Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts

Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) hat am 22. November 2022 eine Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts in Form der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ als Empfehlung für die deutschen (Erz-)Bistümer beschlossen. Die neue Grundordnung löst die Fassung vom 27. ­April 2015 ab.


Die Artikel der Grundordnung bilden die rechtliche Grundlage der Arbeitsverfassung der katholischen Kirche in Deutschland und gelten damit für rund 800.000 Arbeitnehmer.

Rückblick

Die seinerzeitige Reform der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ im Jahr 2015 verfolgte im Wesentlichen drei Ziele:

  • Bessere Beachtung der gelebten Rechtspraxis. Die in der vorherigen Fassung der Grundordnung beschriebenen Loyalitätsanforderungen hatten den Eindruck einer rigiden Rechtspraxis vermittelt, der nicht der praktischen Handhabung entsprach.
  • Differenziertere arbeitsrechtliche Betrachtung bestimmter Verhaltensweisen der Mitarbeiter im privaten Lebensbereich (wie Wiederverheiratungen, eingetragene Lebenspartnerschaften). So wurden die Bedingungen, nach denen eine Kündigung in entsprechenden Fällen in Betracht kommen sollte, enger gefasst, aber nicht final aufgegeben. Ferner blieben kirchenrechtlich ungültige Eheschließungen und das Eingehen von Lebenspartnerschaften weiterhin Loyalitätsverstöße. Eine arbeitsrechtliche Sanktionierung wurde jedoch auf „schwerwiegende Fälle“ beschränkt.
  • Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen in der Gesellschaft, in der staatlichen Gesetzgebung und in der Rechtsprechung.

Im Wesentlichen enthielt die Neufassung der Grundordnung im Jahr 2015 folgende Änderungen:

  • Keine Anwendung der Grundordnung für vorwiegend gewinnorientierte kirchliche Einrichtungen.
  • Kollektivarbeitsrechtlich wurde festgelegt, dass Gewerkschaften am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen organisatorisch zu beteiligen sind. Ebenfalls neu geregelt wurde das Zugangsrecht der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen, damit diese innerhalb der Einrichtungen für den Beitritt werben, über ihre Aufgabe informieren sowie Mitglieder betreuen können.
  • Im Bereich des individuellen Arbeitsrechts wurden die kirchenspezifischen Anforderungen angepasst. Schwerwiegende Verstöße gegen die Loyalitätsanforderungen können im Einzelfall arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Kündigungen aufgrund von Loyalitätsverstößen kommen nur dann in Betracht, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme für den Arbeitgeber darstellen. Welche Verstöße als schwerwiegend anzusehen sind, wird in der Grundordnung beispielhaft, aber nicht abschließend aufgezählt. Hierzu zählen zum Beispiel das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (etwa die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), der Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten.

Die erneute standesamtliche, kirchlich ungültige Heirat nach einer zivilen Scheidung (Wiederverheiratung) ist bei Katholiken hiernach als schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu werten, wenn dieses Verhalten nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Dasselbe gilt für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Wesentliche Neuerungen der Grundordnung 2022

Die jüngst verabschiedete Neuordnung umfasst zwei Dokumente, zum einen den Normtext zur „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ und zum anderen die zugehörigen „Bischöflichen Erläuterungen zum kirchlichen Dienst“.

Die Grundordnung ist als „Verfassung des kirchlichen Dienstes“ konzipiert. Der Normtext enthält nicht nur spezifisch arbeits- oder dienstrechtliche Regelungen, sondern insbesondere auch zentrale Aussagen zu den Strukturmerkmalen und Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes und zu wesentlichen Kennzeichen katholischer Identität. In ihrer Neufassung gilt die Grundordnung für alle Handlungsfelder des kirchlichen Dienstes und alle Beschäftigtengruppen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status, wobei besondere kirchliche Anforderungen an Kleriker und Ordensleute weiterhin gelten.

Neu ist auch der institutionenorientierte Ansatz. Hiernach tragen der Dienstgeber und seine Führungskräfte zuerst Verantwortung für den Schutz und die Stärkung des kirchlichen Charakters der Einrichtung. Die katholische Identität einer Einrichtung soll durch Leitbilder, eine christliche Organisations- und Führungskultur und durch Vermittlung christlicher Werte und Haltungen gestaltet werden.

Der Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegt keinen rechtlichen Bewertungen und entzieht sich dem Zugriff des Dienstgebers. Diese rechtlich unantastbare Zone erfasst insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre. Abgesehen von Ausnahmefällen bleibt der Austritt aus der katholischen Kirche wie in der bisherigen Fassung der Grundordnung ein Einstellungshindernis bzw. Kündigungsgrund. Auch eine kirchenfeindliche Betätigung steht einer Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung entgegen, nicht mehr aber die Wiederheirat.

Die Religionszugehörigkeit ist nach neuem Recht nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt zum einen für pastorale und katechetische Dienste und zum anderen für diejenigen Tätigkeiten, die das „katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren“. Personen, die diese Tätigkeiten ausüben, müssen katholisch sein. Dies stellt seinem Wortlaut nach eine Verschärfung gegenüber der Grundordnung von 2015 dar, die in Art. 3 Abs. 2 vorsah, dass erzieherische und leitende Aufgaben „in der Regel“ nur an Personen übertragen werden können, die der katholischen Kirche angehören. Von allen Mitarbeitern wird im Rahmen ihrer Tätigkeit jedenfalls die Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Einrichtung erwartet.

Praxis-Hinweis

Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen wird durch die novellierte Grundordnung als Bereicherung anerkannt. Alle Mitarbeiter können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentanten der katholischen Kirche sein, solange sie eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangeliums mitbringen, den christlichen Charakter der Einrichtung achten und dazu beitragen, ihn im eigenen Aufgabenfeld zur Geltung zu bringen.

Nachdem bereits durch die Grundordnung 2015 das Mitspracherecht des Dienstgebers bei der Lebensführung der Mitarbeiter stark eingeschränkt wurde, dürfte dieses Mitspracherecht des Dienstgebers durch die novellierte Grundordnung 2022 nun theoretisch und praktisch nicht mehr vorhanden sein.

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Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Münster

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