Bundessozialgericht sorgt für Klarheit.
Krankenhäuser können in der Notaufnahme nicht pauschal das ganze Laborprogramm ohne Begründung durchlaufen lassen. Bestimmte Laboruntersuchungen können jedoch im Rahmen der Erstversorgung durchaus angezeigt sein, z. B. bei Verdacht auf Herzinfarkt, Schlaganfall oder Angina Pectoris (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 6/19 R).
Der Fall
Geklagt hatte ein im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen gelegenes Krankenhaus, weil die KV Hessen Laborleistungen nach Kapitel 32 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), die das Krankenhaus in der Notfallambulanz für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht hatte, um einen Gesamtwert von über 200.000 EUR gekürzt hatte. Die KV vertrat die Auffassung, dass die Laborleistungen im Rahmen der Notfallbehandlung nur in besonders begründeten Einzelfällen oder wenn das Krankenhaus als Auftragnehmer eines Überweisungsauftrages tätig wird, abrechnungsfähig seien.
Die Klägerin trug vor, dass eine unverzügliche Notfalldiagnostik zur Kernaufgabe der interdisziplinären Notfallaufnahme gehöre. Die Bestimmung des C-reaktiven Proteins, der Troponinwerte, der Keratinkinasekonzentration, der Leberwerte oder der Lipasewerte sowie des Blutbildes kann zur notwendigen Labordiagnostik in der Notaufnahme gehören. Je nach Verdachtsdiagnose könne auch die Erhebung weiterer Laborparameter erforderlich sein. Schließlich lieferten oftmals gerade die Laborparameter den entscheidenden Hinweis auf eine bestimmte Erkrankung und darauf, ob eine stationäre Aufnahme erforderlich oder eine ambulante Behandlung ausreichend sei.
Die KV Hessen verlangte die Vorlage weiterer Unterlagen von dem Krankenhaus, die im Einzelnen die Notwendigkeit der Laborleistungen für die Notfall-Erstversorgung belegen. Das Krankenhaus legte für elf Patienten Behandlungsunterlagen vor.
Die beiden Vorinstanzen (Sozialgericht Frankfurt und Hessisches Landessozialgericht) gaben dem Krankenhaus Recht und entschieden, dass die von der KV Hessen vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung eine Prüfung im Einzelfall erfordere. Eine pauschale Kürzung aller Laborleistungen sei rechtswidrig. Schließlich könne die Erhebung bestimmter Laborparameter im Rahmen einer Notfallbehandlung, z. B. zum Ausschluss eines Infarktverdachtes, erforderlich sein.
Auf die Revision der KV Hessen hat das Bundessozialgericht (BSG) die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Hessische Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen.
Das Urteil des BSG
Das BSG bestätigt, dass die KV Hessen nicht generell alle Notfallleistungen kürzen könne, wenngleich das klagende Krankenhaus zugegebenermaßen routinemäßig Laborparameter abgerechnet habe, die in diesem Umfang offensichtlich nicht zur Basisversorgung im organisierten Notdienst gehörten. Der ursprünglichen Auffassung der KV Hessen, dass Laborleistungen bei Notfallbehandlungen generell nicht berechnungsfähig seien, erteilte das BSG eine deutliche Absage. Ebenso hatte das BSG bereits in 2019 gegen die ähnlich rigide vorgehende KV Rheinland-Pfalz entschieden (BSG, Urteil vom 26. Juni 2019 – B 6 KA 68/17 R). Umgekehrt könne eine Klinikambulanz aber nicht pauschal ein weites Laborspektrum abrechnen.
In der Notfallambulanz könnten nur Leistungen abgerechnet werden, die zur Erstversorgung bzw. Diagnostik des Notfalls notwendig seien. Das BSG nennt beispielhaft die radiologische Untersuchung als oftmals zwingenden Bestandteil der Erstversorgung, z. B. zum Ausschluss eines Knochenbruchs. Routinemäßig durchgeführte Laboruntersuchungen gehen über den in der Notfallversorgung gebotenen Untersuchungsumfang hinaus. Wenn die Laboruntersuchungen bis zum Übergang des Patienten in die weitere stationäre oder ambulante Versorgung unerlässlich seien, könnten sie im Rahmen der Erstversorgung erbracht und abgerechnet werden. Daher könne selbst die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration oder des C-reaktiven Proteins in besonders gelagerten Einzelfällen Bestandteil einer Notfallbehandlung sein.
Das BSG bestätigte das Vorgehen der KV Hessen, weitere Unterlagen zur Dokumentation der Laboruntersuchungen anzufordern. Diese Sachverhaltsaufklärung muss jetzt vor dem Hessischen LSG nachgeholt werden, wohin das BSG den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat.
Fazit zur Abrechnung von Laborleistungen bei einer Notfallbehandlung
Auch wenn das BSG die Abrechnung von Laborleistungen als Teil einer Notfallbehandlung akzeptiert, kann vor einer anlasslosen Durchführung von Laboruntersuchungen in der Notfallambulanz nur gewarnt werden. Dies wird unweigerlich dazu führen, dass die KV die Laborleistungen allesamt sachlich-rechnerisch berichtigt, was ihr übrigens für einen Zeitraum von vier Jahren rückwirkend möglich ist. Das Krankenhaus hat dann den schwierigen Nachweis zu führen, warum im konkreten Einzelfall die Laboruntersuchung im Rahmen der Erstversorgung notwendig war. Wieder einmal kommt es dabei auf die Dokumentation an. Der notfalldiensthabende Arzt sollte daher bei der Anordnung von Laborbefunden darauf achten, dass „des Guten nicht zu viel getan wird“. Schließlich gilt auch hier das Wirtschaftlichkeitsgebot, wonach die in der GKV veranlassten Leistungen notwendig, ausreichend und wirtschaftlich sein müssen.