Chirurgie oder weiteren Leistungsgruppen erbringen dürfen. Denkbar sind auch telemedizinische Kooperationen, über die Behandlungen aus anderweitigen Leistungsgruppen möglich werden, sofern das Kooperationskrankenhaus über die entsprechende Leistungsgruppe verfügt.

Die sektorenübergreifenden Leistungen betreffen ambulante Leistungen aufgrund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, ambulantes Operieren, medizinisch-pflegerische Versorgung, belegärztliche Leistungen, Übergangs-, Tages- und Nachtpflege. Die medizinisch-pflegerische Versorgung zielt auf Patienten, für die eine ambulante Versorgung nicht ausreichend ist, weil sie sowohl medizinischer Versorgung als auch pflegerischer Versorgung bedürfen. Es geht vor allem darum, wohnortnah dem besonderen Bedarf älterer Patienten gerecht zu werden, die in den etablierten, teils erodierenden Strukturen einer rein ambulanten Versorgung nicht hinreichend gut versorgt werden können. Der Leistungsumfang der medizinisch-pflegerischen Versorgung wird von den Krankenkassen auf Landesebene und der jeweiligen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung vereinbart. Auch im Bereich der ärztlichen Leistungen, die zu den medizinisch-pflegerischen Leistungen gehören, sind Kooperationen mit Vertragsärzten zum Zweck ihrer Leistungserbringung möglich.

Sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen sollen zudem auf Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden, wenn eine drohende ambulante Unterversorgung vom Zulassungsausschuss festgestellt wird. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung besteht, sofern in dem betreffenden Planungsbereich für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Hier wird es in der weiteren Ausgestaltung wesentlich darauf ankommen, ob die Art der Ermächtigung eine längerfristige wirtschaftliche Planungssicherheit beinhaltet.

Vergütet werden die durch Krankenhäuser der sektorenübergreifenden Versorgung erbrachten voll- und teilstationären Leistungen sowie diejenigen der medizinisch-pflegerischen Versorgung über ein von den Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG zu vereinbarendes Gesamtvolumen. Das Gesamtvolumen wiederum wird aufgeteilt auf sogenannte degressive krankenhausindividuelle Tagesentgelte.


Hybrid-DRG

Hybrid-DRGs sind Instrumente einer sektorenübergreifenden Vergütung, die unabhängig davon greift, ob die medizinische Behandlung stationär oder ambulant erfolgt. Diejenigen Fälle, die bisher stationär behandelt und demzufolge über das DRG-System abgerechnet worden sind, nunmehr jedoch über eine Hybrid-DRG erfasst werden, müssen (!) als Hybrid-DRG abgerechnet werden. Es gibt für diese Fälle, in denen der Patient stationär behandelt wird (liegt jedenfalls dann vor, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus ununterbrochen versorgt wird), keine Möglichkeit der stationären Abrechnung. Krankenhäuser, die bisher bestimmte medizinische Behandlungen als stationäre Leistungen über das mit höheren Vergütungen einhergehende DRG-System abgerechnet haben, sollten also ein Augenmerk darauf legen, ob diese Leistungen im Fall der stationären Aufnahme des Patienten nunmehr unterfinanziert sind. Eine solche Unterfinanzierung kann sich daraus ergeben, dass die Krankenhausvergütung auf die Hybrid-DRG begrenzt wird und diese möglicherweise für eine stationäre Aufnahme des Patienten nicht kostendeckend ist.

§ 115f Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 4 SGB V bestimmt ausdrücklich, dass auch Leistungen als Hybrid-DRG erfasst werden können, die nicht im AOP-Katalog enthalten sind. Per Verordnung wurden zum 1. Januar 2024 zunächst 12 DRG-Leistungskomplexe mit insgesamt 244 OPS-Kodes definiert. Alle diese OPS-Kodes sind auch im AOP-Katalog 2024 gelistet. Bisher handelt es sich um wenige Leistungen, so dass der Ambulantisierungseffekt, wenn sie nicht deutlich ausgeweitet werden, überschaubar ist.

Ende März 2024 hat sich die Selbstverwaltung über eine deutliche Ausweitung dieses neuen Leistungssegmentes um insgesamt 93 Eingriffskategorien (OPS) mit Wirkung zum 1. Januar 2025 geeinigt. Neu hinzugekommen sind einige endoskopische Eingriffe am oberen Gastrointestinaltrakt, von denen mehrere komplexere Eingriffe nicht im aktuellen AOP-Katalog enthalten sind. Gleiches gilt auch für eine Reihe komplexerer Bruchoperationen. Komplett neu hinzugekommen sind eine Reihe kleiner unfallchirurgischer Eingriffe (z. B. die Versorgung einer Fraktur des Schlüsselbeins), die ebenfalls überwiegend nicht Bestandteil des AOP-Kataloges sind.

Im Referentenentwurf zur Hybrid-DRG-Verordnung wurde 2023 bereits eine Liste von potenziellen, für eine Erweiterung des Kataloges in Frage kommenden DRGs genannt. Die Liste der dort als Erweiterung vorgeschlagenen DRGs deckt mit den definitorisch hinterlegten OPS die Mehrzahl der 2.300 im IGES-Gutachten erwähnten OPS-Kodes ab, von denen viele noch nicht im aktuellen AOP-Katalog enthalten sind. Aus der Perspektive der Krankenhäuser wären hier eine Reihe an rein diagnostischen Kodes aus dem Bereich der Kardiologie und Gastroenterologie besonders interessant. Mit ihnen könnten Krankenhäuser subakut erkrankte Patienten, die häufig keine dringlichen Termine im fachärztlichen Bereich erhalten, außerhalb der Notaufnahmen ambulant versorgen.

Die aktuell in der Selbstverwaltung geeinte Liste der Hybrid-DRGs bleibt mit ihren knapp 400 OPS-Kodes noch weit hinter diesem Vorschlag zurück. Eine deutliche Reduktion der ambulant-sensitiven Fälle, deren Anteil aktuell auf 10 bis 15 % der vollstationären somatischen Fälle geschätzt wird, ist weder durch den nun vorliegenden Hybrid-DRG-Leistungskatalog noch durch den aktuellen AOP-Katalog 2024 zu erwarten.


Praxis-Hinweis

Die Ambulantisierung stationärer Leistungen ist, wenngleich sie nur langsam voranschreitet, explizit politisch gewollt. Krankenhausverantwortliche sollten stetig und engmaschig die regulatorischen Rahmenbedingungen im Blick behalten und zeitnah überprüfen, ob und in welchem Umfang das Spektrum ihrer medizinischen Behandlungen anzupassen ist. Geklärt werden sollte, welche Veränderungen bei Umsatz, Marktanteilen, Wettbewerbsposition und Belegung zu erwarten und welche entsprechenden Maßnahmen (z. B. die Anpassung des Portfolios, der Betriebsorganisation oder Anschaffung von Infrastruktur, etwa für eine telemedizinische Versorgung) einzuleiten sind. Die strategische (Neu-)Ausrichtung eines Krankenhauses kann nur gelingen, wenn die zahlreichen regulatorischen Veränderungen, die mit der Krankenhausreform zu erwarten sind, frühzeitig identifiziert und ihre Auswirkungen rechtzeitig analysiert werden, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

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Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung

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