Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2016 – III ZR 279/15 – ist rechtlich geklärt: Verändert sich die Berechnungsgrundlage für das bisher mit dem Heimbewohner im Wohn- und Betreuungsvertrag vereinbarte Entgelt, so benötigt der Träger der Einrichtung für eine Erhöhung des Entgeltes die Zustimmung des Bewohners. Vertragliche Vereinbarungen, die ein einseitiges Erhöhungsrecht des Trägers vorsehen, sind unwirksam. Der Träger wiederum hat gegen den Bewohner einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Entgelterhöhung, sofern für sein Erhöhungsverlangen die materiellen Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 WBVG vorliegen und die formellen Anforderungen nach § 9 Abs. 2 WBVG eingehalten werden, d. h. die Entgelterhöhung mindestens vier Wochen zuvor schriftlich angekündigt und begründet wird. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat sich nunmehr mit der Konstellation einer Teilzustimmung zu einer Entgelterhöhung beschäftigt und hierbei die Anforderungen an das schriftliche Erhöhungsverlangen erfreulich deutlich präzisiert (OLG Dresden, Urteil vom 2. August 2022 – 4 U 143/22)
Der Fall
Zwischen der Bewohnerin und dem Träger einer Einrichtung bestand ein Wohn- und Betreuungsvertrag, wobei die für die Erhöhung des Entgelts bedeutsame Vertragsbestimmung im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 9 WBVG entsprach. Der Träger der Einrichtung machte gegenüber der Bewohnerin fristgerecht eine Entgelterhöhung wegen einer Änderung der Berechnungsgrundlage geltend. Die Bewohnerin stimmte jedoch dem Entgelterhöhungsverlangen nicht vollständig zu, sondern beschränkte ihre Zustimmung auf die Mehrkosten, die sich aus der Erhöhung des einrichtungsrelevanten Eigenanteils ergaben. Daraufhin verklagte der Einrichtungsträger die Bewohnerin auf Erteilung ihrer Zustimmung zur Erhöhung des Entgeltes.
Die Entscheidung
Das OLG Dresden verurteilte die Bewohnerin, der Entgelterhöhung zuzustimmen. Der Träger erhält das erhöhte Entgelt rückwirkend, denn die Zustimmung des Bewohners gilt rückwirkend zu dem Zeitpunkt als abgegeben, der vier Wochen nach dem wirksamen Erhöhungsverlangen liegt. Das Gericht qualifizierte das Erhöhungsverlangen des Trägers als ein Vertragsänderungsangebot gegenüber der Bewohnerin, wobei sich dieses Angebot auf das Gesamtentgelt bezog. In der bloß teilweisen Zustimmung sah das OLG Dresden daher keine Vertragsannahme, sondern wertete sie wegen der damit einhergehenden teilweisen Ablehnung des Vertragsänderungsangebots als neues Vertragsangebot gegenüber dem Träger. Eine konkludente Zustimmung der Bewohnerin sah das OLG Dresden zudem weder in der Zahlung des Teilbetrages noch im Verstreichenlassen des Sonderkündigungsrechts, das Bewohnern im Fall einer Entgelterhöhung zusteht (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG).
Zu begrüßen ist, dass das OLG Dresden keine überhöhten Anforderungen an das Erhöhungsverlangen stellt. Es führt hierzu in seiner Begründung aus:
„Erforderlich ist, dass die Begründung für den Einzelfall die Kostensteigerung nachvollziehbar darstellen muss. Dies erfordert hinsichtlich jeder betroffenen Kostenposition, dass deren Veränderung dem Grunde und der Höhe nach aufgezeigt wird. Es muss eine vergleichende Gegenüberstellung der bisherigen und der verlangten Kosten erfolgen bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung. Anzugeben ist ferner der Maßstab, nach dem die Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden, damit ermittelt werden kann, ob die Einzelbelastung zutreffend ermittelt wurde (…).“ Die Begründung des Erhöhungsverlangens erfordere „keine Aufschlüsselung der einzelnen Positionen oder die Angabe sämtlicher Kalkulationsgrundlagen bzw. eine Aufstellung sämtlicher in den einzelnen Positionen angefallenen Kosten.“
Zudem erklärt das OLG die Einbeziehung von Beträgen in die Erhöhung, denen für die Vergangenheit kein formell wirksames Erhöhungsverlangen zugrunde lag, für zulässig, da ansonsten „formelle Fehler eines Erhöhungsverlangens niemals geheilt werden könnten und der Heimträger dauerhaft gezwungen wäre, seine Leistung nicht kostendeckend abrechnen zu können, ohne hierauf seinerseits mit einer Kündigung des Pflegevertrags reagieren zu können. Dass dies mit dem den Pflegeheimvertrag in besonderer Weise prägenden Kooperationsprinzip und dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre, liegt auf der Hand.“
Fazit
Entgelterhöhungen müssen rechtzeitig angekündigt und sorgfältig begründet werden, da ansonsten Einnahmeausfälle drohen. Die Entscheidung des OLG Dresden präzisiert zugunsten der Einrichtungen die Anforderungen an die Begründung und zeigt, wann formelle Fehler aus der Vergangenheit geheilt werden. Vorsicht bleibt dennoch geboten, da es sich „nur“ um eine zweitinstanzliche Entscheidung (OLG) handelt. Aufgrund der Streitanfälligkeit des WBVG ist mit weiteren, auch höchstrichterlichen Entscheidungen zu rechnen.