Anwendungsfragen zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Am 6. August 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das mit Spannung erwartete Schreiben zur Änderung des Anwendungserlasses im Hinblick auf die Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Jahressteuergesetz 2020 – IV C 4 – O 1000/19/10474 :004 – veröffentlicht (vgl. hierzu unseren Artikel von Dezember 2020). Gerade im Hinblick auf die Neuregelungen zu Kooperationen i

Aktuelles BMF-Schreiben zur Änderung des AEAO liegt vor

 

Am 6. August 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das mit Spannung erwartete Schreiben zur Änderung des Anwendungserlasses im Hinblick auf die Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Jahressteuergesetz 2020 – Artikel von Dezember 2020). Gerade im Hinblick auf die Neuregelungen zu Kooperationen im dritten Sektor, zur Anerkennungsmöglichkeit von reinen Holdings als gemeinnützige Körperschaften sowie zu den Erleichterungen für die Mittelweiterleitung zwischen steuerbegünstigten Körperschaften waren durch die gesetzlichen Regelungen viele Fragen offengeblieben.

Update 01.02.2022: Zum 12. Januar 2022 hat das Bundesministerium der Finanzen den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) konkretisiert, da es in den Monaten zuvor teilweise zu erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten in der Umsetzung gekommen war. Lesen Sie die Details im Artikel "Aktuelle Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung".

 Planmäßiges Zusammenwirken

Das Schreiben enthält umfangreiche Ausführungen zu der neu geschaffenen Regelung in § 57 Abs. 3 AO, wonach beispielsweise bisher steuerpflichtige Servicegesellschaften steuerbegünstigt ausgestaltet werden können. Erforderlich hierfür ist das planmäßige Zusammenwirken von zwei oder mehreren steuerbegünstigten Körperschaften, um einen ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke zu verwirklichen. Der AEAO zu § 57 Abs. 3 stellt klar, dass als planmäßiges Zusammenwirken das gemeinsame, inhaltlich aufeinander abgestimmte und koordinierte Wirken verstanden wird, welches neben Dienstleistungen auch Nutzungsüberlassungen oder das Erbringen von unterschiedlichen Leistungselementen an einen selbst nicht steuerbegünstigten Dritten zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes umfasst. Kooperationen von gesellschafts- oder verbandsrechtlich nicht miteinander verbundenen Körperschaften oder auch mit steuerbegünstigten Betrieben gewerblicher Art sind möglich, nicht jedoch Kooperationen mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Wichtig ist, dass hier ein arbeitsteiliges Zusammenwirken erfolgt, also die jeweiligen Körperschaften selbst tätig werden.

Zur Überprüfung der Zuordnung zum steuerbegünstigten Bereich sind die Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Diese können dann als Verwirklichung eines gemeinsamen begünstigen Zwecks angesehen werden, wenn man sie dem nach den §§ 65 ff. AO steuerbegünstigten Bereich zuordnen würde, sofern sie alle von nur einer Körperschaft erbracht würden. In der Regel werden daher Serviceleistungen an steuerpflichtige Dritte regelmäßig einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellen. Hier sind weiterhin die allgemeinen Grundsätze, z.B. hinsichtlich der Angemessenheit von Entgelten, zu beachten.

Da die Neuregelung nicht nur die Anpassungen der Satzungen an die gemeinnützigkeitsrechtliche Mustersatzung, sondern auch einen Hinweis in der Satzung auf das planmäßige Zusammenwirken im Sinne des § 57 Abs. 3 AO erfordert, stellen sich gerade im Hinblick auf die Neufassung der Satzungen viele Detailfragen. Hierzu äußert sich das BMF leider sehr restriktiv durch die Forderung, dass sowohl die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, als auch die Art und Weise der Kooperation in der Satzung der Beteiligten bezeichnet werden muss. Da zudem eine steuerbegünstigte Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen während des gesamten Veranlagungszeitraums erfüllen muss, greift eine Satzungsänderung für bestehende, bisher steuerpflichtige Gesellschaften im Jahr 2021 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2022 (§ 60 Abs. 2 AO). Die erhoffte Billigkeitsregelung, die die Anwendung der Steuerbegünstigung bei entsprechender Satzungsänderung bereits im Jahr 2021 ermöglicht hätte, enthält das BMF-Schreiben nicht. Somit ist nur in Neugründungsfällen die Begünstigung von Beginn an möglich.

Positiv ist die Klarstellung des BMF zu beurteilen, dass die beim planmäßigen Zusammenwirken eingesetzten Wirtschaftsgüter dem Zweckbetrieb bzw. ideellen Bereich zuzuordnen sind und damit aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden dürfen. Damit erfolgt auch bei Betriebsaufspaltungsmodellen, in denen eine steuerbegünstigte Körperschaft einer anderen die für den Zweckbetrieb notwendigen Immobilien vermietet, keine Zuordnung mehr zur Vermögensverwaltung, sondern zum Zweckbetrieb, so dass die Problematik der Mittelherkunft an dieser Stelle entschärft wird. Dies gilt auch für das Halten von Beteiligungen an anderen kooperierenden steuerbegünstigten Körperschaften, die nun laut BMF dem ideellen Bereich zuzuordnen sind (vgl. auch nachfolgende Ausführungen zu § 57 Abs. 4 AO).

Gemeinnützigkeit der Holding

Gemäß § 57 Abs. 4 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Körperschaften hält und verwaltet. Damit muss eine Holding in einem steuerbegünstigen Verbund nicht mehr unmittelbar selbst noch einen weiteren gemeinnützigen Zweck operativ ausüben. Zur Frage, wie das Erfordernis der Ausschließlichkeit im Hinblick auf das Halten von Beteiligungen zu verstehen ist, positioniert sich das BMF eindeutig und stellt klar, dass hier die Beteiligung – ohne die Einhaltung einer Mindestbeteiligungsquote – an nur einer steuerbegünstigten Körperschaft ausreicht und zudem das Halten von Anteilen an steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften zugelassen wird. Die Beteiligung ist – wie oben erwähnt – dem ideellen Bereich zuzuordnen, wenn die Beteiligungsgesellschaft auch die steuerbegünstigten Zwecke der Holding verfolgt. Es handelt sich dann um sogenanntes nutzungsgebundenes Vermögen, wodurch der Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel zur Finanzierung der Anschaffungskosten der Beteiligung ermöglicht wird. Die in der Vergangenheit seitens der Finanzverwaltung vorgenommene kritische Überprüfung der Mittelherkunft für einen Beteiligungserwerb dürfte damit zukünftig entfallen.

Sofern die Holding entgeltliche Leistungen gegenüber ihren Tochtergesellschaften ausführt (z.B. Buchführungstätigkeiten), sind diese weiterhin grundsätzlich dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, wobei unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 AO eine Zuordnung zum steuerbegünstigten Bereich im Wege des planmäßigen Zusammenwirkens möglich ist.

Beteiligungen an gewerblichen, nicht steuerbegünstigten Körperschaften sind damit weiterhin in Abhängigkeit von der Einflussnahme auf die laufende Geschäftsführung als vermögensverwaltende Tätigkeit zu klassifizieren oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Damit stellen die Einnahmen aus den Beteiligungen nunmehr je nach Zuordnung zur jeweiligen Sphäre sowohl Einnahmen im ideellen Bereich als auch in der Vermögensverwaltung oder im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar.

Losgelöst vom BMF-Schreiben ist zu beachten, dass die Aufgabe der operativen Tätigkeit einer Holdinggesellschaft nicht nur unter gemeinnützigkeitsrechtlichen Aspekten betrachtet werden sollte. Es könnten sich beispielsweise umsatzsteuerliche Konsequenzen durch den Wegfall der Unternehmereigenschaft im Hinblick auf eine bestehende umsatzsteuerliche Organschaft ergeben, sofern die Holdinggesellschaft zu einer reinen Finanzholding wird und keine weiteren entgeltlichen Tätigkeiten ausübt.

Die neuen Mittelweiterleitungsmöglichkeiten

Die Neufassung des § 58 Nr. 1 AO erlaubt eine nahezu unbegrenzte Mittelweiterleitung an andere steuerbegünstigte oder öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke. Eine Zweckidentität ist nicht mehr erforderlich.

Bei der Mittelweiterleitung handelt es sich um eine Art der Zweckverwirklichung und nicht um einen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck. Die steuerbegünstigten Zwecke sind weiterhin in der Satzung anzugeben. Handelt es sich bei der Mittelweitergabe um die einzige Art der Zweckverwirklichung, muss dies in der Satzung benannt sein (Förderkörperschaft). Wird ein bestimmter steuerbegünstigter Zweck nur durch die Mittelweitergabe (und nicht unmittelbar selbst) verwirklicht, ist dies als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung gesondert aufzunehmen.

Gemäß AEAO zu § 58 werden unter Mitteln nicht nur Bar- oder Buchgeld, sondern auch Nutzungsüberlassungen oder das Erbringen von Dienstleistungen verstanden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Zuordnung dieser Nutzungen bzw. Dienstleistungen zum ideellen Bereich oder zum Zweckbetrieb nur bei unentgeltlicher Überlassung oder bei Kostendeckung erfolgen kann. In diesen Fällen können die eingesetzten Vermögensgegenstände aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden. Sofern Überdeckungen erzielt werden, greift § 58 Nr. 1 AO nicht mehr und eine Zuordnung zur Vermögensverwaltung bzw. zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist die Folge. Sofern die Mittelüberlassungen Gegenstand eines satzungsgemäß verankerten planmäßigen Zusammenwirkens sind, gelten allerdings die Regelungen des § 57 Abs. 3 AO.

Aufgrund der Billigkeitsregelung gemäß AEAO Nr. 9 zu § 60 muss die Satzung aufgrund der Neuregelungen zu § 58 Nr. 1 AO nicht geändert werden, wenn die bisherige Tätigkeit weiterhin in gleichem Umfang durchgeführt wird.

Das BMF-Schreiben enthält zudem Hinweise zum neu geschaffenen § 58a AO hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei Mittelweitergaben. So reicht unter anderem für den Nachweis der Steuerbegünstigung der empfangenden Körperschaft eine (elektronische) Kopie des Körperschaftsteuer- bzw. Freistellungsbescheides oder des §-60a-Bescheides aus. Bei Zuwendungen an Körperschaften des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke gilt stets der Vertrauensschutz.

Keine Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung bei Einnahmen unter 45.000 EUR

Die in § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO aufgenommene Regelung entbindet kleine Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von unter 45.000 EUR von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung. Unter Einnahmen sind die Einnahmen im ideellen Bereich sowie die Bruttoeinnahmen in der Vermögensverwaltung, im Zweckbetrieb und im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu verstehen. Auch Mittelzuflüsse in das Vermögen der Körperschaft, die grundsätzlich nicht zeitnah zu verwenden sind, sind einzubeziehen. Wird die Grenze in einem Veranlagungszeitraum nicht überschritten, sind sämtliche vorhandene Mittel nicht zeitnah zu verwenden. Bei Überschreitung der Grenze unterliegen die in den Jahren der Unterschreitung angesammelten Mittel ebenfalls nicht der zeitnahen Mittelverwendung.

Weitere Aspekte der Gemeinnützigkeitsrechtsreform

Das Schreiben enthält zudem Hinweise zu den nachfolgenden Änderungen:

  • Erläuterungen zu den neuen gemeinnützigen Katalogzwecken Ortsverschönerung, Förderung des Freifunks und Unterhaltung von Friedhöfen
  • Feststellungen nach § 60a AO
  • Anwendung der Besteuerungsgrenze von 45 TEUR gemäß § 64 Abs. 3 AO erstmals ab Veranlagungszeitraum 2020
  • Hinweise zu den neuen Katalogzweckbetrieben (§ 68 AO), insbesondere zur Hilfsbedürftigkeit von Flüchtlingen

Fazit

Durch das BMF-Schreiben werden nunmehr viele Einzelfragen geklärt. Die Ausführungen zur Gemeinnützigkeit von reinen Holdinggesellschaften nach § 57 Abs. 4 AO oder zum Einsatz von zeitnah zu verwendenden Mitteln im Rahmen von Beteiligungserwerben oder Nutzungsüberlassungen bzw. bei Betriebsaufspaltungsmodellen sind positiv zu beurteilen.

Allerdings sind die von der Finanzverwaltung aufgestellten Anforderungen an die Kooperationen von steuerbegünstigten Körperschaften im Sinne des § 57 Abs. 3 AO einschränkend und unpraktikabel. Die aus Sicht der Finanzverwaltung erforderliche Benennung aller Kooperationspartner sowie der Art und Weise der Kooperation in der Satzung produziert gerade bei sich ständig wandelnden Konzernstrukturen im Gesundheitssektor regelmäßige Satzungsänderungen auf allen Seiten, denn jede Aufnahme einer neuen Tätigkeit und jeder Kooperationspartner muss demnach neu in die Satzung aufgenommen werden. Die begrüßenswerte gesetzliche Neuregelung zum planmäßigen Zusammenwirken im gemeinnützigen Bereich wird damit seitens der Finanzverwaltung konterkariert bzw. die Umsetzung erheblich erschwert. Es stellt sich also weiterhin die Frage, wie detailgenau die Satzungen formuliert werden müssen.

Für eine Beratung oder Rückfragen zu den für Sie relevanten Neuregelungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß