Sozialversicherungspflicht von ehrenamtlichen Stiftungsvorständen

Häufig sind in Vereins- und Stiftungsvorständen Personen ehrenamtlich tätig. Ihnen werden oftmals nicht nur die reinen Auslagen (Fahrtkosten, Übernachtung etc.) erstattet, sondern zusätzlich noch „Aufwandsentschädigungen“ für ihre Tätigkeit gewährt. Diese weit verbreitete Gestaltung war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Bundessozialgerichts.

Im Zuge der Professionalisierung im Non-Profit-Sektor haben viele Stiftungen und Vereine ihre Organisation dergestalt umstrukturiert, dass vormals rein ehrenamtliche Vorstände durch hauptamtliche Organmitglieder ersetzt wurden. Ein Grund dafür ist neben dem wachsenden Arbeitsaufkommen auch die Schwierigkeit, überhaupt Interessenten für Besetzung der Organe zu finden, die bereit sind, „nur“ ehrenamtlich tätig zu werden. Nach wie vor werden jedoch auch Personen in Vorständen tätig, die nicht vergütet werden. Diesen „Ehrenamtlern“ werden oftmals nicht nur die reinen Auslagen (Fahrtkosten, Übernachtung etc.) erstattet, sondern zusätzlich noch „Aufwandsentschädigungen“ für ihre Tätigkeit gewährt. Diese weit verbreitete Gestaltung war Gegenstand einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Februar 2021 (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R).

Der Sachverhalt

Eine gemeinnützige Stiftung wurde durch einen dreiköpfigen Vorstand vertreten, der nach der Stiftungsatzung sein Amt ehrenamtlich ausübte, aber Anspruch auf Auslagenerstattung sowie eine „Vergütung“ seines Zeitaufwandes hatte. Den Zeitaufwand eines der Vorstandsmitglieder vergütete die Stiftung ausgehend von einem „Stundensatz“ von 75,00 EUR, wodurch dieser eine „Aufwandsentschädigung“ zwischen 20.000 und 60.000 EUR pro Jahr zwischen 2011 und 2016 erhielt. Ein schriftlicher Dienstvertrag existierte nicht. Entscheidungen des Vorstandes wurden mit einfacher Mehrheit getroffen, ein weiteres Organ, etwa ein Aufsichtsrat, bestand nicht. Die Stiftung wurde nach außen durch jeweils zwei Vorstandsmitglieder vertreten.

Die Deutsche Rentenversicherung kam im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens zu dem Ergebnis, dass diese Tätigkeit ein abhängigen Beschäftigungsverhältnisses darstellt und damit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Das BSG folgte dieser Einschätzung und bestätigte damit beide Vorinstanzen.

Die Entscheidung

Zunächst bestätigte das BSG, dass allein die Stellung als vertretungsberechtigtes Organ ebenso wenig zur Versicherungsfreiheit führt wie das Fehlen eines schriftlichen Vertrages. Entscheidender ist jedoch die Einschätzung des Gerichts, dass der Vorstand vorliegend in den Betrieb der Stiftung eingegliedert und weisungsgebunden war, was in ständiger Rechtsprechung maßgebliche Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sind.

Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Vorstand einer Stiftung immer an den Stifterwillen gebunden sei. Vorliegend sei jedes Vorstandsmitglied auch immer an die Beschlüsse des gesamten Vorstandes gebunden und könne sich nicht darüber hinwegsetzen. Eines weiteren weisungsberechtigten Organs bedürfe es für die Frage der Weisungsgebundenheit daher nicht. Dies gelte umso mehr, wenn das Organ operativ tätig und damit für die Umsetzung der Vorstandsbeschlüsse verantwortlich ist. Die gemeinschaftliche Vertretung erfordere daneben zwingend eine wechselseitige Absprache der Vorstandsmitglieder.

Das Gericht verneinte im vorliegenden Fall auch die „Ehrenamtlichkeit“. Diese setzt voraus, dass eine Tätigkeit ohne Erwerbsabsicht ausgeübt wird. Dann dürfen jedoch nur Entschädigungen für konkrete oder pauschal berechnete Aufwendungen gezahlt werden. Die Regelung der Stiftung, einen „Aufwendungsersatz“ auf Basis eines Stundensatzes von 75 ,00 EUR zu zahlen, steht dem nach Ansicht des Gerichts entgegen. Diese Regelung spreche für eine echte Vergütung als Gegenleistung für die vom Vorstandsmitglied aufgewendete Zeit.

Fazit

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei der „Aufwandsentschädigung“ für Ehrenamtler höchste Vorsicht geboten ist. Schnell kann durch diese Zahlungen ungewollt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet werden. Wird dies nachträglich, etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt, drohen hohe Nachzahlungen und schlimmstenfalls strafrechtliche Konsequenzen wegen des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen. Wenngleich die vorliegende Entscheidung eine Stiftung betraf, dürfte sie auf Vereine übertragbar sein. Ob auch Mitglieder von Aufsichtsorganen hiervon betroffen sein können, lässt sich derzeit nicht zweifelsfrei beantworten.

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