Urteil des BFH zur Steuerbegünstigung ausländischer Körperschaften

Ein englisches Universitäts-College kann nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung nach deutschem Recht entsprechen und wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit sein (BFH, Beschluss vom 24. März 2021 – V R 35/18).Im Jahr 1555 wurde das vermögende und angesehene St John’s College in Oxford vom Lord Mayor of L

Indeed! Ein britisches College von 1555 ist „german gemeinnützig“!

 

Ein englisches Universitäts-College kann nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung nach deutschem Recht entsprechen und wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit sein (BFH, Beschluss vom 24. März 2021 – V R 35/18).

Im Jahr 1555 wurde das vermögende und angesehene St John’s College in Oxford vom Lord Mayor of London Sir Thomas White errichtet. Zweck war es, katholische Geistliche auszubilden und die Gegenreformation zu ermöglichen – nicht zuletzt deshalb wurde es von der regierenden Königin Mary I. („Maria die Katholische“, auch als „Bloody Mary“ bekannt) mit „Royal Patent“ genehmigt. Das College, welches an seiner Universität einen umfangreichen Lehr- und Forschungsbetrieb unterhält, erzielt heutzutage als Eigentümer eines Wohn- und Geschäftsgrundstücks in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die es selbst zur Finanzierung von Stipendien nutzte – und die das Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 2009 der Körperschaftsteuer unterwarf. Der dagegen vom College erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang und, nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache durch den BFH, auch im zweiten Rechtsgang statt.

Der BFH stellte zunächst einmal fest, dass „das College seiner Organisation und Struktur nach in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung nach deutschem Recht im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG vergleichbar“ und damit Körperschaftsteuersubjekt sei. Die erneute Revision des Finanzamtes wies der BFH vor allem aber mit der Begründung zurück, das diene College sowohl formell nach seiner Satzung als auch materiell nach der tatsächlichen Geschäftsführung gemeinnützigen Zwecken.

Formal setzt das College in seinem Statut nicht die Mustersatzung aus der Anlage 1 zu § 60 AO um. Es genügt jedoch, dass der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung so genau bestimmt sind, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind. In dem neben dem Statut des Colleges immer noch gültigen „Royal Patent“ von 1555, also der königlichen Gründungsurkunde, wurde der BFH fündig: Diese beschreibt das College als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie und der Philosophie wie der guten Künste“ („collegium perpetuum eruditiones scientiarium sacre theologie et philosophie ac bonarum artium“/„perpetual college of learning sciences sacred theology and philosophy and good arts“) und damit so, dass eine Förderung der Wissenschaft und Forschung sowie der Religion (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO) seit 1555 anzunehmen sei. Auch genügende Hinweise auf die Selbstlosigkeit, Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit konnte der BFH aus Statut und „Royal Patent“ herauslesen. Selbst das Fehlen einer Anfallklausel war unproblematisch, denn nach § 62 AO alter Fassung war dies für Stiftungen entbehrlich, die vor dem 19. Dezember 2006 errichtet worden sind – eine Hürde, die das College mit Leichtigkeit nahm. Auch die Voraussetzung des § 62 AO a. F., einer staatlichen Aufsicht zu unterliegen, ist erfüllt, da mit der „Charity Commission“ eine der deutschen Stiftungsaufsicht ähnliche Aufsichtsbehörde zuständig ist.

Auch materiell konnte der BFH keine Abweichungen der tatsächlichen Geschäftsführung von den satzungsmäßigen Vorgaben erkennen. Die Beteiligung an der Immobilie wurde zutreffend der steuerfreien Vermögensverwaltung (§ 14 AO) zugeordnet. Auch die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung sah der BFH als erfüllt an – die eingesetzten Mittel überstiegen die einzusetzenden Mittel, wie bereits das FG festgestellt hatte. Schließlich konnte der BFH noch den für die Steuerbegünstigung erforderlichen sogenannten Inlandsbezug (§ 51 Abs. 2 AO) erkennen, weil auch Studierende aus Deutschland ausgebildet wurden und ein Austauschprogramm mit einer deutschen Universität bestand.

Fazit

Das Urteil macht Hoffnung, dass die Steuerbegünstigung ausländischer Körperschaften auf Dauer unter erleichterten Voraussetzungen anerkannt wird, beispielsweise in Zuwendungsverkehr zwischen den Gliederungen von Ordensgemeinschaften. Allerdings: Das Finanzamt rügte, dass die Ausschließlichkeit in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt sei. Das Finanzgericht hatte die Satzung „historisch betrachtet“ so ausgelegt, dass die Aufzählung der verfolgten gemeinnützigen Zwecke das Gebot der Ausschließlichkeit in sich selbst trage. Diese rechtliche Würdigung ausländischen Rechts durch das Finanzgericht durfte der BFH aus prozessualen Gründen nicht angreifen – ob er selbst ebenso entschieden hätte, bleibt offen. Insoweit ist jeder einzelne Fall mit Auslandsbezug individuell zu würdigen und schwer vorhersehbar. Was nicht vom BFH problematisiert wird, ist indes der Begriff der Allgemeinheit gemäß § 52 Abs. 1 AO: Wer die Studiengebühren der englischen Eliteuniversitäten in Cambridge und Oxford kennt, mag hier die Förderung der Allgemeinheit bezweifeln …

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