Der Fall
Der Kläger war seit 2000 bei einer GmbH als Angestellter beschäftigt und wurde im Jahr 2013 zu deren Geschäftsführer bestellt. Einen Geschäftsführerdienstvertrag schlossen die Parteien weder mündlich noch schriftlich. Am 15. Januar 2020 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Am gleichen Tag wurde das Beschäftigungsverhältnis des Klägers durch den Insolvenzverwalter gekündigt. Die Kündigung ging dem Kläger am Morgen des Folgetages zu. Am Nachmittag legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung nieder. Am 28. Januar 2020 sei dann nach Vortrag des Klägers der Betrieb der Gesellschaft auf einen Betriebsübernehmer im Sinne des § 613a BGB übergegangen.
Gegen die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und stützte diese insbesondere auf das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB. Die Kündigung sei aber auch sozial ungerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Weiter begehrte er die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege und dieses auf den Betriebsübernehmer übergegangen sei.
Die Gesellschaft war der Auffassung, dass das KSchG keine Anwendung finde, da der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Geschäftsführer und damit Organ der Gesellschaft gewesen sei (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG). Die Regelung des § 613a Abs. 4 BGB komme ebenfalls nicht zum Tragen, weil der Kläger mit seiner Bestellung als Geschäftsführer seinen Arbeitnehmerstatus aufgegeben habe. Im Übrigen liege kein Betriebsübergang vor, vielmehr sei der Betrieb stillgelegt worden.
Die Entscheidung
Nachdem das Arbeitsgericht noch dem Kläger vollumfänglich Recht gab, wies das Landesarbeitsgericht die Klage ab. Das BAG hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht.
Zunächst stellte der 6. Senat des BAG klar, dass das KSchG keine Anwendung fand. Denn bei Zugang der Kündigung war der Kläger unstreitig noch Geschäftsführer der Gesellschaft und damit „Organ“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung bedurfte es daher nicht. Damit folgte das BAG der Vorinstanz.
Allerdings bejahte das Gericht die Voraussetzungen des § 613a BGB, weil es sich bei der vertraglichen Beziehung zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe, denn die Parteien waren allein über den im Jahr 2000 geschlossenen Arbeitsvertrag miteinander verbunden. Zwar handele es sich bei der vertraglichen Grundlage für die Beschäftigung eines Geschäftsführers regelmäßig um einen Dienstvertrag, allerdings bedurfte es aus Sicht des Gerichts zusätzlicher, über den Bestellungsakt hinausgehender tatsächlicher Anhaltspunkte, dass ein solcher Dienstvertrag geschlossen werden sollte. Vorliegend lagen diese nicht vor. Vielmehr hätten die Parteien übereinstimmend ausschließlich ein Arbeitsverhältnis begründet. Dieses Arbeitsverhältnis unterliegt dem Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB, unabhängig von der (Nicht-) Anwendbarkeit des KSchG. Infolgedessen geht auch das Arbeitsverhältnis mit einem Geschäftsführer auf den Betriebserwerber über. Die Bundesrichter stellten in diesem Zusammenhang jedoch nochmals klar, dass dies eben nicht für die Organstellung als solche gilt, denn die Bestellung zum Geschäftsführer ist ein besonderer körperschaftlicher Bestellungsakt und steht neben der vertraglichen Beziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer.
Folglich müsste der Kläger auf Basis seines Arbeitsvertrages weiterbeschäftigt werden. Vorliegend wären dies diejenigen Tätigkeiten, die der Kläger als (ehemaliger) Geschäftsführer ausgeübt hat, ohne dass er jedoch die Organstellung behalten würde. Eine Änderung der Tätigkeit könnte nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung erfolgen.
Fazit
Wenngleich das Verfahren zurückverwiesen wurde, weil die Frage, ob ein Betriebsübergang dem Grunde nach vorliegt, weiter aufgeklärt werden muss, handelt es sich dennoch um einen „Fall aus dem Leben“: Nicht selten werden langjährige qualifizierte Mitarbeiter zu Geschäftsführern berufen, ohne den ursprünglichen Arbeitsvertrag anzupassen bzw. aufzuheben und einen neuen Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen. Kommt es dann im Rahmen von Umstrukturierungen zu Betriebsübergängen, hat ein Betriebserwerber in der Regel kein Interesse daran, den vormaligen Geschäftsführer der übernommenen Gesellschaft – auch nicht als „normalen“ Arbeitnehmer – zu übernehmen und weiter zu beschäftigen. Die Entscheidung zeigt, dass im Rahmen von Transaktionen und Umstrukturierungen die vertraglichen Grundlagen der Beschäftigung von Mitgliedern der Geschäftsführung besonders sorgfältig geprüft werden müssen.