Komplexe Erlösstruktur erfordert Steuerung
Geschäftsführer und Vorstände von Komplexträgern oder ambulanten Pflegediensten sind oft erstaunt, wenn der eigene Pflegedienst plötzlich tiefrote Zahlen ausweist. Das liegt daran, dass ambulante Pflegedienste oft unter dem Controlling-Radar laufen und Fehlentwicklungen deshalb nicht oder viel zu spät erkannt werden. Das hat triftige Gründe.
Denn nicht nur die Erlösstruktur eines ambulanten Pflegedienstes ist wesentlich komplexer als die einer voll- oder teilstationären Einrichtung. Gleiches gilt für die Steuerung der Personalkosten, die ebenfalls komplexere Strukturen aufweist. Auch beim Kernprozess der ambulanten Leistungsabrechnung bis hin zur Verfolgung der offenen Posten ist ein effektives Vorgehen der wesentliche Erfolgsfaktor.
Komplexe Erlösstruktur erfordert Steuerung
Im Gegensatz zur vollstationären Einrichtung gibt es in ambulanten Pflegediensten vier verschiedene Einnahmequellen:
- Erlöse aus medizinischer Behandlungspflege (SGB V)
- Erlöse aus Grundpflege, Hauswirtschaft und Betreuung (SGB XI)
- Erlöse aus SGB XII
- Privaterlöse
Zudem hat ein zugelassener Pflegedienst in der Regel zwei Verträge – einmal mit den Krankenkassen (SGB V) und einmal mit den Pflegekassen (SGB XI), woraus unterschiedliche Vergütungssysteme resultieren. Anders als im stationären Bereich bedeutet ein bestimmter Pflegegrad (SGB-XI-Anspruchsgrundlage für den Versicherten) zwar ein definiertes Erlöspotenzial aus dem Sachleistungsanspruch – aber eben noch keinen generierten Erlös, da Menschen in der häuslichen Versorgung selten ihren Sachleistungsanspruch voll ausfüllen, sondern noch gerne (anteiliges) Pflegegeld mitnehmen.
Beispiel
Der Patient Willi Meier hat Pflegegrad 3 und somit monatlich ein Sachleistungspotenzial von 1.298 EUR bzw. einen Geldleistungsanspruch von 545 EUR. Da seine Rente äußerst knapp ist, ist er auf das Einkommen aus dem anteiligen Pflegegeld angewiesen. Herr Meier bezieht Sachleistungen in Höhe von 900 EUR durch den Pflegedienst und bekommt monatlich noch 165 EUR anteiliges Pflegegeld überwiesen.
Aus diesem Grunde ist es hilfreich, die Kennzahl „Sachleistungsquote“ zu erheben. Diese sagt aus, wie hoch der Umsatz gemessen am SGB-XI-Sachleistungspotenzial aus allen Pflegegraden der Patienten ist. Diese Kennzahl gibt unter anderem Aufschluss über die Fähigkeit der Pflegedienstleistung (PDL), Sachleistungen zu „verkaufen“.
Auf die Produktivität kommt es an
Der wirtschaftliche Erfolg eines ambulanten Pflegedienstes sollte an Produktivitätskennzahlen gemessen werden, zum Beispiel:
- Kosten und Erlös einer Produktivstunde
- Quotient aus Erlösen und Vollkosten einer Produktivstunde
- Anteil der Produktivstunden an den Brutto-Arbeitsstunden des Pflegepersonals
Die unterschiedlichen Erlösquellen ziehen unterschiedliche Erlöse je Stunde nach sich. Die Problematik ist nicht selten, dass eine komplexe Wundbehandlung hochgerechnet auf eine Stunde weniger Erlös bringt als eine Ganzkörperwaschung. Die Krux ist dabei, dass nur die teurere Pflegefachkraft die Wunde versorgen darf – wohingegen die günstigere Hilfskraft die Ganzwaschung durchführen kann. Diese Beispiele ließen sich endlos fortführen. Nur so viel: In Nordrhein-Westfalen sind die Spätdiensttouren mit einfachen Behandlungspflegemaßnahmen, die auch von angelernten Kräften durchgeführt werden können (so genannte „sonstige geeignete Kräfte“), oftmals die lukrativsten Touren. Im Gegensatz dazu verzweifeln Entscheider von konfessionellen Pflegediensten oft, wenn die Fachkraft, deren monatliche Vergütung mehr als 4.500 EUR inkl. AG-Anteil ohne Sachkostenumlage beträgt, defizitär ist, da sie die komplexen Behandlungspflegen fahren muss – die zumindest in Nordrhein-Westfalen sehr schwach vergütet werden.
Liquiditätshindernisse: Abrechnung, Fuhrpark
Oftmals schaffen es ambulante Pflegedienste nicht, die monatliche Abrechnung so vorzubereiten und durchzuführen, dass diese innerhalb weniger Werktage nach Monatsabschluss erfolgen kann. Jeder zusätzlich benötigte Werktag erhöht das Risiko für Erlösausfälle. Der fakturierte Umsatz wird dadurch geschmälert, dass im Anschluss kein strukturiertes Mahnwesen oder aber dieses zu spät erfolgt. Gerade im ambulanten Bereich steigt damit die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls von Forderungen. Aufgrund des Eigenanteils der Klienten bei der Abrechnung braucht es regelmäßige und kurzfristige Mahnungen.
Die Kosten des Fuhrparks lassen sich durch strukturierte Wartungsprozesse verringern. Tankkarten ersetzen nicht nur ein Bargeldverfahren, sondern ermöglichen ein Controlling der Kraftstoffverbräuche in Echtzeit und schützen gleichzeitig vor möglichen Manipulationen.
Diese Aspekte sind bei Vorständen und Geschäftsführern nicht weit verbreitet. Obwohl sich die Anforderungen an die betriebswirtschaftliche Kompetenz ambulanter Pflegedienstleitungen erheblich erhöht haben, vermitteln weder die Studiengänge noch die klassischen PDL-Schulen diese spezifischen Kenntnisse. Tatsächlich aber lässt sich sowohl in solitären ambulanten Diensten als auch bei Komplexträgern schnell und effektiv ein Controlling-System einführen und etablieren, welches die gezielte Steuerung des Pflegedienstes ermöglicht. Ein solches Controlling-Cockpit ist transparent und dient überdies als Frühwarnsystem. Auch der Aufbau als lernendes System ist möglich. Eine gezielte Schulung der PDL und anderer am Controlling Beteiligter gewährleistet den mühelosen Umgang mit einem Kennzahlen-Cockpit, damit zukünftig böse Überraschung vermieden werden.
Praxis-Hinweis
Damit Sie mit Ihrem Pflegedienst im sicheren Fahrwasser bleiben, braucht es ein entsprechendes Pflegedienst-Steuerungscockpit. Dieses zeigt punktgenau auf, wo der Schuh drückt – sowohl zur Lösung einer aktuellen Krise als auch zur Prävention.