Rechnungslegungsvorschriften nach WVO auch für „andere Leistungsanbieter“

Seit Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) im Jahr 2018 können Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungs- bzw. Arbeitsbereich nach den §§ 57 und 58 SGB IX haben, diese auch bei einem sogenannten „anderen Leistungsanbieter“ in Anspruch nehmen. Das BTHG verfolgt damit das Ziel, den Menschen mit Behinderung mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten. Auch diese anderen Leistungsanbieter müssen die besonderen Rechnungslegungsvorschriften gemäß § 12 WVO anwenden.

In § 60 SGB IX werden die erleichterten Voraussetzungen für andere Leistungsanbieter geregelt. Diese unterscheiden sich von der klassischen Werkstatt für behinderte Menschen beispielsweise dadurch, dass sie keiner förmlichen Anerkennung bedürfen und weder über eine Mindestplatzzahl noch über die für die Erbringung der Leistungen in Werkstätten erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen müssen.

§ 60 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX schreibt aber vor, dass die Leistungen nach den §§ 57 oder 58 SGB IX ausschließlich in betrieblicher Form mit einem besseren als der in § 9 Abs. 3 WVO für den Berufsbildungsbereich oder für den Arbeitsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen festgelegten Personalschlüssel erbracht werden sollen. Weiter regelt Absatz 4, dass für das Rechtsverhältnis zwischen dem anderen Leistungsanbieter und dem Menschen mit Behinderungen § 221 SGB IX entsprechend gilt, wonach behinderte Menschen im Arbeitsbereich – so wie bei den anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen auch – in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhält zu dem anderen Leistungsanbieter stehen.

Der andere Leistungsanbieter zahlt aus seinem sogenannten Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften an die behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.
 

Die besonderen Rechnungslegungsvorschriften gemäß § 12 WVO gelten auch für andere Leistungsanbieter

Für andere Leistungsanbieter gelten gemäß § 60 Abs. 2 SGB IX darüber hinaus auch die nicht explizit ausgeschlossenen Vorschriften für Werkstätten für behindert Menschen. Diese besonderen Rechnungslegungsvorschriften sind in § 12 der WVO geregelt. Entsprechend muss der andere Leistungsanbieter, ebenso wie die anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein. Er hat nach kaufmännischen Grundsätzen Bücher zu führen und eine Betriebsabrechnung in Form einer Kostenstellenrechnung sowie einen Jahresabschluss zu erstellen. Zusätzlich sind das Arbeitsergebnis, seine Zusammensetzung im Einzelnen und seine Verwendung auszuweisen. Die Buchführung, die Betriebsabrechnung und der Jahresabschluss einschließlich der Ermittlung des Arbeitsergebnisses, seiner Zusammensetzung im Einzelnen und seiner Verwendung sind in angemessenen Zeitabständen in der Regel von einer Person zu prüfen, die als Prüfer bei durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Prüfungen des Jahresabschlusses (Abschlussprüfer) ­juristischer Personen zugelassen ist.

Wie genau die Ermittlung und Verwendung des sogenannten Arbeitsergebnisses zu geschehen hat, ist in den Absätzen 4 und 5 der WVO geregelt. Demnach ist das Arbeitsergebnis die Differenz aus den Erträgen und den notwendigen Kosten des laufenden Betriebs im Arbeitsbereich der Werkstatt. Die Erträge setzen sich zusammen aus den Umsatzerlösen, Zins- und sonstigen Erträgen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit und den von den Rehabilitationsträgern erbrachten Kostensätzen. Das so ermittelte Arbeitsergebnis darf nur für Zwecke der Werkstatt verwendet werden, und zwar für die Zahlung der Arbeitsentgelte an die Beschäftigten (in der Regel im Umfang von mindestens 70 % des Arbeitsergebnisses) und darüber hinaus für die Bildung von Rücklagen, das heißt einer zum Ausgleich von Ertragsschwankungen notwendigen Rücklage (höchstens eines Betrages, der zur Zahlung der Arbeitsentgelte für sechs Monate erforderlich ist) oder einer Rücklage für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen in der Werkstatt.
 

Praxis-Hinweis

Die in der WVO geforderten besonderen Vorschriften zur internen und externen Rechnungslegung, insbesondere hinsichtlich der Ermittlung und Verwendung des Arbeitsergebnisses sowie der Bildung der Rücklagen nach der WVO, bedürfen einer organisatorischen Ausrichtung des betrieblichen Rechnungswesens speziell auf diese Informationsbedürfnisse. Wenn Sie Fragen dazu haben oder Unterstützung bei der Implementierung der besonderen Anforderung in Ihrem Rechnungswesen benötigen, sprechen Sie uns gerne an.

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