Weitere Klärung zahlreicher Anwendungsfragen
Die Neuregelungen des § 57 Abs. 3 AO sowie die Neufassung des § 58 Nr. 1 AO als zentrale Punkte der Gemeinnützigkeitsrechtsreform haben in der Praxis zu vielen Anwendungsfragen geführt, auf die das Bundesfinanzministerium mit BMF-Schreiben vom 6. August 2021 und jüngst vom 12. Januar 2022 – "Anwendungsfragen zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts"). Neben den viel diskutierten Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zum planmäßigen Zusammenwirken steuerbegünstigter Körperschaften und zu Mittelweiterleitungen im Sinne des 58 Nr. 1 AO wurden indes noch weitere Änderungen aufgenommen, die wir nachfolgend zusammenfassend darstellen. Zu den Änderungen im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit politischer Betätigung verweisen wir auf den gesonderten aktuellen Artikel auf unserer Webseite.
Stiftung von Todes wegen
Für eine Stiftung von Todes wegen beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht bereits mit dem Tod des Stifters. Es erfolgt nun die Klarstellung, dass die Steuerpflicht nicht an die zivilrechtliche Anerkennung der Stiftung anknüpft. Eine Steuerbegünstigung ab Beginn der Stiftung erfordert somit bereits das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Satzung im Zeitpunkt des Todes des Stifters (Nr. 6 des AEAO zu § 51 AO).
Privatschulen
Unter Berücksichtigung des Rechtsanwaltsnewsletter 5/2021).
Servicegesellschaften
Im Rahmen der Konzeption des planmäßigen Zusammenwirkens erlangen derzeit viele bisher steuerpflichtige Servicegesellschaften durch Satzungsänderung die Steuerbegünstigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. In diesen Fällen ist zu beachten, dass auch das Vermögen, das vor Eintritt in die Steuerbegünstigung angesammelt wurde, den Vorgaben der Vermögensbindung nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO bei Auflösung, Aufhebung oder Wegfall des gemeinnützigen Zwecks unterliegt (Nr. 26 des AEAO zu § 55 AO).
Tatsächliche Geschäftsführung
Der Zeitraum für die Überprüfung der tatsächlichen Geschäftsführung soll bei neu gegründeten steuerbegünstigten Körperschaften mindestens 6 und maximal 18 Monate betragen. Laut Finanzverwaltung entsteht dadurch regelmäßig ein jahresübergreifender Prüfungszeitraum (Nr. 3 Satz 4 des AEAO zu § 59 AO).
Angemessenheit von Geschäftsführervergütungen
Hinsichtlich der Angemessenheit einer Geschäftsführervergütung bzw. zur Feststellung einer Mittelfehlverwendung bei überhöhten Vergütungen wird im geänderten AEAO auf das Rechtsanwaltsnewsletter 1/2022).
Nebentätigkeit eines Krankenhausarztes
Im Krankenhausbereich präzisiert der AEAO für die Zurechnung der Behandlungsleistungen zum Zweckbetrieb im Sinne des § 67 AO, dass auch Leistungen, die ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis und damit außerhalb seiner dienstvertraglichen Pflichten erbringt, sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst werden (BFH-Urteil vom 6. Juni 2019 – V R 39/17).
Mitwirkung an Werbemaßnahmen Dritter
Die Mitwirkung an Werbemaßnahmen Dritter begründet für steuerbegünstigte Körperschaften grundsätzlich einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO. In Ergänzung des Anwendungserlasses, wonach nicht beanstandet wird, wenn dieser Gewinn pauschal in Höhe von 15 % der Einnahmen ermittelt wird, wurde nunmehr weiter ausgeführt, dass hierunter auch passive Duldungsleistungen entsprechend begünstigt sein können, sofern zum Beispiel eine steuerbegünstigte Körperschaft Standflächen entgeltlich an fremde Unternehmen für deren eigenen Werbezwecke überlässt. Dies gilt auch für Sponsoring im Sinne der Nr. 10 des AEAO zu § 64 AO. Hinsichtlich der Pauschalierung nach § 64 Abs. 6 AO wurden zudem für Blutspendedienste weitere Klarstellungen aufgenommen.
Hilfe für Geschädigte des Ukraine-Krieges
Vor dem Hintergrund des großen Engagements für Geschädigte des Ukraine-Kriegs ist besonders hervorzuheben, dass Geflüchtete gemäß AEAO Nr. 4 zu § 68 Nr. 1 AO regelmäßig aufgrund ihrer psychischen, physischen oder wirtschaftlichen Situation zu dem von § 53 AO erfassten Personenkreis zählen. Eine Prüfung der Voraussetzungen der Mildtätigkeit des § 53 AO ist deshalb bei Einrichtungen zur Versorgung, und Betreuung von Geflüchteten, die nicht des Erwerbs wegen betrieben werden, nicht erforderlich (§ 66 Abs. 2 AO).
Inklusionsbetriebe
Völlig neu gefasst wurden die Anweisungen zu Inklusionsbetrieben (AEAO zu § 68 Nr. 7). Erstmals wird nun die sozialrechtliche Einordnung als Grundlagenbescheid anerkannt. Nach wie vor ist allerdings eine Überleitungsrechnung für die steuerliche Einordnung des Inklusionsbetriebes als Zweckbetrieb erforderlich. Ausgangsbasis ist der Leistungsbescheid des Integrationsamtes sowie gegebenenfalls des Rehabilitationsträgers. Ansetzbar sind auch Personen, für die ein Budget für Arbeit oder für Ausbildung gewährt wird. Die Beschäftigungsquote wird – wie bisher – nach Köpfen unter Zugrundelegung des Arbeitsplatzbegriffes nach § 156 SGB IX berechnet. Dabei werden schwerbehinderte Menschen bereits ab einem Beschäftigungsumfang von 12 Stunden (bisher 18 Stunden) berücksichtigt. Anzuwenden sind diese Vorschriften rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2019.