Stimmabgabe im Umlaufbeschluss nicht widerrufbar

Umlaufbeschlüsse haben neben virtuellen Versammlungen spätestens seit der Corona-Pandemie an Relevanz gewonnen, sie sind auch sonst ein durchaus gängiges Instrument für die schnelle Entscheidungsfindung. Allerdings sollte die Stimmabgabe auch zu einem vermeintlich schnellen Umlaufbeschluss wohlüberlegt sein, wie ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München beweist.


Quidquid agis, prudenter agas, et respice finem – was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende. Im Sinne dieser alten Weisheit entschied das Oberlandesgericht (OLG) München mit seinem Urteil vom 5. April 2023 – 7 U 6538/20 – einen Streit über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses.


Der Fall

Eine Kommanditgesellschaft (KG) wollte eine Immobilie verkaufen und holte hierzu durch die Übersendung von Stimmzetteln einen Umlaufbeschluss im schriftlichen Verfahren von den Gesellschaftern ein. Die Gesellschafter (Kommanditisten) konnten ihre Stimmzettel in einem Zeitraum von ca. vier Wochen abgeben, was auch einige Kommanditisten taten. Eine Gesellschafterin – die spätere Klägerin – versandte dann jedoch an die übrigen Kommanditisten ein Angebot zum Erwerb von deren Anteilen für den Fall, dass die Abstimmung über den Verkauf der Immobilie negativ ausfallen würde. Daraufhin erfolgte durch verschiedene Beteiligte auf unterschiedlichen Wegen eine Korrektur der zunächst erteilten Zustimmung („Ja“) zu einem „Nein“. Der Versammlungsleiter wertete diese Stimmen jedoch mit dem ursprünglichen „Ja“ und ignorierte die Widerrufe, das notwendige Quorum von drei Vierteln wurde so knapp mit 75,01 % erreicht. Hiergegen wandte sich die Klägerin und beantragte die Nichtigkeitsfeststellung des Beschlusses, was das Landgericht München I jedoch abwies.


Die Entscheidung

Das OLG München bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Es stellte fest, dass die Stimmabgabe in einer Abstimmung eine Willenserklärung ist, die nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Zugang bei dem Erklärungsempfänger grundsätzlich nicht widerrufbar ist. Damit stellt sich das OLG gegen die Auffassung, dass Gesellschafterbeschlüsse, die nicht in einem einzigen Akt gefasst werden, nur unter der Voraussetzung wirksam werden, dass bei Zustimmung des letzten Gesellschafters die anderen noch an der Stimmabgabe festhalten. Richtigerweise wird auf die einzelne Stimme abgestellt. Mit dem Zugang – nicht der Kenntnisnahme – bei dem Empfänger der Erklärung ist diese in der Welt und nicht mehr änderbar (außer gegebenenfalls mit dem Mechanismus der Anfechtung, wofür jedoch die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen müssen).


Praxis-Hinweis

Umlaufbeschlüsse sind als schnelles Mittel der Beschlussfassung inzwischen weit verbreitet. Der Gesellschafter erhält eine Mail und antwortet vielleicht ebenso schnell auf diese mit einer entsprechenden Zustimmung. Doch aufgepasst: Dies ist bindend! Erkenntnisse, die einem im Nachgang zugetragen werden, können nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die Stimme einmal abgegeben wurde. Daher sollte auch ein vermeintlich schneller Umlaufbeschluss wohlüberlegt und abgewogen werden, notwendige Informationen sollten unbedingt vor der Stimmabgabe eingeholt sein. Erst wenn alle Quellen ausgeschöpft sind, sollte die Stimme dann auch wirklich – aber fristgemäß – abgegeben werden.

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