Das Pflegebudget – eine weitere Herausforderung für die finanzielle Lage der Krankenhäuser?

Ende 2022 ist immer noch ein großer Teil der Pflegebudgetverhandlungen für 2020 und 2021 nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Regierung des Verhandlungsstaus angenommen und bereits im vergangenen Sommer mit dem Pflegebonusgesetz auf eine zeitnahe Übermittlung der Testate des Abschlussprüfers (unabhängig von einer Vereinbarung mit den Kostenträgern) gedrängt und anschließend eine Frist zur zeitnahen Budgetverhandlung veröffentlicht. Diese Regelungen sollen die Krankenhäuser zukünftig zu einer fristgerechten Verhandlung bewegen. Andernfalls drohen Sanktionen. Zusätzlich zu der zeitlich knappen Aufarbeitung der Pflegebudgets 2020 und 2021 folgt nun die Herausforderung, vor dem 1. Juni 2023 die Pflegebudgets 2022 zu prüfen und zu testieren.

 

Häuser, die bislang unverhandelte Pflegebudgets ausweisen und einen individuellen Pflegeentgeltwert über dem gesetzlich abrechenbaren Pflegeentgeltwert kalkulieren, laufen Gefahr, durch den Verhandlungsstau und die Vorfinanzierung der pflegebudgetrelevanten Kosten eine immer größere Liquiditätslücke aufzubauen. Die Krankenhäuser gehen in Vorleistung und tragen gleichzeitig das Risiko, dass über die nachgelagerte Vereinbarung ein Teil der bereits entstandenen Kosten nicht gedeckt sein wird.

Für Krankenhäuser mit einem individuellen Pflegeentgeltwert unter dem gesetzlich abrechenbaren Pflegeentgeltwert bestand aufgrund von Ausnahmeregelungen für das Jahr 2020 keine Rückzahlungsverpflichtung. Für das Jahr 2021 und die Folgejahre wird die Differenz rückzahlungspflichtig und bis zur Umsetzung der Vereinbarung als Verbindlichkeit nach KHEntgG bilanziert. Beide Situationen können insbesondere die Liquiditätslage deutlich prägen. Das Ausbleiben der Verhandlung im Falle eines Forderungsanspruchs führt bei Häusern ohne einen entsprechenden Liquiditätspuffer zu einem Liquiditätsengpass. Krankenhäuser, die eine Verbindlichkeit ausweisen, müssen dagegen mit einer Belastung der Liquidität rechnen, sobald die Verhandlung umgesetzt wird und das Krankenhaus die überfinanzierten Anteile des Pflegeentgeltes ausgleichen muss.

Der Verhandlungsstau führt im Fall einer Vorfinanzierung dazu, dass für bisher unverhandelte Budgets aus 2020 die preislichen und mengenbedingten Veränderungen innerhalb der Dienstart 01 zu Lasten des Krankenhauses gehen. Ein personeller Aufbau in der Dienstart wird demnach so lange vom Krankenhaus vorfinanziert, bis es diesen Aufbau vereinbaren kann.

Die Kostenträger ihrerseits klagen zunehmend über den Kostenanstieg der Pflegebudgets. Inzwischen sehen wir mitunter pauschalierte Verhandlungsergebnisse, die zu einem schnelleren Verhandlungsende führen. Hierbei werden individuelle Hausstrukturen meistens nicht oder nur teilweise berücksichtigt, was sich für die Krankenhäuser nachteilig auswirken kann. Die Häuser gehen jedoch oft auf das Angebot ein, da ein „Aussitzen“ bzw. ein sachgerechtes Verhandeln meistens zu langwierig wäre und der Liquiditätsdruck für das Krankenhaus nicht länger tragbar ist.

Auswirkungen auf den Jahresabschluss

Diejenigen Häuser, die durch ein testiertes oder auch kalkuliertes Pflegebudget eine Forderung gemäß KHEntgG bilanzieren dürfen (Risikoabschläge bei kalkulierten und noch nicht final verhandelten Budgets eventuell eingeschlossen), verbessern mit dieser Buchung ertragswirksam ihr Jahresergebnis. Je nach Einstufung dieser Forderung (kurzfristig/langfristig) verändern sich die Liquiditätsgrade spürbar. Den Krankenhäusern ist teilweise nicht bewusst, dass eine Einordnung dieser Forderung als kurzfristig zu einer falschen Einschätzung der finanzwirtschaftlichen Stabilität führen kann. Je nach Verhandlungslage muss die Forderung realistischerweise als mittelfristig angesehen und/oder die Werthaltigkeit hinterfragt werden. Die Liquiditätsprognose gewinnt für diese Häuser entsprechend an Bedeutung.

Wenn hingegen eine Verbindlichkeit bilanziert werden musste, können nach der Vereinbarung eines Budgetwertes hohe Nachzahlungen an die Kostenträger bei den Krankenhäusern finanzwirtschaftliche Probleme auslösen. Hierzu ist gesetzlich vorgeschrieben, dass gemäß § 6 Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung vom 21. März 2022 bei einer Abweichung der Summen der Erlöse aus tagesbezogenen Pflegeentgelten vom vereinbarten Pflegebudget die Mehr- oder Mindererlöse über das Pflegebudget des nächstmöglichen Vereinbarungszeitraums vollständig ausgeglichen werden sollen. Dasselbe gilt bei einer Abweichung der tatsächlichen von den vereinbarten Pflegepersonalkosten nach § 6a Abs. 2 Satz 3 KHEntgG. Es ist noch ungewiss, wie sich die Rückzahlungsströme bei einem Mindererlös-Ausgleich auswirken werden und wie kurzfristig der Ausgleich geleistet werden muss.

Ausblick

Die Lage verschärft sich überdies durch das Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG). Ab 2025 werden die Berufsgruppen „sonstige Berufe“ und „ohne Berufsabschluss“ wieder in die Kosten der Fallpauschalen zurückgeführt. Hierzu wurde übergangsweise beschlossen, dass für 2023 und 2024 die in Vorjahren bereits vereinbarte Anzahl der Vollkräfte ohne pflegerische Qualifikation als nachgewiesen gilt. In den genannten Berufsgruppen bestehen erfahrungsgemäß die meisten Diskussionspunkte mit den Kostenträgern, da hier Abgrenzungsfragen bestehen und oft individuelle Hausstrukturen berücksichtigt werden müssen. Dies kann eine Verhandlung verlängern oder sogar bis zur Schiedsstelle führen, denn die Kostenträger sehen hier die Gefahr der Doppelfinanzierung.

Das GKV-FinStG bedeutet für das Pflegebudget einen konzeptionellen Rückschritt, der dem Grundgedanken des Pflegepersonalstärkungsgesetzes widerspricht. Zukünftig muss nach Umstellung des Pflegebudgets die Rückführung der Berufsgruppen „sonstige Berufe“ und „ohne Berufsabschluss“ in der Wirtschaftsplanung 2025 als Effekt berücksichtigt werden und wird erneut zu Sondereffekten im Abschluss 2025 führen. Den Krankenhäusern wird damit die langfristige Personalplanung im Bereich der Pflege und die Kalkulation der Erlösbudgets zusätzlich erschwert, da auch der Katalogeffekt betroffen ist. Wir beobachten bei einzelnen Krankenhäusern einen negativen Effekt aus dem Pflegebudget, geschuldet einem interpretationsbedürftigen rechtlichen Rahmen, der zu einer langwierigen und schwierigen Systemumstellung geführt hat. Die derzeitigen politischen Diskussionen zeigen, dass das Pflegebudget auf dem Prüfstand steht. Der Gesetzgeber hält an einer grundsätzlichen Überarbeitung fest. An konkreten Änderungsgedanken fehlt es indes noch.

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Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Köln, Leitung KompetenzTeam Krankenhäuser

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