Nichterhebung der Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen im Konzern

Die sogenannte Konzernklausel nach § 6a GrEStG ermöglicht unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen grunderwerbsteuerfreie Umstrukturierungen im Konzern. Der BFH hat jüngst entschieden, dass sich die Definition des herrschenden Unternehmens i. S. d. § 6a Satz 3 GrEStG immer aus dem jeweiligen Umwandlungsvorgang ergibt und es bei mehrstufigen Beteiligungen unerheblich ist, wenn das beherrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 28. September 2022 – II R 13/20 – entschieden, dass sich die Definition des herrschenden Unternehmens i. S. d. § 6a Satz 3 GrEStG immer aus dem jeweiligen Umwandlungsvorgang ergibt und es bei mehrstufigen Beteiligungen unerheblich ist, wenn das beherrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

Der Fall

Die Klägerin war zu 100 % an der grundbesitzenden D-GmbH beteiligt. An der Klägerin war zu 100 % die E-GmbH beteiligt. An der E-GmbH war wiederum als oberste Rechtsträgerin die F-AG beteiligt. Die D-GmbH wurde als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Die Beteiligungsverhältnisse bestanden seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen, so dass die notwendige fünfjährige Vorbesitzzeit des § 6a GrEStG zum Zeitpunkt der Verschmelzung erfüllt und der Vorgang somit grunderwerbsteuerfrei war. Alle Gesellschaften waren Organgesellschaften desselben umsatzsteuerlichen Organkreises mit der F-AG als Organträgerin. Zuvor war die G-Stiftung umsatzsteuerliche Organträgerin gewesen. Das Finanzamt (FA) hatte die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG zunächst nicht gewährt, da die F-AG als oberste Rechtträgerin aufgrund der vorigen umsatzsteuerlichen Organschaft mit der G-Stiftung nicht während der gesamten Vorbesitzzeit von fünf Jahren vor der Verschmelzung die umsatzsteuerliche Unternehmerin (= Organträgerin) gewesen war. Nach einem Einspruch bejahte schließlich das FA, dass die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sind. Als herrschendes Unternehmen wurde nunmehr die F-AG angesehen.

Rund zwei Jahre nach der Verschmelzung veräußerte die F-AG 26,8 % ihrer Anteile an der E-GmbH. Daraufhin erließ das FA einen Feststellungsbescheid, mit dem die vorige Steuerbefreiung für die Verschmelzung nicht mehr gewährt wurde. Dies wurde damit begründet, dass die F-AG als herrschendes Unternehmen nicht mehr mittelbar über die E-GmbH zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt und somit die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren nicht eingehalten worden sei. Den Einspruch dagegen wies das FA als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Das FA legte sodann Revision beim BFH ein.

Die Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen der Konzernklausel des § 6a GrEStG auch nach der Veräußerung der Anteile der F-AG an der E-GmbH innerhalb von fünf Jahren nach der Verschmelzung weiterhin erfüllt waren. So bewirkte die damalige Verschmelzung einen Eigentumsübergang an dem Grundstück der D-GmbH auf die Klägerin, welcher grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliege. Die Voraussetzungen des § 6a GrEStG waren aber erfüllt, da nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung bei einem entsprechenden steuerbaren Vorgang aufgrund des Vorliegens einer Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben wird. Voraussetzung ist hier, dass an dem Vorgang ein sogenanntes herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Dies ist dadurch erfüllt, dass das herrschende Unternehmen zu mindestens 95 % unmittelbar oder mittelbar an der abhängigen Gesellschaft bzw. den abhängigen Gesellschaften beteiligt ist. Diese Beteiligungshöhe muss ununterbrochen innerhalb von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) bestehen. Der BFH hatte bereits zuvor aufgrund des Widerspruchs im Gesetzeswortlaut klargestellt, dass die Vorbehaltens- und die Nachbehaltensfrist nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie in dem betreffenden Umwandlungsvorgang auch eingehalten werden können. So muss beispielsweise bei einer Verschmelzung die Nachbehaltensfrist nicht beachtet werden, da hier immer eine Gesellschaft erlischt und eine Einhaltung der Frist somit nicht möglich sein kann.

Welches Unternehmen als herrschendes Unternehmen und welches als abhängiges Unternehmen anzusehen ist, richtet sich nach dem jeweiligen einzelnen Umwandlungsvorgang. Laut BFH ist als beherrschendes Unternehmen das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Unerheblich ist damit, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Diese Auslegung folgt dem Wortlaut des § 6a Satz 3 GrEStG, der eine unmittelbare Beteiligung des herrschenden Unternehmens an dem Rechtsvorgang verlangt. Als Beispiel wird im Urteil ein dreistufiger Konzern mit Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft genannt, bei dem die Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft verschmolzen wird. Hier wird die Tochtergesellschaft als herrschendes Unternehmen und die Enkelgesellschaft als das abhängige Unternehmen betrachtet. Beide sind am Rechtsvorgang gemäß § 6a Satz 3 GrEStG unmittelbar beteiligt. Unerheblich ist, dass wiederum die Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft beherrscht wird, da diese an der Transaktion nicht beteiligt ist. Erlischt durch den Vorgang die Enkelgesellschaft, kann hierdurch umwandlungsbedingt die Nachbehaltensfrist durch die Tochtergesellschaft nicht eingehalten werden. Die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft ist wiederum unerheblich für die Beachtung der Nachbehaltensfrist.

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung durch den Verkauf der Anteile an der E-GmbH durch die F-AG nicht weggefallen, da an dem ursprünglichen Umwandlungsvorgang die Klägerin als herrschendes Unternehmen und die D-GmbH als abhängiges Unternehmen beteiligt waren. Unerheblich war, dass die Klägerin innerhalb von fünf Jahren nicht mehr an der D-GmbH beteiligt sein konnte, weil diese umwandlungsbedingt erloschen war. Weder die F-AG noch die E-GmbH waren an dem Umwandlungsvorgang beteiligt.

Praxis-Hinweis

Das Urteil hat auch Folgen für Umstrukturierungen von gemeinnützigen Unternehmensverbünden und Beteiligungsstrukturen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Der BFH hat in seinem Urteil klargestellt, dass im Hinblick auf die Nichterhebung von Grunderwerbsteuer nach § 6a GrEStG bezüglich des herrschenden Unternehmens immer auf den jeweiligen Umwandlungsvorgang abzustellen ist. Die Finanzverwaltung hat vor dem Urteil unisono die Auffassung vertreten, dass als das herrschende Unternehmen immer die Konzernobergesellschaft bzw. die oberste Rechtträgerin gilt. Dieser Sichtweise hat der BFH eine klare Absage erteilt. In der Praxis ist damit für jeden Rechtsvorgang zu bestimmen, welche Gesellschaft als herrschendes Unternehmen und welche beteiligten Unternehmen als nachgeordnet anzusehen sind. In einem weiteren Schritt ist festzuhalten, welche Vor- und Nachbehaltensfristen eingehalten werden können und müssen, um die Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen zu können.

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