Patienteninformation: Ärzte dürfen im Rahmen der Aufklärung auf vorformulierte Formulare zurückgreifen

Ärztliche Aufklärungsformulare, die insbesondere die Entscheidung des Patienten für oder gegen die Durchführung einer angeratenen Untersuchung dokumentieren sollen, unterliegen gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich keiner AGB-rechtlichen Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 308, 309 BGB.

 

BGH setzt mit Entscheidung großzügige Rechtsprechung fort

Ärztliche Aufklärungsformulare, die insbesondere die Entscheidung des Patienten für oder gegen die Durchführung einer angeratenen Untersuchung dokumentieren sollen, unterliegen gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich keiner AGB-rechtlichen Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 308, 309 BGB. Für die ärztliche Aufklärung gelten die durch die Rechtsprechung des BGH entwickelten, ei-genständigen Regeln, die auch das Beweisregime erfassen (Urteil vom 02.09.2021 – III ZR 63/20).

Der Fall

Ein Verband von Augenärzten hatte seinen Mitgliedern ein Patienteninformationsblatt empfohlen, das die – nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthaltene – Früherkennungsunter-suchung des Grünen Stars (Glaukom) zum Inhalt hatte. Darin haben Patienten vor Unterschrift die Möglichkeit anzukreuzen, ob sie eine Untersuchung zur Früherkennung wünschen oder nicht. Die Klausel lautet: „Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früher-kennungsuntersuchung ärztlich geboten ist“. Darunter befand sich als Zusatz die Ankreuzoption: „Ich wünsche zur Zeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.“

Gegen diese Klauseln wandte sich ein Verbraucherschutzverband und klagte auf Unterlassung. Zum einen würde es sich um eine unzulässige Tatsachenbehauptung (§ 309 Nr. 12 Hs. 1 b BGB) handeln. Zum anderen würden Patienten psychologisch unter Druck gesetzt, weil sie mit dem Kreuz an der „Nein, danke“-Stelle dem ärztlichen Rat offen widersetzen müssten. Die Verbraucherschützer sahen in den Klauseln daher auch ein unzulässiges Drängen zur Behandlung (§ 4a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Erstinstanzlich hatte die Klage Erfolg. Das OLG Düsseldorf und der BGH wiesen die Klage hingegen zurück.

Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle

Der BGH weist darauf hin, dass die Klausel nicht gegen AGB-Recht verstoße. Das Informationsblatt bzw. die Klausel diene der Dokumentation der über die Früherkennungsuntersuchung des Glaukoms erfolgten Aufklärung und der Entscheidung der Patienten, ob sie die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchten. Die Patienteninformation sei zwar prinzipiell als AGB zu qualifizieren. Für die ärztliche Aufklärung würden jedoch eigenständige, durch die BGH-Rechtsprechung entwickelte, Sonderregeln gelten, die auch die Beweislast erfassen. Hiernach seien die unterzeichneten Aufklärungs- und Einwilligungsformulare wesentlicher Anhaltspunkt für den Inhalt der Aufklärung. Dass es sich hierbei um vorformulierte Informationen handele, stehe einer Beweiswirkung nicht entgegen.

Im Übrigen habe der Gesetzgeber durch das Patientenrechtegesetz an diese Rechtsprechungsgrundsätze angeknüpft. Danach sind Patienten im Rahmen der Aufklärung Abschriften von Unterlagen, die sie unterzeichnet haben, auszuhändigen (§ 630 e Abs. 2 S. 2 BGB). Diese Regelung hätte keinen Anwendungsbereich, so der BGH, ließe man die Patientenformulare an § 309 Nr.12 Hs. 1 b BGB scheitern. In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags füge sich die angegriffene Klausel ein, sodass sie mit der Rechtslage übereinstimme.

Fazit

Das Urteil ist erfreulich. Der BGH setzt mit der Entscheidung seine großzügige Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung fort und stellt klar, dass an die ärztliche Aufklärung keine unbilligen, übertrie-benen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dabei betont der BGH insbesondere, dass Ärzte im Behandlungsalltag zur Verbesserung ihrer Beweissituation im Hinblick auf eine erfolgte Aufklärung auf vorformulierte Formulare zurückgreifen dürfen. In diesem Zusammenhang weist der BGH sogar explizit auf die Vorteile vorformulierter Informationen hin und dass diesen selbst dann ein Beweiswert beigemessen werde, wenn sie nicht unterschrieben seien.

Bei der Frage nach der ärztlichen Aufklärung geht es letztlich immer um eine Gesamtschau des Einzelfalles. Maßgebliche Kriterien sind die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt oder ein Aufklärungs- oder Einwilligungsformular für Patienten sowie z.B. die übliche Beratungspraxis.

Sollten Sie unsicher sein, ob die von Ihnen praktizierte ärztliche Aufklärung – in einem etwaigen Rechtsstreit – ausreichend im Sinne der Rechtsprechung ist, sprechen Sie uns gerne an.
 

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