Governance gewinnt an Bedeutung
Nach den Vorgaben der EU-Kommission rückt das Thema der Corporate Governance stärker in den Fokus der Berichterstattung. Der Lagebericht soll demnach die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie das zugrundeliegende interne Kontroll- und Risikomanagementsystem des Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte näher erläutern. In diesem Zusammenhang geben die Berichtsstandards ESRS 2 (General disclosures) und ESRS G1 (Business conduct) unter anderem die verpflichtende Darlegung der folgenden Governance-Faktoren vor:
- Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie Angaben über das zur Erfüllung der Aufgaben notwendige Fachwissen
- Beschreibung der Hauptmerkmale der internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme in Bezug auf den Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Beschlussfassung
- Integration der nachhaltigkeitsbezogenen Leistung in Anreizsysteme
- Angaben zur Unternehmensethik und Unternehmenskultur, einschließlich der Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie des Schutzes von Hinweisgebern
- Informationen über Tätigkeiten und Verpflichtungen des Unternehmens im Zusammenhang mit der Ausübung des politischen Einflusses bzw. der Lobbytätigkeiten
- Erläuterung über die Pflege und die Qualität der Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Gemeinschaften, die von den Tätigkeiten des Unternehmens betroffen sind
Eine nähere Betrachtung der aufgeführten Governance-Faktoren zeigt, dass bereits viele nachhaltige Aspekte, unter anderem durch den Corporate Governance Kodex und die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, abgedeckt werden. Die CSRD greift demnach verschiedene Anforderungen an eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung auf, deren Umsetzung nun allerdings erstmalig in vielen Unternehmen systematisch geprüft und offengelegt werden muss. Hierbei wird insbesondere die aktive Begleitung des Aufsichtsgremiums bei der nachhaltigen Unternehmenstransformation stärker in den Fokus gerückt. Sowohl die Vermeidung von Haftungsrisiken und Reputationsschäden als auch die Sicherstellung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gilt es hierbei zu beachten.
Offenlegungsanforderungen zur Unternehmensführung
Aus Sicht der CSRD muss der Adressat des Lageberichtes die nachhaltigkeitsbezogenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane nachvollziehen können. Hierbei ist unter anderem auf die Expertise sowie auf die Kriterien für die Nominierung und Auswahl der Organmitglieder (z. B. Diversität oder nachhaltigkeitsbezogene Berufserfahrung) einzugehen. Darüber hinaus muss beschrieben werden, wie die Leitungsorgane über Auswirkungen und die Identifizierung wesentlicher Risiken und Chancen angemessen informiert werden. Das Unternehmen legt hierzu eine Liste der Nachhaltigkeitsangelegenheiten (z. B. Strategie, Ziele, Aktionspläne) vor, die von den zuständigen Leitungsorganen im Berichtsjahr behandelt wurden. Hierbei ist anzugeben, ob die behandelten Themen zur Information, Konsultation oder Entscheidung vorgelegt wurden. Die detaillierten Ergebnisse der Diskussionen und Entscheidungen müssen nicht offengelegt werden.
Der ESRS 2 sieht des Weiteren eine Erläuterung der Integration von Nachhaltigkeitsstrategien und -leistungen in das Anreizsystem der Leitungsorgane vor. Es ist anzugeben, für wen diese Richtlinien gelten (z. B. Geschäftsführung, Verwaltung, leitende Angestellte) und ob nachhaltigkeitsbezogene Leistungskennzahlen zugrunde liegen. Damit soll nachvollziehbar sein, inwieweit die Nachhaltigkeitsauswirkungen angemessen gesteuert werden.
Verhinderung und Aufdeckung von Korruption oder Bestechung
Im Hinblick auf die Gestaltung und Einhaltung der Unternehmenskultur sieht der ESRS G1 eine Beschreibung der Mechanismen zur Identifizierung, Meldung und Untersuchung von rechtswidrigen Verstößen (z. B. Schmiergeldzahlungen, Betrug, Annahme von Geschenken) vor. Hierbei ist auch auf die Schutzmaßnahmen für die Meldung von Unregelmäßigkeiten (Schutz von Hinweisgebern) und auf Schulungsmaßnahmen (Anti-Korruptions- und Bestechungsschulungen) sowie auf die Kommunikationskanäle (z. B. spezielle Websites, Flyer) einzugehen. In diesem Zusammenhang müssen vor allem die korruptions- und bestechungsgefährdeten Funktionen (Personen) identifiziert und geschult werden. Zusätzlich muss das Unternehmen über öffentliche Verfahren wegen Korruption sowie über die Anzahl der bestätigten Fälle berichten. Es ist auch darzulegen, ob Verträge mit Geschäftspartnern aufgrund von Verstößen im Zusammenhang mit Korruption gekündigt oder nicht verlängert wurden. Die geforderten Informationen zur Art und zum Umfang der Schulungen können gemäß ESRS G1 AR.8 tabellarisch dargestellt werden.
Lieferantenmanagement rückt in den Fokus
Nach den Vorgaben des ESRS G1 müssen die Unternehmen ihren Beschaffungsprozess darlegen und hierbei die Sicherstellung nachhaltiger Aspekte beschreiben. Insbesondere das faire Verhalten gegenüber Lieferanten aus dem KMU-Bereich sowie die Auswahlkriterien der Lieferantenwahl werden im Standard hervorgehoben. Die Unternehmen legen demnach offen, nach welchen ethischen, sozialen und ökologischen Standards bzw. standardisierten Beurteilungsverfahren die Lieferanten ausgewählt und die Einhaltung überwacht wird (Mitarbeiterschulung, Einführung eines Lieferantenkodes, Anpassung der Beschaffungsrichtlinie). In diesem Zusammenhang müssen Angaben über die tatsächliche durchschnittliche Laufzeit bis zur Zahlung einer Rechnung und die Anzahl der Gerichtsverfahren wegen verspäteter Zahlungen veröffentlicht werden. Die nähere Betrachtung der Berichtsstandards ESRS 2 und ESRS G1 verdeutlicht, dass hier wesentliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes umgesetzt und im Lagebericht abgebildet werden.
Im Hinblick auf die Umsetzung der angeführten Vorgaben ist es empfehlenswert, vorhandene Beschaffungs- und Korruptionsrichtlinien um die Nachhaltigkeitskriterien zu ergänzen.
Umsetzung der nachhaltigen Governance
Die Analyse der Berichtsstandards verdeutlicht, dass ein Teil der Anforderungen durch bereits vorhandene Instrumente wie den Corporate Governance Kodex oder Beschaffungs- und Compliance-Richtlinien abgedeckt werden.
In einem ersten Schritt sollten daher die vorhandenen Prozessbeschreibungen und Richtlinien gesichtet und mit den Anforderungen der CSRD abgeglichen werden. In einem zweiten Schritt müssen die Aspekte Rolle der Unternehmensorgane, Verhinderung von Korruption und Lieferantenmanagement an die ESG-Vorgaben angepasst werden. Hierbei sind grob folgende Punkte zu beachten:
- Aufsichtsrat und Geschäftsführung müssen das Thema Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie einbinden und die Umsetzung der Berichterstattung sicherstellen. Bestehende Berichtsprozesse und Besetzungsverfahren (ESG-Expertise) sind zu überprüfen.
- Im Bereich der Korruptionsprävention sollte insbesondere die Art und Form von Schulungsmaßnahmen sowie die Sensibilisierung der Mitarbeiter und Lieferanten überprüft und modifiziert werden. Die Erfassung der Teilnehmer sowie die Durchführung einer Gefährdungsanalyse sind ebenfalls zu berücksichtigen.
- Im Hinblick auf die Lieferanten bietet es sich an, nach einer Wesentlichkeitsanalyse mit den wichtigsten Geschäftspartnern in den Dialog zu treten und eine Verpflichtungserklärung (Code of Conduct) einzuholen. Grundsätzliche Überlegungen aus der Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes können hier einfließen.
Praxis-Hinweis
Die Implementierung der Governance-Faktoren in die Nachhaltigkeitsberichterstattung bedingt eine Überprüfung bestehender Abläufe des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems sowie der personellen Zusammensetzung der Leitungs- und Aufsichtsorgane. Insbesondere die Umsetzung nachhaltiger Aspekte erfordert zukünftig entsprechende Kompetenzen und Ressourcen in den Gremien, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken und Reputationsschäden müssen die Unternehmen zeitnah einen laufenden ESG-konformen Überwachungs- und Berichterstattungsprozess implementieren. Hierbei können, soweit schon vorhanden, bestehende Prozesse und Richtlinien (Compliance, Beschaffungsrichtlinie etc.) entsprechend integriert werden.