Krankenhausreform auf der Kippe?

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Schuldenbremse wird auch eine Einigung zwischen Bund und Ländern die Krankenhausreform betreffend weiter erschwert. Angesichts der Verknappung der Haushaltsmittel erscheint es unwahrscheinlich, dass der Bund für den anstehenden Transformationsprozess wie auch für Lücken in der Refinanzierung der Betriebskosten einspringt und den Ländern strukturelle Zugeständnisse durch Finanzmittel erleichtert. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Treffen der Bund-Länder-Gruppe zur Krankenhausreform am heutigen Donnerstag, den 23.11.23 mit einem Eklat endet.


Die aktuell vorliegende überarbeitete Version des Krankenhausversorgungsverbesserungs-gesetz (KHVVG) vom 13.11.2023 kommt den Positionen der Länder wenig entgegen. Insbesondere eine zeitnahe umfassende Auswirkungsanalyse der Einführung von Leistungsgruppen auf die jeweilige Krankenhauslandschaft der Länder und eine Beispielberechnung für die Verteilung des Vorhaltebudgets zwischen den Ländern, wie von diesen gefordert, ist nicht in Sicht.
 

Wo liegt das Konfliktpotenzial?

Ein entscheidendes Konfliktpotential liegt in der Festlegung möglicher Ausnahmen bzw. der Abmilderung von Strukturanforderungen der Leistungsgruppen. Eine Abmilderung könnte beispielsweise die Umwandlung einer strukturellen Vorhaltung in den Nachweis einer diesbezüglichen Kooperationsvereinbarung durch die Planungsbehörde eines Landes sein. Der Bund plant die Ausnahmen gesetzlich eng - „wenn zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich“ - und befristet zu regeln. Die Länder sehen hier einen Eingriff in ihre Planungshoheit und bevorzugen eine Regelung in Form von zustimmungspflichtigen regelmäßigen Rechtsverordnungen. Rein systematisch wirft dieser Gegensatz auch die Frage nach der grundsätzlichen Ausgestaltung von Vorhaltepauschalen auf. Aufwandsgerecht kalkulierte Vorhaltepauschalen müssten auch den durch Ausnahmen von den Strukturerfordernissen geminderten Vorhalteaufwand abbilden.

Allerdings lässt die im Referentenentwurf beschriebene Methodik der Ausgrenzung der Vorhaltekosten ohnehin erkennen, dass eine aufwandsgerechte Kalkulation von Vorhaltekosten durch das INEK nicht beabsichtigt ist. Da Sachkosten und stationäre Pflegekosten variabel entsprechend dem Aufwand refinanziert werden sollen und 40% fallvariable aDRG-Erlöse verbleiben sollen, ist es vorgesehen, dass in manchen DRGs-Konstellationen die Vorhaltebewertungsrelationen und -vergütung mangels „Verteilungsmasse“ entfällt.
 

Die Rolle der InEK

Das INEK ermittelt im Rahmen der DRG-Kalkulation auf dem Wege der Kostenabgrenzung im Jahr 2024 für das Jahr 2025 erstmals ein Vorhaltevolumen (Summe der Vorhaltebewertungsrelationen) je Bundesland auf Basis der Kostendaten 2023 und dem DRG-Portfolio der Fälle des Landes. Die mehrjährig gültige Zuweisung des Vorhaltevolumens auf einzelne Krankenhäuser erfolgt durch das INEK entsprechend dem Portfolio und Fallmengen des Hauses oder, falls vorliegend, den Fallmengen im Rahmen der Krankenhausplanung zugeordneter Leistungsgruppen. Verteilt ein Land im Rahmen der Krankenhausplanung über restriktive Zuweisung von Leistungsgruppen die Fallmengen auf weniger Krankenhäuser, so hat dies einen positiven Effekt auf die Höhe der Krankenhausspezifisch zugeordneten Volumina. Zwingend für die Inanspruchnahme des zugeteilten Vorhaltevolumen und die Abrechnung ist die laufend sicher zu stellende Strukturqualität der Leistungsgruppe am Standort. Ist diese dauerhaft nicht mehr gegeben, so entfällt auch das anteilige Vorhaltevolumen. Die Verteilungssystematik bietet somit keinen zusätzlichen krankenhausindividuellen Anreiz zur Abstrukturierung des Portfolios. Analog dem Fixkostendegressionsabschlag (FDA), der zukünftig entfallen soll, wirkt die mehrjährige Festlegung des Vorhaltevolumens einer ökonomisch getriebenen Ausweitung der Fallmenge entgegen. Die Bereinigung nicht rentabler Portfoliosegmente, insbesondere wenn diese im Gesamtgefüge des Standortes nicht strukturrelevant sind, bleibt dementsprechend eine erwägenswerte Option.
 

Die weiteren Streitpunkte und Unklarheiten im Rahmen der Krankenhausreform

Ein weiterer Streitpunkt im Rahmen der Krankenhausreform liegt in der Ausgestaltung der Rolle des Medizinischen Dienstes (MD), der die Einhaltung der Strukturvorgaben prüfen soll. Während die Länder ihn als reine „Gutachterstelle“ sehen, beabsichtigt der Bund eine proaktive Berichterstattung des MD in Richtung INEK und Kostenträger mit dem Ziel, dass bei Nichteinhaltung der Vorgaben Konsequenzen beispielsweise für die Vergütung gezogen werden können. Ein Verzicht auch diese Regelungen durch den Bund, würde faktisch einer Aufgabe der Regelungshoheit über einen wesentlichen Teil der Betriebskostenfinanzierung zu Gunsten der Länder gleichkommen, die aktuell allein dem Bund obliegt.

Gegen eine Einigung am heutigen Donnerstag spricht auch, dass eine gemeinsame Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen der Bund-Länder-Gruppe entgegen den vorigen Treffen diesmal seitens der Länder abgelehnt wurde.

Wie verfahren die Situation ist zeigt auch der Streit um das aktuell dem Bundesrat vorliegende Transparenzgesetz, das neben den Leistungsgruppen auch eine Zuordnung von Leveln für Krankenhausstandorte vorsieht. Eine große Mehrheit der Länder hat bereits angekündigt, dieses in der nächsten Sitzung des Bundesrates am 24.11.2023 in den Vermittlungsausschuss zu verweisen. Die Länder stören sich daran, dass im Transparenzverzeichnis die Zuweisung von Leistungsgruppen vorweggenommen werden soll, obwohl diese später den Krankenhausplanungsbehörden vorbehalten sei. Damit würden zentrale Regelungen des KHVVG vorweggenommen.

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ist klar, dass es frühstens zu Beginn des 2. Quartals 2024 verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen für eine mittelfristige Zukunftsplanung der Krankenhäuser geben wird. Auch Klarheit über die Art und den Umfang eines von Ländern und Krankenhäusern gewünschten Vorschaltgesetzes zum Ausgleich aktueller in der Refinanzierung nicht umfassend abgebildeter Kostensteigerungen dürfte, wenn überhaupt erst Anfang 2024 bestehen, kann doch ein solches Zugeständnis aus der Sicht des Bundes allenfalls Bestandteil einer verbindlichen allumfassenden Regelung sein.

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