Neue Möglichkeiten zur frühzeitigen außergerichtlichen Sanierung.
Der Bundestag hat in den letzten Tagen des Jahres 2020 mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – StaRUG) ein umfassendes Sanierungsinstrumentarium beschlossen. Es soll die Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung und der Sanierung in der Insolvenz schließen und ergänzt die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Insolvenzordnung (InsO). Mit dem StaRUG wird nun neben den bekannten Möglichkeiten der InsO ein Impuls zur frühzeitigen „außergerichtlichen Sanierung“ gesetzt. Mit dem eigenständigen Sanierungsrecht soll es möglich sein, eine frühzeitig erkannte Schieflage auch ohne den „faden Beigeschmack“ einer Insolvenz gemeinsam mit den Gläubigern anzugehen.
Umfassender Restrukturierungsplan ist Kern des Gesetzes
Kern des neuen Gesetzes ist der Restrukturierungsplan. Im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist es nun möglich, ausgewählte Verbindlichkeiten im Rahmen eines Restrukturierungsplanes anzupassen. Konkret können hier mit den Gläubigern gemeinsam Stundungen, Forderungsverzichte, Kapitalschnitte bis hin zu Debt-to-Equity-Swaps und eine weiterführend veränderte Finanzierungsstruktur vereinbart werden.
Vergleichbar mit der Gestaltung eines Insolvenzplanes muss der Restrukturierungsplan in einem darstellenden Teil alle notwendigen Informationen von den Krisenursachen bis zu den Sanierungsmaßnahmen abbilden. Hierzu gehört eine Vergleichsrechnung mit der Darstellung der Auswirkungen des Planes. Des Weiteren müssen Eingeständnisse und die veränderte Rechtsstellung der Planbeteiligten in einem gestaltenden Teil aufgezeigt werden. Die Aufstellung des Planes beinhaltet multidisziplinäre und sehr anspruchsvolle Fragestellungen, zum Beispiel hinsichtlich der Darstellung und Gestaltung von einzelnen Rechtsverhältnissen der betroffenen Gläubiger.
Komplexe Fragestellungen sind zu erwarten
Die Vergleichsrechnung erfordert die Beantwortung komplexer und aufwendiger betriebswirtschaftlicher Fragestellungen. Hierzu zählt unter anderem die Darstellung der Vermögenswerte in unterschiedlichen Szenarien. Ein im Alltagsgeschäft nicht vorhandenes Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanungswerk wird benötigt. Spätestens bei der Entscheidung, ein solches Restrukturierungsverfahren durchführen zu wollen, empfiehlt es sich, Experten einzubinden. Schon die Steuerung der inhaltlichen Schwerpunkte des Restrukturierungsplanes wird für die Unternehmensführung eine große Zusatzbelastung darstellen. Ohne externe Unterstützung wird es kaum möglich sein, alle technischen, finanzplanerischen sowie rechtlichen Anforderungen an den Restrukturierungsplan neben dem Tagesgeschäft zu erfüllen.
Restrukturierung kann auch trotz Planverweigerern umgesetzt werden
Nach Fertigstellung und Vorlage des Restrukturierungsplanes werden die Planbetroffenen über die Annahme oder Ablehnung des Planes abstimmen. Ähnlich dem Insolvenzplanverfahren wird eine Abstimmung nach Einteilung der Betroffenen in Gruppen durchgeführt. Die Annahme erfolgt durch die Zustimmung von mindestens 75 % der nach Forderungen bzw. Anteilen bemessenen Stimmrechte je Gruppe. Auch wenn es Planverweigerer gibt, besteht die Möglichkeit, den Sanierungsplan unter bestimmten Bedingungen durchzusetzen. Spätestens an dieser Stelle wird es aber notwendig, das Restrukturierungsgericht zur Bestätigung des Planes einzubeziehen.
Restrukturierungsbeauftragter überwacht Interessen der Gläubiger
Zur Überwachung des Restrukturierungsplans sieht das neue Gesetz in einigen Fällen die Funktion des Restrukturierungsbeauftragten vor. Er wird unter festgesetzten Umständen zur Überwachung der Interessen der Gläubiger, aber auch im Interesse des Fortbestehens des zu sanierenden Unternehmens eingesetzt. Damit wird er in den meisten Restrukturierungsverfahren eine ausgesprochen wichtige Rolle für die Vertrauensbildung besetzen.
Restrukturierungsmoderator als Vermittler
Ferner besteht die Möglichkeit, einen Restrukturierungsmoderator in einer frühen Phase des Sanierungsvorhabens einzubinden. Dieser soll zwischen den Interessen der Gläubiger und des Schuldners vermitteln. Darüber hinaus berichtet der Restrukturierungsmoderator dem Gericht über Ziel und Fortgang der Verhandlungen. Ziel ist der einvernehmliche Abschluss eines Sanierungsvergleiches – im Vorfeld und außerhalb des Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmens. Der Sanierungsmoderator kann bei Übergang in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen auch die Funktion des Sanierungsbeauftragten zur Überwachung eines Restrukturierungsplanes übernehmen.
Um während des Restrukturierungsverfahrens ungünstige Einwirkungen durch Gläubiger zu vermeiden, bietet das neue Gesetz im Rahmen der Stabilisierungsanordnung die Option der zeitlich begrenzten Untersagung von Zwangsvollstreckungen. Damit ermöglicht das Sanierungsverfahren Schutz und Stabilität während der Restrukturierungsphase.
Fokus der Anwender auf finanzwirtschaftlicher Sanierung
Das neue Sanierungsverfahren bietet Unternehmen in einer fortgeschrittenen Krise neue Möglichkeiten einer außergerichtlichen Restrukturierung. Im Fokus der Anwender wird die finanzwirtschaftliche Sanierung liegen. Ob dies im Rahmen der abweichenden Finanzierungsmodalitäten von ausgewählten Unternehmen der Gesundheitsversorgung, wie beispielsweise Krankenhäusern, ein häufig einzusetzendes Instrumentarium bietet, muss sich noch zeigen. Auf den ersten Blick erscheinen für diesen Unternehmenskreis nur Teilaspekte praktikabel zu sein. Es ist davon auszugehen, dass eine umfängliche externe Begleitung in diesem Verfahren notwendig sein wird.
Entfall der Positive Fortbestehungsprognose kann drohen
Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Geschäftsleitung eine mindestens zwei Jahre umfassende Liquiditätsplanung stets im Auge behalten muss. Sollte der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit in weniger als zwölf Monaten wahrscheinlich sein, so kann es zu einem Entfall der positiven Fortbestehensprognose kommen. Darauf würde die Überschuldung als Insolvenzantragsgrund folgen. Ein Sanierungsverfahren nach der neuen Gesetzgebung wird folglich nicht mehr möglich sein. In einer solch energiegeladenen Phase wird die Restrukturierung einige Geschäftsleiter an ihre Kapazitätsgrenzen führen.
Die Erarbeitung operativer Verbesserungsmaßnahmen inklusive eines ausführlichen Konzeptpapiers und die zielgerichtete strategische Neuausrichtung werden unterdessen in den meisten Fällen ebenso erforderlich wie eine durchdachte Sanierung der Passiva. Die professionelle und insbesondere frühzeitige Ausarbeitung operativer und strategischer Maßnahmen samt ihrer Liquiditätsauswirkungen wird weiterhin für Unternehmen der Gesundheitsversorgung der erste entscheidende Schritt sein.
Praxis-Hinweis zum Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz
Um erst gar nicht in den Bereich der Sanierungsgesetzgebung zu gelangen oder aber bestmöglich auf die geforderten Ansprüche eines Restrukturierungsplanes vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich, bereits in einer Ergebniskrise notwendige Schritte einzuleiten. Die Ausarbeitung eines fundierten Verbesserungskonzeptes inklusive der Einbeziehung der Maßnahmeneffekte in die Unternehmensplanung sollte frühzeitig gemeinsam mit externen Experten angestoßen werden. Dabei sollte eine Prüfung der zusätzlichen Handlungsmöglichkeiten des StaRUG in vorangeschrittenen Krisenfällen unterstützende Maßnahmen aufzeigen und Sicherheit geben. Offensichtlich ist, dass das neue Restrukturierungsverfahren eine Vielzahl an komplexen Fragestellungen für Anwender aufwirft. Die Durchführung des Verfahrens und die Erstellung eines Restrukturierungsplanes wird nur unter Einbezug multidisziplinärer externer Unterstützung möglich sein.